Hamburg. Rund 1200 Menschen demonstrieren gegen Inhaftierung einer Linksaktivistin. Polizei mit Großaufgebot und Wasserwerfern im Einsatz.

Nach dem Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. am Oberlandesgericht in Dresden ist es am Mittwochabend während einer Demonstration im Schanzenviertel vereinzelt zu Ausschreitungen und Randale gekommen. Protestierende zogen mit Transparenten, auf denen unter anderem „Free Lina“ und „Kampf ihrer Klassenjustiz – Getroffen hat es einzelne, gemeint sind wir alle“ zu lesen war, durch die Straßen. Die Teilnehmerzahl stieg schnell an, die Polizei spricht am Donnerstagmorgen von etwa 1200 Personen.

Schon während des Aufzugs wurde Pyrotechnik gezündet. Demonstrierende sollen Flaschen auf Polizisten geworfen haben. Am Donnerstagmorgen sprach die Polizei zunächst von einer insgesamt „ruhigen Lage“ – was sich in einer späteren Bilanz allerdings relativierte: Am Ende standen fünf Festnahmen, zwei Ingewahrsamnahmen und drei verletzte Polizisten. Einer von ihnen musste im Krankenhaus behandelt werden. „Es wurden elf Strafanzeigen gestellt’“, sagte Polizeisprecher Joscha Ahlers dem Abendblatt.

Demo im Schanzenviertel: Polizei mit Großaufgebot im Einsatz

Der Demonstrationszug führte zunächst vom Schulterblatt, wo sich die Protestierenden vor der Roten Flora gesammelt hatten, über den Neuen Pferdemarkt ins Karoviertel. Gegen 21.20 Uhr wurde die Demo aufgelöst. Die Randale habe erst nach Anbruch der Dunkelheit begonnen, so Ahlers.. Die Hamburger Polizei war mit Unterstützung von Beamten aus Schleswig-Holstein mit einem Großaufgebot und Wasserwerfern im Schanzenviertel im Einsatz.

In Hamburg lieferten sich Linksextremisten am Mittwoch wegen des Falls Lina E.  handfeste Auseinandersetzungen mit der Polizei.
In Hamburg lieferten sich Linksextremisten am Mittwoch wegen des Falls Lina E. handfeste Auseinandersetzungen mit der Polizei. © imago/xim.gs | imago/xim.gs

Die 28 Jahre alte Lina E. war vor dem Dresdener Oberlandesgericht unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Zwei mitangeklagte Männer erhielten zudem Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten.

Überraschung nach Urteil: Lina E. kommt vorerst frei

Trotzdem kommt Lina E. nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei: Der Haftbefehl wurde noch am Abend unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die junge Frau kann das Gefängnis vorerst verlassen, bis das Urteil rechtskräftig ist.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verurteilte die Ausschreitungen derweil scharf. „Uns Polizisten war klar, dass wir in den Fokus der geplanten Racheaktionen der Linksextremisten geraten. Die brutalen Angriffe mit Flaschen und Pyrotechnik auf uns Polizisten erschüttern mich dennoch“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke am Donnerstagmorgen in Potsdam.

Polizei-Gewerkschaft: Linke Szene verübt Rache

Die Reaktionen auf das Urteil seien in höchstem Maße besorgniserregend. „Die linksextremistische Szene spricht von Rache und Vergeltung. Mit der Nennung eines Tag X baut sie bewusst eine Drohkulisse auf und schüchtert ein. „Aus Worten werden Straftaten. Die Hemmschwelle zur Gewalt gegenüber Vertretern des Rechtsstaates hat ein neues Tief erreicht“, sagte Kopelke zu den Geschehnissen in der Nacht.

Auch am Schulterblatt stieß die Polizei auf linke Demonstranten.
Auch am Schulterblatt stieß die Polizei auf linke Demonstranten. © xim.gs | Imago

Linksextremisten würden sich im Zuge des Falls Lina E. nun auf noch mehr Gewalt vorbereiten, prognositzierte der GdP-Chef: „Wir Polizisten müssen deren Versammlungen schützen. Diese Arbeitsrealität ist bitter.“ Die Gewerkschaft fordere daher in allen Bundesländern sowie im Bund Sonderstaatsanwaltschaften, Auskunftssperren für Polizeibeschäftigte und deren Angehörige sowie ein einheitliches, strenges Bundesversammlungsgesetz.

Polizei Hamburg ist am Wochenende in Leipzig mit Hundertschaften im Einsatz

Auch in Bremen war es am Mittwochabend zu Ausschreitungen gekommen. Rund 300 meist vermummte Personen hätten sich am Steintor versammelt und seien dann „relativ schnell und unvermittelt“ auf Einsatzkräfte losgegangen, sagte eine Sprecherin der Polizei. Es seien Glasflaschen und Steine auf Polizisten geworfen worden, auch Pyrotechnik sei gezündet worden. Ebenso kam es in Berlin und Dresden zu Solidaritätsdemos.

Am Wochenende wird die Hamburger Polizei wegen des Prozesses ebenfalls im Einsatz sein. Dann allerdings in Leipzig, dem Wohnort der Hauptangeklagten.

Die Szene hat am Tag X zu einer Großdemonstration aufgerufen, die dort stattfinden soll. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden wollen auch Linksextremisten aus Hamburg dort hinfahren. Die Polizei wird dort mit einem Großaufgebot im Einsatz sein, darunter mehrere Hamburger Hundertschaften.