Der Hamburger Universitäts-Präsident will mit einem Leistungs- und Qualitätsschub an die Geschichte der Hochschule mit ihren vier Nobelpreisträgern anknüpfen.
Seien Sie ehrlich: Wenn Sie vor zehn, 15 Jahren an die Universität Hamburg dachten, fiel Ihnen ein: Mittelmäßigkeit, Massenuniversität, Randale, Hausberufungen - wenn Sie überhaupt an die Hamburger Universität dachten. Andere Universitäten waren in der Lage, solcher Art Auffälligkeiten ins Positive zu wenden: ihre Größe als Chance und Vielfalt, lautstarke Kritik als lebendige Demokratie, Hausberufungen als gelungener Versuch, hervorragende wissenschaftliche Kräfte vor der Abwanderung zu sichern.
Ob eine Universität sehr gut, schlecht oder mittelmäßig war, konnte ohnedies niemand sagen, weil es keine Rankings gab, und niemand sprach darüber, dass die "UHH", wie sie in der Abkürzung oft bezeichnet wird, als größte Universität Nordeuropas als ein Knotenpunkt für die Wissenschaft eines halben Kontinents gesehen werden darf. Nur ungern wurde über die Reformfreudigkeit der Universität gesprochen, und dass sie in allen drei Fächergruppen über hervorragende Disziplinen verfügt, über die Physik auf Weltniveau, über theoriestarke Sozialwissenschaften oder über exquisite Afrika- und Asienwissenschaften, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch das war eigentlich kein Thema.
Kein Wunder, dass die eigentlichen Probleme der Universität, ihre chronische Unterfinanzierung oder ihre marode Bausubstanz nicht bearbeitet wurden. So wundern sich Gutachter, die im Auftrage des Hauptfinanziers, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), tätig werden, dass Hamburg die geringste Steigerungsrate bei der öffentlichen Wissenschaftsfinanzierung aufweist, nämlich gar keine, sondern einen faktischen weiteren Finanzkraftverlust auch noch nach den brutalen Kürzungen in den 90er-Jahren und dass das Thema bauliche Erneuerung schon so lange diskutiert wird. Denn eines ist klar: Ein sichtbarer, unumstößlicher Wille, sehr große Beträge in die bauliche Erneuerung der Universität zu stecken, kann ein Zukunftssignal sein, ebenso wie eine Bereitschaft, die Universität besser auszustatten, wenn sie in Wettbewerben für Lehre und Forschung erfolgreich Mittel einwerben soll.
Da hilft kein Verweis auf eine schwierige Haushaltslage, in der befinden sich alle Bundesländer, und sie steigern dennoch die Ausgaben für Forschung und Lehre, denn bei der Zuweisung von Mitteln Dritter, wie denen des Bundes, geht es nicht um Bedürftigkeit, sondern um die Unterstützung eines erkennbaren Willens, die Stadt Hamburg tatsächlich zu einer Stadt der Wissenschaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, den gesetzlichen Nachholbedarf möglichst schnell zu erfüllen, d. h. die Finanzierung der Universität über Hochschulverträge langfristig zu sichern und die Handlungsautonomie für die Universität dem Stand in anderen Bundesländern anzupassen.
Ohne die Erfüllung dieser und eines weiteren Dutzends wichtiger Voraussetzungen würde die Chance vertan, die die Universität Hamburg bietet. Sie liegt in dem Umstand, dass sie zu den 15 Prozent leistungsfähigsten Universitäten Deutschlands gehört, dass sie über eine ausdifferenzierte Zukunftsplanung verfügt, dass sie eine große Zahl von Berufungen hervorragender Professorinnen und Professoren nachweisen kann, dass sie über Forschungsschwerpunkte und Strukturen in allen Fakultäten verfügt, die sie zu einer Universität der Nachhaltigkeit macht, und dass die ganze Universität in acht Handlungsfeldern sich neu erfunden hat und täglich neu erfindet.
Mit diesem Leistungs- und Qualitätsschub der letzten Jahre knüpft sie an eine große Geschichte, in der sie vier Nobelpreisträger und große wissenschaftliche Namen hervorgebracht hat, wie diejenigen von Ernst Cassirer, Erwin Panofsky oder William Stern, bevor jene mit der Machtergreifung der Nazis ins Exil gingen. Auch diese Schreckensgeschichte, in deren Verlauf etliche jüdische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihr Leben verloren, hat die Universität Hamburg als erste deutsche Universität aufgearbeitet. Die soeben erfolgte Enthüllung von Stolpersteinen zu ihrem Gedenken zeugt neben vielem anderen davon.
Sympathie ist es deshalb, die diese Universität verdient, deren Lehrende und Lernende sich täglich ins Zeug legen, um die Vorurteile gegen sie Lügen zu strafen und die die Monita des Wissenschaftsrats im Rahmen des zurückliegenden Exzellenzwettbewerbs inzwischen erfolgreich überwunden hat. Deshalb ist es erfreulich zu sehen, wie viele Bürger der Stadt sich inzwischen mit ihrer Universität identifizieren. Wenn das so weitergeht, dann klappt es vielleicht auch mit der Politik.