Osama Bin Ladens Tod löst nicht Amerikas Probleme.
"Geronimo" ist tot, die USA feiern. Es mag allerdings ein Geheimnis des US-Militärs bleiben, warum der operative Codename für den Massenmörder Osama Bin Laden ausgerechnet von einem Apachenhäuptling entliehen wurde, der sich verzweifelt gegen jene Weißen wehrte, die sein Land geraubt und seine gesamte Familie niedergemetzelt hatten.
Der Triumph ist den USA von Herzen zu gönnen. Angesichts der Tausenden Opfer des erbarmungslosen Al-Qaida-Führers und der zwielichtigen Haltung Pakistans ist die Überlegung zweitrangig, ob dieser Erfolg völkerrechtlich ganz sauber zustande gekommen ist.
Er wäre allerdings noch viel nachhaltiger ausgefallen, wenn Bin Laden schon Ende 2001, kurz nach den Anschlägen vom 11. September also, in seiner Felsenfestung Tora Bora gefasst worden wäre. Nicht nur ist der Terrorfürst in jenem Jahrzehnt weitgehend zu einem bloßen Symbol verblichen; auch Amerika hat sich seitdem dramatisch verändert. Bin Ladens Tod durch die Hand amerikanischer Elitekrieger verschafft US-Präsident Barack Obama zwar jenen dringend benötigten außenpolitischen Erfolg, der ihm in Afghanistan, im Nahen Osten oder in Libyen bislang versagt geblieben ist. Sogar hartleibige Republikaner sehen sich zu einem Lob für den Demokraten veranlasst. Doch dies alles ist für Obama kaum mehr als eine Atempause im stellenweise bedrückenden Alltag. Die Terrorgefahr bleibt auch ohne Bin Laden, die Krisenherde am Hindukusch und im Irak kosten weiterhin viel Geld und Menschenleben - vor allem aber dürfte sich die Wirtschaftslage der USA durch den Erfolg in Pakistan kaum aufhellen. Und dies ist letztlich das Feld, auf dem sich Obamas politisches Schicksal entscheiden wird.
Der gefährlichste Gegner der USA lauert nicht irgendwo in den pakistanischen Bergen, sondern mitten in Washington. Mit den ideologisch aufgeladenen Grabenkämpfen zwischen Republikanern und Demokraten um überfällige Reformen, um Steuern, Hilfsprogramme und Investitionen, aber auch mit seinem grotesk aufgeblähten Militärhaushalt blockiert sich das Land selber. China, despotische Supermacht im Wartestand, schickt sich derweil an, die USA als führende Wirtschaftsnation der Erde zu überholen. Dabei passt doch gerade Obamas altes Motto auf den Erfolg bei der aufwendigsten Menschenjagd der Geschichte: "Yes we can!" Amerika muss sich nun auch gesellschafts- und wirtschaftspolitisch auf seine Kraft und Zielstrebigkeit besinnen.