Der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts, 63, trainiert jetzt Aserbaidschan.
Hamburger Abendblatt:
1. Wie schwer trifft der Ausfall von Michael Ballack bei der WM die deutsche Nationalmannschaft?
Berti Vogts:
Der Ausfall ist ein richtig herber Verlust. Die Gegenspieler bei einer WM haben vor einem wie Michael Ballack großen Respekt. Man kennt einfach auf internationaler Ebene seine Stärken. Und auch intern tut der Ausfall weh. Denn Michael ist der Führungsspieler im Team, der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld.
2. Aber Michael Ballack hat auch den Ruf des ewigen Zweiten. Ist er wirklich ein Siegertyp?
Diese Kritik habe ich nie nachvollziehen können. Michael ist soeben mit dem FC Chelsea in England Meister und Pokalsieger geworden. Dass er in der Vergangenheit auch mal ein Finale verloren hat, tut überhaupt nichts zur Sache. Er hat überragende Fähigkeiten. Und er ist ein Spieler, der in einem entscheidenden Duell eben nicht zum 5:0 oder zum 7:1 trifft, sondern zum Ausgleich oder zum 2:1-Siegtreffer.
3. Wie sehr wird Ballacks Verletzung die Stimmung im Team trüben?
Nach dem Schock über den Ausfall hoffe ich auf eine Jetzt-erst-recht-Stimmung. Wir dürfen nicht klagen, sondern müssen darauf setzen, dass die deutsche Mannschaft auch ohne Ballack ganz weit kommen wird. Die jungen Spieler werden jetzt stärker in die Verantwortung gezogen, das kann sie auch beflügeln. Ich habe das bei der Europameisterschaft 1996 als Trainer erlebt. Wir hatten unglaubliches Verletzungspech, vor dem Endspiel standen nur noch 13 gesunde Spieler zur Verfügung. Aber gerade dieses Pech hat die Mannschaft zusammengeschweißt. Und am Ende sind wir Europameister geworden.
4. Wer kann jetzt die Aufgaben von Ballack bei der WM übernehmen?
Den Plan von Joachim Löw, auf Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira zu setzen, finde ich völlig richtig. Bastian hat sich überragend entwickelt, ist sogar noch etwas schneller als Michael Ballack. Schweinsteiger kann eine der großen Figuren dieser WM werden. Khedira ist noch unerfahren, aber defensiv sehr stark.
5. Michael Ballack wird im September 34 Jahre alt. Wie sehen Sie seine Zukunft?
Zunächst mal tut mir es für Michael Ballack sehr leid, dass er durch diese Verletzung die WM jetzt verpassen wird. Aber er war immer ein Kämpfer. Ich bin sicher, dass er zurückkommen wird - ob bei Chelsea oder bei einem anderen Klub, wird man sehen. Offen ist, ob er noch einmal für die Nationalmannschaft spielen wird. Bei der WM werden sich junge Profis in den Vordergrund spielen. Da wird es für den Michael nicht einfach, wieder den Sprung zurück zu schaffen.