Othmarschen . Das Vorwerk-Anwesen an der Elbchaussee steht zum Verkauf. Das Abendblatt durfte das historische Gebäude vorab besichtigen.
lm Jahr 1899 rumpelten die Baumaschinen an der Elbchaussee 151 (damals: Flottbeker Chaussee). Der Hamburger Unternehmer Oscar Vorwerk ließ sich durch den Architekten Ernst Paul Dorn auf der „richtigen“, nämlich der Wasserseite, ein riesiges Landhaus erbauen, das 1900 fertig war. Man sparte an nichts: Die ohnehin schon prachtvolle Fassade wurde mit Klinker aus England verkleidet, die riesigen Räume mit Eichenholz vertäfelt. Und hinter der wilhelminischen Villa erschließt sich ein Garten bis zur Elbe, in dem Gärtner exotische Pflanzen aus der ganzen Welt setzten.
Wohnzimmer mit vier Metern Deckenhöhe
116 Jahre später geht Stephan P. durch die weitläufigen Räume, erläutert aufgeschlossen jedes Detail. Der heutige Besitzer der Villa verweist auf Stuck und schmiedeeiserne Fenstergitter, beschreibt das Jugendstil-Bad, die antiken Türgriffe und den verzierten Kamin. Bei der riesigen Küche im Keller ist noch jede einzelne Kachel erhalten, die Fliesen des Wintergartens: ein Traum. Dazu der enorme Platz, der Planungen kaum Grenzen setzt. Alleine das alarmgesicherte Erdgeschoss hat mehrere Wohnzimmer mit vier Meter hohen Räumen.
Der Rundgang ist eine Zeitreise, bei der Tradition und Gegenwart harmonisch aufeinandertreffen. Denn zum einen scheint die Zeit im „Landhaus Oscar Vorwerk“ zwar stehen geblieben zu sein, zum anderen hat der Besitzer aber nie gespart, um es laufend instandsetzen zu lassen.
P., dessen Namen mancher im Hamburger Westen kennt, der ihn aber „nicht unbedingt“ in der Zeitung sehen möchte, ist erst der dritte Besitzer des Anwesens und in dem Haus aufgewachsen. Obwohl er sich der Villa eng verbunden fühlt, hat er sich jetzt zum Verkauf entschlossen. Der 61-Jährige will in Italien noch einmal neu anfangen „die Taste auf Reset“ drücken, wie er sagt. Der Verkauf wird ihm ermöglichen, seine Zukunft sorgenfrei zu gestalten – wo auch immer auf der Welt.
Hühnerzucht im Garten
5,95 Millionen Euro soll das Anwesen kosten, das über den Immobilienmakler Engel & Völkers angeboten wird. Wer es erwirbt, kann sich nicht nur im riesigen Garten austoben, sondern auch auf ein Eigenheim mit ebenso interessanter wie kurioser Geschichte verweisen.
Der 1865 geborene Oscar Vorwerk war mit der von seinem Großvater und dessen Kompagnon 1823 gegründeten Im- und Exportfirma steinreich geworden. Das Unternehmen hieß zunächst Hochgreve & Vorwerk, später Vorwerk Gebr. & Co. Die Vorwerks betrieben neben dem eigentlichen Handel auch die Finanzierung von Transaktionen und unterhielten eine kleine Reederei. Seit 1847 gab es auch eine Niederlassung in Valparaiso.
Wenig bekannt ist, was die Historikerin Renate Hauschild-Thiessen über Oscar Vorwerk ermittelt hat: Der Unternehmer pflegte als aufwendiges Hobby an der Elbchaussee eine eigene Hühnerzucht – es dürfte die einzige in der feudalen Gegend gewesen sein. 1912 wurde nach vielen Versuchen das „Vorwerkhuhn“ der Öffentlichkeit präsentiert, eine äußerst produktive Legehenne, die zudem viel Fleisch bot. Erstaunlich: Noch heute gibt es Züchter von Vorwerk-Hühnern in ganz Deutschland, ein „Erhaltungszuchtring Vorwerkhuhn“, 1999 im schleswig-holsteinischen Haustierpark Warder gegründet, sorgt für ihre Verbreitung.
Atemberaubender Elbblick
1933 starb Oscar Vorwerk überraschend an einem Herzinfarkt, tragischerweise nur wenige Monate vor seinem Vetter Walter, mit dem er gemeinsam die Firma geführt hatte. Diesen doppelten Verlust konnte das Unternehmen nicht verkraften, sodass Vorwerk Gebr. & Co nach 110-jährigem Bestehen liquidiert werden musste. Die Erben ließen das weitläufige Haus in mehrere Wohnungen unterteilen. 1936 mietete der Reeder Robert Bornhofen (1880 bis 1973) das Hochparterre, bevor er ein Jahr später das ganze Haus kaufte. Bornhofens Witwe Luise starb erst 1998 mit 105 Jahren, sein Enkel Stephan P. ist der heutige Besitzer.
Zum Abschluss des Rundgangs bittet Herr P. noch aufs Dach, das man durch eine Luke betreten kann. Der atemberaubende Blick entspricht in etwa dem aus der Strandperle – nur eben von ganz oben.