Die Unternehmerin und Mutter erklärt, warum "Lernen durch die Hintertür" die beste Freizeitbeschäftigung ist.
Hamburger Abendblatt:
Wie sieht das Freizeitverhalten von Kindern aus?
Martina Benthien:
Freizeit ist bei den Kindern heute oftmals nicht einfach nur "freie" Zeit. Die Terminkalender der Kleinen sind oft voll. Montag Kinderturnen, Dienstag Kreatives Malen, Mittwoch Englisch-Spielkreis, Donnerstag Kindertanz und Freitag Schwimmunterricht. Einfach nur abhängen, sich Spiele ausdenken oder sich spontan mit Freunden treffen hat in den meisten Wochenplänen kaum noch Platz. Das ist schade, denn so ein "Leerlauf" ist wichtig für die kindliche Entwicklung und baut Stress vor.
Also ist Freizeit für die Kleinen schon genauso wichtig wie für Erwachsene?
Ich denke schon. Ich höre immer wieder, dass Kinder feste Termine leid sind. Sie empfinden es als Korsett, "verplant" zu werden, um auf ein Leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft mit Klavierstunden, Taekwondo und natürlich Hausaufgaben vorbereitet zu werden. Zuhören hilft. Die Kinder mal fragen: Was möchtest du gerne in deiner Freizeit machen?
Erleben Kinder heute mehr als früher?
Ja. Zum einen ist das Angebot vielfältiger. Das geht schon mit zehn verschiedenen Kursen für Babys los, und zum anderen hat die Geschwindigkeit der kindlichen Entwicklung zugenommen. Heute gehen die Dreijährigen in den bilingualen Kindergarten. Im Grundschulalter surfen sie auf Kinderwebsites im Netz und tauschen Ideen in Foren aus. Sie wachsen schon in einer erlebnisorientierten Umgebung auf.
Wie wird Freizeit am klügsten gestaltet?
Kinder sind gerne selbst Akteure. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um das Spaßhaben. Selbstwertgefühl aufbauen und Bestätigung aus der Gruppe. Sie sind gern stolz auf eine Sache, die sie geschafft haben und vorher noch nicht konnten: z .B. eine Choreografie einstudieren und vor Publikum aufführen. Weniger angesagt ist das Lernen unter Zwang. Besser ist spielerisches Lernen, das unbemerkte Lernen durch die "Hintertür". Ein Experiment alleine durchführen oder aus Ton etwas formen. Ganz wichtig: Freizeit mit schönen Erinnerungen gemeinsam erleben. Das Kind wird sich noch im Erwachsenenalter daran erinnern.
Früher haben wir auf Geburtstagsfeiern Topfschlagen gespielt und Negerkusstorte verdrückt. Reicht das heute noch?
Klar, bis zu einem gewissen Alter schon. Doch irgendwann ist das "Baby-Kram", die Ansprüche steigen, und Topfschlagen ist von gestern. Einen Zwölfjährigen wird man damit nicht mehr begeistern. Außerdem darf es keine Wiederholung zum Vorjahr sein und bei den jungen Teenagern ist wichtig, dass sie eher "coole Partys" angelehnt an die Erwachsenenwelt machen.
Wie viel Event kann ein Kind vertragen?
Man darf Kinder nicht überfordern. Auch ein durchgestylter Event kann in die Hose gehen, etwa wenn die Gäste keine Lust auf Klettern oder Segeln haben. Wichtig ist eine schöne Erinnerung, der Aha-Effekt - eben ein Erlebnis. Diese Nachhaltigkeit kann es im Fast-Food-Restaurant mit Clown nicht geben.
Räuber und Gendarm, Murmeln oder Abenteuerspielplatz - gute Unterhaltung muss doch nichts kosten?
Ja, das stimmt. Aber das funktioniert nur für eine gewisse Zeit. So wie die Kinder sich entwickeln, möchten sie auch andere Dinge ausprobieren. Als Erwachsener kann man sich auch zu Hause einen Film downloaden oder man geht mit seinem Liebsten schick essen und danach ins Kino. Für diese bessere Art der Unterhaltung geben viele Eltern heute auch mehr Geld aus.