Joan Kristin Bleicher, 51, Professorin für Medienwissenschaft an der Uni Hamburg
Hamburger Abendblatt:
1. 5,6 Millionen Zuschauer haben in der Nacht zu Sonntag "Deutschland sucht den Superstar", DSDS, gesehen. Warum sind die Zuschauer begeisterter, als es der Sieger Pietro Lombardi zeigen konnte?
Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher:
Ich weiß nicht, wie begeistert das Publikum wirklich ist. Aber der Zuschauer hat in der Sendung eine starke Machtposition, und die macht den Reiz von Castingformaten aus. Er kann durch seine Anrufe über die Karriere eines Menschen bestimmen. Eine vergleichbar einflussreiche Position gibt es sonst nicht.
2. Wurde die Quote (Marktanteil: 34,8 Prozent) in die Höhe getrieben, weil die beiden Gegenkandidaten im Finale ein Liebespaar sind?
Bleicher:
Eine Lovestory passt genau in dieses Konzept. Das Leben der Kandidaten wird über mehrere Episoden verfolgt. Unerlässlich bei diesem Seriencharakter ist, dass es Konflikte gibt, möglichst auch Liebe. Schließlich wird eine Art modernes Märchen erzählt vom Hartz-IV-Empfänger zum Millionär. Die Lovestory sorgt zusätzlich für Aufmerksamkeit. Die Quote wird aber vor allem in die Höhe getrieben, weil hier eine multimediale Aufmerksamkeitsstrategie betrieben wird: vom Boulevardjournalismus, der das Interesse der Leser weckt und selbst wieder von hohen Einschaltquoten profitiert.
3. Verdient der Sieger wirklich den Titel Superstar?
Bleicher:
Nein, der Titel ist völlig fehl am Platze. Es wird nur suggeriert, dass Deutschland hier den Superstar sucht. Dabei tritt gleich zu Beginn der neuen Staffel schon so etwas wie eine kollektive Amnesie ein. Das heißt, der Superstar der vorherigen Staffel ist in dem Moment vergessen, in dem die neue beginnt. Der Status Superstar ist eine Konstruktion.
4. Fasziniert die Sendung nur die junge Generation oder auch deren Eltern und Großeltern?
Bleicher:
Das Interesse ist generationsübergreifend. Gerade Großeltern fasziniert dieser Startypus, den ich als "Helden wie wir" bezeichne. Er suggeriert, der normale Junge oder das Mädchen aus der Nachbarschaft kann zum Superstar werden. Das bietet Identifikationspotenzial mit der Botschaft: Dort auf der Bühne könnte auch mein Enkel stehen, mein Sohn oder meine Tochter.
5. Wird sich das Format totlaufen oder lässt es sich ständig wieder beleben?
Bleicher:
Solange es beim Casting keine Probleme mit geeigneten Kandidaten gibt, funktioniert das. Abhängig ist das auch von Unterhaltungselementen wie den Sprüchen von Dieter Bohlen. Die sorgen für humoristische Effekte. Ohne Bohlen in der Jury wäre die Quote niedriger. Auf jeden Fall ist es ein Erfolgsformat, das international funktioniert.