MS “Stubnitz“ bis zum 2. Juni in HafenCity. Wie Künstlergruppe aus Ostsee-Trawler Plattform für Konzerte und Ausstellungen machte.
HafenCity. Am Strandkai, zwischen Elbphilharmonie und Marco-Polo-Tower, liegt ein Schiff, das ganz anders ist als die großen Kreuzfahrer, die man sonst hier sieht: die MS "Stubnitz". Ziemlich in die Jahre gekommen, bildet sie zu der vornehmen HafenCity-Bebauung einen spannenden Kontrast - auch weil es sich um ein alternativ betriebenes Partyschiff handelt.
Früher stand die 1964 in Stralsund gebaute "Stubnitz" als Kühlschiff im Dienst der DDR-Hochsee-Fischfangflotte. Doch in ihrem mächtigen Bauch wird schon lange kein Hering mehr gelagert. 1992 wurde sie von einem Künstlerkollektiv, darunter der Schweizer Musiker Urs Blaser, gekauft und zu einer schwimmenden Plattform für Konzerte, Ausstellungen Performances und Videoinstallationen gemacht.
Für die Crew ist die "Stubnitz" eine Lebensanschauung. Mit ihrem unkonventionellen Äußeren erinnern viele von ihnen an die Bewohner der St.-Pauli-Hafenstraße oder an Seeleute aus alten Zeiten und an die Künstler im Gängeviertel, das mit der "Stubnitz" kooperiert. Da sind Ky mit seinen blonden Rastazöpfen, Daniela mit asymmetrisch geschnittenen Haaren und Nasenpiercing, Kasper mit den langen roten Haaren und Heiko, dessen Markenzeichen Hut und Sonnenbrille sind. Sie haben die "Stubnitz" irgendwann in einem der Häfen, die sie angesteuert hatte, kennengelernt, sind zugestiegen und geblieben. Sie reizt die Alternative zu einem geregelten Leben an Land.
+++ Das Schiff in Zahlen - und zwei Livekonzerte +++
Manche bleiben nur ein paar Monate. Andere sind schon seit vielen Jahren an Bord und kehren dem Schiff höchstens mal für ein paar Monate den Rücken, um Geld zu verdienen. Auf der "Stubnitz" lebt man unter dem Motto "Hand gegen Koje" - das bedeutet zwar Abwechslung, ist aber nichts für Faulpelze. Neben der Decksarbeit, zu der alle ranmüssen, hat jeder seine speziellen Aufgaben. Ky ist Steward und Barkeeper, kümmert sich aber auch um das Konfigurieren der Rechner, Daniela wendet in der Kombüse die Kenntnisse an, die sie in der Volxküche auf dem G8-Gipfel erworben hat, Heiko bringt seine Kenntnisse als Regisseur und Kameramann ein und Salli die Erfahrungen aus seinem Schiffbaustudium.
"Wir haben einen Pool aus 200 Freiwilligen, zu denen auch Kapitäne und nautische oder technische Ofiziere gehören", sagt Urs Blaser. Mittlerweile haben sich einige der Crewmitglieder als Rudergänger qualifiziert (Arne) oder sind Offizier geworden (Stefan), doch für die Überfahrten ist eine 14-köpfige Mindestbesatzung erforderlich. Immerhin ist die "Stubnitz" im gesamten nordeuropäischen Raum unterwegs, pendelt zwischen ihrem Heimathafen Rostock, Bremen und Hamburg und unternimmt Touren nach Stockholm, Riga und Stettin, Brügge, Newcastle und London.
"In jeder Stadt, in der wir anlegen, organisieren wir mit Kooperationspartnern Angebote für drei bis sechs Wochen", erklärt Urs Blaser das Konzept des Projektes. In Hamburg sind das nicht nur die Künstler im Gängeviertel, sondern auch das Elbjazz-Festival an diesem Wochenende - aber auch regelmäßige Konzerte mit hochkarätigen Musikern. Diese lassen sich nicht davon abschrecken, dass die "Stubnitz" nach fast 20 Jahren immer noch ein Geheimtipp, die Zuhörerzahl eher klein und die Auftritte daher nicht besonders lukrativ sind. "Sie lieben die Akustik in dem stählernen Bauch des Schiffes", sagt Blaser. Nicht mit allen Veranstaltungen ist Geld zu verdienen - das geht nur bei großen Klub-Events mit vielen Besuchern. Doch auch davon bleibt nichts übrig. "Jeder Cent geht ins Schiff", sagt Blaser. Und ohne die finanzielle Förderung der Stadt Rostock und des Landes Mecklenburg-Vorpommern könnte die "Stubnitz" nicht existieren. Um Schiffserhalt und Kulturarbeit kümmern sich mittlerweile zwei Vereine: der 1995 gegründete Verein Motorschiff Stubnitz und der Trägerverein Rostocker Kulturschiff Stubnitz. Auf dem alten deutschen Seeschiff - übrigens das älteste zugelassene seiner Größe (2500 Bruttoregistertonnen) - werden jährlich 30 000 bis 50 000 Besucher gezählt. Diese dürfen an Bord, sobald das Banner "Bar is open" über der Reling hängt. In Hamburg können sie noch bis zum2. Juni mit einem kühlen Drink an Deck sitzen - und aus dieser Perspektive auf die HafenCity blicken. Wenn es dämmert, ist es besonders romantisch. Und wenn dann aus dem Schiffsbauch noch Musik erklingt, bedauert man, dass die "Stubnitz" schon bald wieder ablegt.
Internet: http://ms.stubnitz.com