Bundespräsident plädiert auf Hamburger Seniorentag für flexibleres Renteneintrittsalter
Hamburg. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich für mehr Flexibilität beim Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand ausgesprochen. "Ich wünsche mir, dass jene, die es wollen, länger im Beruf bleiben können - unter besseren Bedingungen täten das bestimmt heute schon viele", sagte Gauck gestern im Hamburger Congress Center zum Auftakt des 10. Deutschen Seniorentages. Zugleich schränkte der Bundespräsident ein: "Gewiss ist es nicht jedem vergönnt, bis ins hohe Alter tätig zu bleiben. Es gibt Krankheiten, Schicksalsschläge. (...) Deshalb wünsche ich mir auch: Niemandem sollte Unzumutbares zugemutet werden." Aber das Zumutbare schon, fügte er hinzu.
An Politik und Wirtschaft gewandt, betonte der Bundespräsident: "Wir werden erkennen, dass (...) Konsequenzen einer Gesellschaft des langen Lebens nur dann bedrohlich sind, wenn zu starr an den bisherigen Systemen, Vorgaben und Eckpunkten festgehalten wird." Die Übergänge zwischen den Lebensphasen und den Arten der Tätigkeiten müssten fließender gestaltet werden. "Ich wünsche mir, dass wir Älteren eine Chance geben, sich weiterzuentwickeln, ihnen Achtung und Wertschätzung entgegenbringen und ihren Bedürfnissen pragmatisch entgegenkommen. Und ich rede bewusst auch nicht allein vom Broterwerb, sondern ich rede von Tätigkeit", sagte Gauck.
In seiner 30-jährigen Geschichte wird der Deutsche Seniorentag zum ersten Mal in Hamburg ausgerichtet. Unter dem Motto "Ja zum Alter!" wendet sich die Veranstaltung in diesem Jahr gegen den Jugendwahn. Noch bis Sonnabend sind im CCH Veranstaltungen mit mehreren Hundert Referenten geplant. Insgesamt rechnen die Veranstalter mit rund 20 000 Besuchern. Daneben findet die Seniorenmesse SenNova zu den Themen Gesundheit, Mobilität und Lernen, aber auch Finanzen, Vorsorge und Wohnen statt. Heute wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Seniorentag erwartet.
Bundespräsident Gauck war von den Zuhörern im Saal 1 mit freundlichem Beifall empfangen worden. Mit Blick auf seine Forderung nach einem flexiblen Renteneintrittsalter meinte er, er sei ein Verbündeter - einer, der "mit 72 Jahren eine ganz neue und ehrenvolle Aufgabe übernehmen durfte". Die höhere Lebenserwartung sei ein Geschenk. Zugleich liege es in der Verantwortung jedes Einzelnen, das längere Leben zu einem Gewinn zu machen, forderte der Bundespräsident.
Mit seinem Vorschlag dürfte Gauck vielen Deutschen aus der Seele gesprochen haben. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im März hatte ergeben, dass zwar 44 Prozent der Befragten sich auf den Ruhestand freuten. Zugleich waren jedoch 59 Prozent dafür, auf die feste Altersgrenze für den Ruhestand zu verzichten und es einem Arbeitnehmer zu ermöglichen, so lange zu arbeiten, wie er es möchte. Forsa hatte im Auftrag des Magazins "Stern" und der Hamburger Körber-Stiftung 1272 repräsentativ ausgewählte Personen befragt.
Seniorenministerin Kristina Schröder (CDU) ging in ihrer Rede nicht direkt auf die Forderung des Bundespräsidenten ein. Allerdings unterstrich sie die Bedeutung ehrenamtlicher Tätigkeit. Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz (SPD) kritisierte die Schwierigkeiten für viele Menschen über 50, einen Job zu finden. "Das ist Diskriminierung."