Ermittler durchsuchten Wohnungen von Salafisten in sieben Bundesländern. Auch in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Berlin/Hamburg. Schlag gegen Islamisten: Mit groß angelegten Razzien sind Polizei und Justiz am Donnerstag gegen radikale Salafisten in vielen Teilen Deutschlands vorgegangen. Ermittler durchsuchten am Donnerstagmorgen Wohnungen und Vereinsheime von Salafisten in sieben Bundesländern, darunter Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Berlin, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Die Razzien dauern offenbar noch an. Knapp 1.000 Beamte seien im Einsatz, hieß es aus Polizeikreisen.

Laut Medienberichten betrafen die Einsätze in Hamburg die Stadtteile Horn, Harburg und Wilhelmsburg. Durchsucht wurden vier Objekte, darunter drei Wohnungen und Vereinsräume in der Al Taqwa Moschee. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Salafisten in Hamburg auf 200.

In Schleswig-Holstein wurde ein Objekt eines einschlägig bekannten Salafisten in Husum durchsucht. Er ist Inhaber von radikalen Internetseiten und Mitglied von „Millatu Ibrahim“, wie Innenminister Andreas Breitner (SPD) am Donnerstag in Kiel sagte. In Schleswig-Holstein leben nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes etwa 200 Salafisten, die überwiegend politisch agieren.

Betroffen waren außerdem unter anderem ein Moscheenverein in Solingen (NRW) und die Gruppe Dawa FFM in Frankfurt am Main. Auch Räume des Netzwerks „Die wahre Religion“ um den radikalen Prediger Ibrahim Abou Nagie sollen durchsucht worden sein. Der Kölner Salafist hatte mit kostenlosen Koran-Verteilungsaktionen in mehreren deutschen Städten für Aufsehen gesorgt.

Mit den Durchsuchungen wollen die Beamten unter anderem Beweismaterial für mögliche Vereinsverbote sicherzustellen. Radikale Salafisten stehen im Verdacht, mit ihrer Propaganda gewaltbereite Islamisten anzustacheln oder selbst Verbindungen zu Terrornetzwerken zu pflegen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ließ parallel zu der Aktion das salafistische Netzwerk Millatu Ibrahim aus Solingen verbieten. Die Organisation richte sich gegen den Gedanken der verfassungsrechtlichen Ordnung und der Völkerverständigung, sagte Friedrich am Donnerstag in Berlin.

In Deutschland gilt der Salafismus als die am schnellsten wachsende und wegen ihrer Radikalität besonders gefährliche Strömung des Islamismus. Sicherheitsbehörden schätzen die Zahl der Anhänger auf etwa 4.000. Für Salafisten ist das Ideal ein Gottesstaat, in dem es keine „vom Menschen erfundenen“ Gesetze gibt, sondern in dem das islamische Rechtssystem, die Scharia, gilt. Strenge Salafisten lehnen die westliche Lebensweise ab, propagieren die schlichte Geschlechtertrennung und betrachten Homosexualität als schwere Sünde.

Salafisten stehen seit dem vergangenen Jahr verstärkt im Visier der Sicherheitsbehörden. Im März 2011 erschoss ein islamistischer Einzeltäter am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten – es war der erste erfolgreiche islamistisch motivierte Anschlag auf deutschem Boden. Der Attentäter hatte sich über salafistische Propaganda im Internet selbst radikalisiert.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) bewertete die Razzien als „wichtigen Beleg für ein entschlossenes Vorgehen der Sicherheitsbehörden im gemeinsamen Kampf gegen gefährliche Extremisten“ bewertet. „Der heutige Einsatz zeigt: Wir erhöhen konsequent den Druck auf die Salafisten und gehen entschieden gegen ihre demokratiefeindliche Agitation vor“, erklärte Jäger in Düsseldorf laut einer Mitteilung. Man habe es „mit einer neuen Dimension der Gewalt“ durch Salafisten zu tun. „Es ist wichtig, dass wir allen Verfassungsfeinden signalisieren: Bis hierher und nicht weiter.“

Zuletzt hatten sich Salafisten und Mitglieder der rechtsextremen Partei Pro NRW gegenseitig angestachelt. Pro NRW hatte sich den Hass der Islamisten zugezogen, weil Aktivisten der Splitterpartei vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen provokativ islamkritische Karikaturen gezeigt hatten. Die Sicherheitsbehörden waren besonders alarmiert, seitdem ein Islamist in einer Video-Botschaft zur Ermordnung von Pro-NRW-Anhängern und Journalisten aufgerufen hatte.

Nach Angaben der Sicherheitsbehörden gibt es in Deutschland derzeit rund 130 Gefährder, denen islamistische Anschläge zugetraut werden. Darunter seien 24 Salafisten.

Mit Material von dpa und dapd