Hamburg. Der Mediziner Albrecht Römhild spricht über seine Covid-19-Infektion, Schulschließungen und eine neue Solidarität.

Albrecht Römhild ist seit Jahrzehnten Kinderarzt in Ottensen. Als einer der Ersten steckte er sich mit Covid-19 an – und ist inzwischen wieder gesund und in seine Praxis zurückgekehrt.

Hamburger Abendblatt: Sie haben als einer der ersten Ärzte der Stadt Covid-19 überstanden. Wie hart hat es Sie getroffen?

Albrecht Römhild: Ich hatte großes Glück. Meine Symptome der Erkrankung waren sehr mild, Husten, Halskratzen, kein Fieber, etwas Kopfschmerzen und müde und schlapp für drei bis vier Tage, appetitlos, und danach kamen die Geschmacksveränderungen. Meine Frau hatte es deutlich heftiger getroffen. Drei Tage Fieber, Gliederschmerzen, hohes Krankheitsgefühl, Husten und danach auch die Geschmacksveränderungen.

Spüren Sie heute noch irgendetwas von der Infektion?

Römhild: Von der Infektion spüre ich nichts mehr. Ich spüre, dass ich mich zwei Wochen lang nur wenig bewegen konnte. Ich durfte, bedingt durch die Isolation, die eigenen vier Wände nicht verlassen, nicht spazieren gehen, kein Fahrrad fahren.

Ist die Krankheit für viele am Ende vielleicht schlimmer, weil sich mit ihr die Bilder aus Bergamo und Madrid verbinden?

Römhild: Das glaube ich nicht. Es gibt einfach deutlich schlimmere Verläufe, als ich es erlebt habe. Meine Frau neigt nicht zur Krankheitsübertreibung und war schwer krank. Die Bilder aus Italien waren vor zweieinhalb Wochen, als wir in die Isolation gegangen sind, schlimm – aber noch nicht so schlimm. Und mein Schwiegervater, fast 90 Jahre alt, musste beatmet werden. Er hat im Vorfeld nur wenig von der Erkrankung gehört. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Symptome der Erkrankung übertrieben werden. Dies bestätigen auch Eltern, die sich angesteckt haben. Die Verläufe sind unterschiedlich und können sehr, sehr unangenehm sein.

Müsste das Ziel sein, hierzulande rasch eine Herdenimmunität zu erreichen?

Römhild: Eigentlich ja, aber dann würden wir in Kauf nehmen, vielen Menschen nicht helfen zu können wie in Italien, wie in Spanien, wie in den USA. Ich glaube, es ist völlig richtig zu versuchen, den Anstieg der Erkrankungsfälle so niedrig wie möglich zu halten, wohl wissend, dass dadurch die Länge der Erkrankung nach hinten verschoben wird, auch mit den ganzen wirtschaftlichen Nebeneffekten. Aber letztendlich werden wir dadurch eventuell weniger Verstorbene haben. Zumindest ist das die Hoffnung.

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Derzeit gibt es keine Erfassung der Geheilten. Werden Sie dann als Kontaktperson von Covid-19-Patienten immer wieder vom Gesundheitsamt angeschrieben?

Römhild: Nein, ich werde nicht angeschrieben. Ich bin vom Gesundheitsamt angeschrieben worden, dass ich die häusliche Isolation aufheben darf. Ich denke, dass die Geheilten erfasst sind, denn der positive Rachenabstrich wurde dem Gesundheitsamt gemeldet, und das Amt hat reagiert und die „häusliche Absonderung“ ausgesprochen.

Wären Sie dafür, die Schulen bald wieder zu öffnen?

Römhild: Dies hängt ganz eindeutig von dem weiteren Verlauf der Pandemie ab. Ich bin dafür, die Schulen so schnell wieder zu eröffnen, wie es für die Restbevölkerung vertretbar ist. Solange die Gefahr besteht, dass wir viele Erkrankte nicht medizinisch betreuen können, sollten wir das reduzierte soziale Leben beibehalten.

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Ziehen Sie weitere Lehren aus der Coronakrise?

Römhild: Ich habe aus dieser Krise gelernt, dass es viele Menschen gibt, die solidarisch zusammenrücken, Familie, Kollegen, Kolleginnen, Nachbarn, Mitarbeiterinnen. Ich habe aber auch gelernt, dass es Menschen gibt, die egoistisch und unsozial sind, etwa in Krankenhäusern dringend benötigte Schutzkleidung stehlen. Nun bin ich sehr froh, dass ich mich so früh angesteckt habe und als immun gelte. Es macht ein sehr befreiendes Gefühl auch meinen Angestellten und meinen Patientenfamilien gegenüber. Mich hat unheimlich gefreut, dass mir ganz viele Familien E-Mails geschickt haben und meiner Familie und mir alles Gute gewünscht haben. Dies hat die häusliche Isolation mit erträglich gemacht. Meine Gedanken sind aber auch bei denen, die um ihre Existenz kämpfen müssen. Musiker, Künstler, Kneipenbesitzer, Restaurants, Hotels, viele Dienstleister, die Obdachlosen, die kaum noch etwas bekommen, die Familien mit schwierigen Familienverhältnissen, Kindern, die nun keine warme Mahlzeit mehr bekommen.

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