Beim Eurovision Song Contest punktet nicht nur Osteuropa
Jedes Jahr die gleiche Prozedur. Deutschland gibt sein vermeintlich Bestes - und am Ende gewinnen immer die anderen den Eurovision Song Contest. Der Osten ist seit der Erweiterung Europas drückend überlegen, glauben viele. Hat der Westen beim größten Musikwettbewerb der Welt keine Chance mehr?
Weit gefehlt! Deutschland hat es sogar leichter als viele seiner 41 Konkurrenten, von denen 16 schon vorige Woche in den beiden Halbfinals ausgeschieden sind. Eine Hürde, die Deutschland erspart blieb, weil es zu den vier größten Geldgebern der Show zählt und ebenso wie Großbritannien, Frankreich, Spanien und Vorjahressieger Aserbaidschan bereits für das Finale am heutigen Sonnabend (ARD 21 Uhr live) gesetzt ist. Dazu kommt, dass Deutschland sich seinen Startplatz im Finale seit einigen Jahren praktisch frei aussuchen darf.
Früher hat Deutschland auch nicht häufiger gewonnen, obwohl weniger Länder teilnahmen. Es gab jeweils einen Sieg vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs (Nicole 1982, Lena 2010). Und seit 1990 stehen lediglich sechs Siege Osteuropas sage und schreibe 17 Siegen des "alten Europas" gegenüber. Serbien (2007) und die Ukraine (2004) hätten übrigens auch ohne die Stimmen der Ostländer gewonnen. Und falls manchmal der Eindruck aufkam, nach der (Punkte-)Freundschaft der Skandinavier würden sich nun auch Balkan, Balten und andere Satellitenstaaten der Ex-Sowjetunion die Punkte zuschanzen, haben die Verantwortlichen mit der Einführung von Jurys, die 50 Prozent der Punkte vergeben, schon erfolgreich gegengesteuert, was dem Jury-Liebling Italien 2011 Platz 2 bescherte.
Anders als zuletzt dürfen Zuschauer erst anrufen, wenn der letzte Ton verhallt ist. Dadurch entsteht Deutschlands Teilnehmer Roman Lob mit "Standing Still" auf Startplatz 20 zumindest kein Nachteil. Am Ende punkten stets Länder, die mit hungrigen und glaubwürdigen Künstlern sowohl die moldawische Bäuerin als auch den britischen Broker mitreißen - eine ideale Chance für die deutsche Musikbranche, die mittendrin liegt.