Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt verlangt Uni-Präsident Dieter Lenzen einen harten Sparkurs ab. Dabei wäre sie gerne auf seiner Seite
Sie war beschwingt nach der Sitzung im vergangenen Sommer. So sehr, dass sie sich wünschte, dass er bald wieder in den Wissenschaftsausschuss kommen möge. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, hatte vor Politikern erläutert, warum seine Hochschule die CDU-Pläne für einen Umzug des Campus an die Elbe ablehnt. Darüber freute sich die Oppositionspolitikerin Dorothee Stapelfeldt (SPD), die mit Herzblut in dieser Sache kämpfte. Lenzen antwortete auf die Einladung mit einem Augenzwinkern: "Ich komme gerne wieder. Aber Sie werden es noch bereuen."
Heute, ein Jahr später, ist von der damaligen politischen Einigkeit nicht viel geblieben. Die Universität und ihr Präsident proben einen beispiellosen Aufstand gegen die Sparmaßnahmen der SPD. Als Feindbild haben die Studierenden ihre ehemalige Verbündete ausgemacht. Dorothee Stapelfeldt, dieser Name war zuvor Chiffre für ein Versprechen: dass Hamburgs Hochschulen endlich eine Anwältin ihrer Sache bekommen, zumal die hohe Politik auf diesem Gebiet eher Interesse heuchelt. Jetzt tritt die 54-Jährige ihr Amt mit Kürzungen historischen Ausmaßes an.
Tragisch ist, dass Lenzen und Stapelfeldt kürzlich noch in eine harmonische Zukunft blickten, sie teilen das Pathos für die Wahrheitsfindung in der Wissenschaft. Abschaffung der Studiengebühren, längere Studienzeiten für den Bachelor, etwas mehr Mitbestimmung, auf diese Agenda können sich die beiden einigen.
Doch nun sind beide verstrickt in ihr jeweiliges innenpolitisches System.
Bei Lenzen sind es zwei Szenen, die man erst mal zusammenbringen muss. "Not my President", mit dieser handgreiflichen Kampagne begrüßten Studierende damals ihren neuen Chef. Lenzen sei ein knallharter, auf Exzellenz gepolter Hochschulmanager, hieß es nicht nur in den linkspolitischen Weiten. An der FU Berlin frotzelte ein ironischer Fanklub, "Dieter" stehe für "Deutsche Industrie der Elite und Treuhand Exzellenter Rektoren".
Vergangene Woche dagegen saß Lenzen - wie oft im extravagant-kragenlosen Hemd - im gefüllten Audimax und wartete auf seinen Auftritt. Eine Studierende brachte ihm ein Glas Wasser. Später blickte Lenzen in Hunderte Gesichter und rief ins Mikrofon: "Liebe Kommilitonen, ich bitte Sie: Lassen Sie uns gemeinsam die Bürger dieser Stadt aufklären!" Donnernder Applaus. Lenzen legt Wert darauf, dass es nicht um ihn gehe, sondern um die Wissenschaft. Seine Rolle hier war von Anfang an anders als in Berlin: In Hamburg ist sein Amt mit weit weniger Macht ausgestattet, er kann nicht zentral bestimmen, sondern muss seine Mitstreiter mit ins Boot holen. Lenzen entrümpelte das düstere Uni-Chefbüro, das für seine Vorgängerin zum Schleudersitz wurde. Sein Laptop steht auf einem Beistelltisch, wie in einer Studentenbude. Die Botschaft: "Ich bin einer von euch." Er weiß, dass ihm die Uni sonst um die Ohren fliegt. Auch wenn er Fachbereiche schließen würde, um andere zu stärken.
Dorothee Stapelfeldt darf derzeit nicht einmal mit einem Schluck Wasser von Studierenden rechnen. Ihr Büro ist weit weg von der Uni, nur ein großes Schwein hat sie auf dem Fensterbrett stehen, als Glücksbringer. Doch Glück hat sie nicht gehabt. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lässt ihr keinen Spielraum bei den Sparmaßnahmen. Und weil die "Solidarität" innerhalb des roten Senats schwerer wiegt, vertritt sie den Kurs nach außen.
Die SPD hat die Konsolidierung des Haushalts als Wahlversprechen über alles gestellt. "In einer idealen Welt, in der Hamburg keine Schulden hat", sagt Stapelfeldt also, "könnten wir mit der einen Milliarde, die wir jährlich an Zinsen zahlen, die komplette Universität auf einen Schlag sanieren." Nur dass diese Welt eben eine "ideale" wäre - die Universität ist verunsichert, was ihr in der realen Welt noch alles so zustößt. Und Stapelfeldt verweigert hartnäckig, Versprechen für die Zukunft zu machen. Das mag ehrlich sein, weil sie keine falschen Hoffnungen wecken will. Im politischen Feuer wird Ehrlichkeit aber schnell zu "schlechter Krisenkommunikation".
Stapelfeldt ist als Studierende zum Protest auf den Tisch des Akademischen Senats gesprungen. Lenzen war mit 28 Jahren jüngster Professor Deutschlands. Ob er etwas nachholt oder nicht - Anwalt der Uni ist nun er.