Hamburg. Die S-Bahn Hamburg feiert eine magische Marke bei der CO2-Einsparung. Treue Fahrgäste stoßen sich allerdings an den Begleitumständen.

2010 stieg die S-Bahn Hamburg als erstes deutsches Eisenbahnunternehmen komplett auf Ökostrom um. 13 Jahre später freuen sich Geschäftsführer Kay Arnecke und Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) über einen ganz besonderen Wert: In dieser Woche knackte die S-Bahn durch die Umstellung auf erneuerbare Energien die Einsparungsmarke von einer Million Tonnen CO2. Entspricht einem jährlichen Ausstoß von 95.000 Autos oder dem Gewicht von fünf Elbphilharmonien.

Ein Meilenstein in Sachen Klimaschutz, der gebührend gefeiert wurde. Am Donnerstag ging im Bahnhof Altona in diesem Rahmen ein neuer „CO2-Spar-Zähler“ auf Sendung – manch einer dürfte sich bereits an die langjährige Bundesligauhr des HSV im Volksparkstadion erinnert fühlen –, und Fahrgäste der Linie S1 wurden in einem einmaligen „Klimazug“ mit nachhaltigen Speisen und Getränken beglückt.

S-Bahn Hamburg: Ärger über Blankenese-Kampagne

Also allenthalben Jubel, Trubel, Heiterkeit? Nicht ganz, denn es gibt treue S-Bahn-Kunden, die zumindest mit einer den Durchbruch der CO2-Schallmauer begleitenden Kampagne ganz und gar nicht einverstanden sind. Vor allem ein Spruch aus der entsprechenden Plakatserie ist einigen sauer aufgestoßen. „Sorry, Blankenese: Millionär sein kann jetzt jeder“, leuchtet Passagieren etwa von den Bahnsteigen im Hamburger Westen entgegen. Eine bewusste Provokation mit dem Klischee der bestens situierten Elbvorortler?

„Völlig blöde“ findet das Dr. Thomas Fenner. Der Arzt, der mit der S-Bahn regelmäßig zwischen seinem Wohnort in Blankenese und seiner Praxis in der Innenstadt pendelt, fühlt sich von dem Slogan jedenfalls alles andere als angesprochen. „Ich finde das Thema sehr ernst“, sagt Fenner im Gespräch mit dem Abendblatt zum Ziel, mehr Menschen zum umweltfreundlichen Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen.

„Blankeneser Millionäre“: Das sagt die S-Bahn Hamburg

Dieses Ansinnen hätte die S-Bahn aus seiner Sicht allerdings besser verpacken können. „Und sie hätte mehr darauf achten sollen, wo sie das Plakat anbringt“, sagt Fenner. Eben nicht nur im Umfeld von Bahnstationen.

So treffe es die Falschen – nämlich ebenjene, die als ÖPNV-Nutzer ohnehin schon zu mehr Klimaschutz beitrügen. „Damit locken sie keinen S-Bahn-Fahrer hinter dem Ofen vor.“ Die Stigmatisierung der Blankeneser als Millionäre tue ihr Übriges.

Bei der S-Bahn stößt eine derartige Interpretation der von der Agentur Serviceplan für eine Summe im unteren fünfstelligen Bereich entworfenen Werbesprüche eher auf Verwunderung. Es sei keineswegs als eine Diffamierung von Millionären zu verstehen, heißt es auf Anfrage.

Ganz im Gegenteil: Mit den hamburgweit rund 100 Plakaten, die nicht nur im Umfeld von Bahnstationen verteilt wurden, habe sich das Unternehmen ausdrücklich bei seinen Kundinnen und Kunden bedanken wollen.

Auch interessant

Auch interessant

„Für uns ist nachhaltiges Handeln sehr wichtig und Teil unserer DNA“, sagt ein Bahnsprecher. „Mit der Kampagne wollen wir Aufmerksamkeit darauf lenken, dass unsere Fahrgäste einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, und dafür werben, dass noch mehr Menschen das Auto stehen lassen und mit der S-Bahn fahren.“ Und S-Bahn-Chef Arnecke ließ am Donnerstag verlauten: „Heute machen wir unsere Fahrgäste zu Klima-Millionärinnen und Klima-Millionären.“

Fahrgast findet versöhnliche Worte für die S-Bahn

Zwar sei auch ihm bewusst, dass Werbung „aufreizen“ müsse, sagt Thomas Fenner. Doch in diesem Fall sei die Kampagne nach hinten losgegangen, urteilt er stellvertretend für weitere S-Bahn-Fahrer aus seinem Umfeld, die dies ähnlich empfänden. „Die einzige vernünftige Aussage auf dem Plakat steht unten“, sagt Fenner. Im eher Kleingedruckten heißt es dort: „S-Bahn fahren ist der neue Reichtum: Eine Million Tonnen eingespartes CO2 macht unsere Fahrgäste zu Klima-Millionären.“

Grundsätzlich findet der Laborarzt, der sein Team als „ÖPNV-Nutzer aus voller Überzeugung“ längst mit HVV-Tickets ausgestattet hat, aber auch lobende Worte für die S-Bahn. „Hamburg hat ein Supernetz, man kommt überall gut hin.“

Und so wird Dr. Thomas Fenner wohl trotz des Ärgers über die Blankenese-Kampagne wohl auch zur nächsten Klima-Million der Hamburger S-Bahn beitragen.

Der CO2-Spar-Zähler der S-Bahn Hamburg ist unter steigeinbeimklimaschutz.de auch im Internet einzusehen.