Syriens Despot Assad schürt den Grenzkonflikt aus Kalkül.
Bislang vermag niemand zu sagen, ob die Tyrannendämmerung in der arabischen Welt am Ende tatsächlich zu mehr Freiheit und Demokratie in diesen Staaten führen wird. In Israel werden die Volksaufstände und Massenproteste von Ägypten bis Syrien jedenfalls mit einiger Besorgnis betrachtet. Despoten wie der zum Entsetzen Israels gestürzte Ägypter Mubarak oder wohlwollende Autokraten wie die jordanischen Monarchen galten in den vergangenen Jahren als Partner Israels bei der Verhinderung neuer Kriege in einer potenziell explosiven Region. Den diversen Protestbewegungen jedoch, die von nationaldemokratisch bis radikalislamistisch in allen Farben schillern, ist ein Element gemeinsam: eine mehr oder minder stark ausgeprägte Israel-Feindlichkeit.
Vor diesem Hintergrund muss sogar dem syrischen Gewaltherrscher Assad eine gewisse stabilisierende Rolle zugebilligt werden - trotz seiner bedenklichen Nähe zum Iran und der Förderung terroristischer Gruppen wie Hisbollah und Hamas. Einen offenen Krieg kann sich Syrien aber nicht leisten - daher war die Grenze zu Israel bislang ungeachtet des Dauerbrennpunktes Golanhöhen vergleichsweise ruhig. Dass es nun gleich Hunderten Palästinensern gelang, erst die syrische Sperrzone und dann die Grenze zu Israel zu durchbrechen, kann nur mit aktiver Duldung seitens des Assad-Regimes erfolgt sein. Der Despot von Damaskus, innen- wie außenpolitisch bedrängt, hat den Israelis und der ganzen Welt damit eine klare Botschaft zweifachen Inhalts zukommen lassen: 1. Ich kann jederzeit einen Grenzkonflikt bis hin zum Krieg provozieren. 2. Ich bin der Garant für Stabilität in Syrien - nach mir die islamistische Sintflut. Also unterstützt mich gefälligst. Bedauerlicherweise hat die offenbar völlig überraschte israelische Armee mit ihrer Überreaktion dem zynischen Kalkül des syrischen Fuchses zusätzlich in die Hände gespielt. Angesichts von bis zu zehn erschossenen und mehr als 200 verletzten Zivilisten kann Assad nun von den eigenen Brutalitäten ablenken und mit anklagendem Finger auf Jerusalem weisen. Israel ist in die Falle gegangen.
Der simultane Sturm auf vier israelische Grenzen - in Syrien, dem Libanon, im Gazastreifen und im Westjordanland - war überdies ein Warnsignal. Die Palästinenser nutzen die instabile Lage in der Region zunehmend für ihre Zwecke. Die bange Frage ist, ob die israelische Regierung angesichts ihres starren rechtskonservativen Charakters flexibel und weise genug auf diese Herausforderung reagieren kann.