Hamburg. Hamburg hat 397 Wohnungen zum Schutz der Mieter angekauft – vor allem in Sozialen Erhaltungsgebieten. Bis Gericht das stoppte.
Von 2018 bis 2021 hat die Stadt in insgesamt 35 Fällen ihr Vorkaufsrecht genutzt, um vor allem Wohnraum in sogenannten Sozialen Erhaltungsgebieten vor Spekulation oder Luxussanierung zu schützen. Dabei wurden 397 Wohnungen angekauft, die nun dem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) gehören und von der städtischen Wohnungsgesellschaft Saga verwaltet werden. Zudem sind 35 Gewerbebetriebe in den Immobilien ansässig.
In weiteren 40 Fällen wurden „Abwendungsvereinbarungen“ für knapp 650 Wohnungen und acht Gewerbebetriebe geschlossen: In diesen Fällen verpflichten sich die Eigentümer gegenüber der Stadt dazu, gewisse Regeln, etwa hinsichtlich möglicher Umbauten, Sanierungen und Mietsteigerungen, einzuhalten – dadurch können sie die Nutzung des Vorkaufsrechts abwenden.
Wohnraum in Hamburg: Mieterschutz – vor allem in Altona
Diese Daten gehen aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bürgerschaftsfraktion hervor. „Tausende von Mieter*innen konnten durch das Vorkaufsrecht vor Verdrängung aus ihren Wohnungen geschützt werden“, schreibt Olaf Duge, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen. Er verweist darauf, dass allein auf den Bezirk Altona 30 von 35 Vorkaufsrecht-Verfahren entfielen. Auch bei den Abwendungsvereinbarungen liegt Altona mit 24 von 40 Fällen einsam an der Spitze.
„Gerade am Beispiel Altonas – dem Bezirk mit den meisten Sozialen Erhaltungsgebieten, einer schlagkräftigen Verwaltung und langjähriger Erfahrung – kann man deutlich sehen, wie ein wirksamer Schutz der Mieter*innen funktioniert“, so Duge über das von seiner Parteifreundin Stefanie von Berg geführte Bezirksamt. Er sehe vor Ort deutlich, dass die betreffenden Immobilien oft sofort instandgesetzt und renoviert werden: „Die Saga macht diesbezüglich einen guten Job, die Explosion der Mieten konnte gestoppt werden.“ Weitere drei Vorkaufsrechte für 59 Wohnungen wurden im Bezirk Hamburg-Mitte ausgeübt, zwei für 42 Wohnungen in Eimsbüttel.
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Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht der Nutzung des Vorkaufsrechts Ende 2021 einen Riegel vorgeschoben. Kommunen könnten nicht Immobilien mit der Begründung ankaufen, dass sie in Zukunft „von erhaltungswidrigen Nutzungsabsichten“ ausgehen, entscheidend sei immer die Nutzung zum Zeitpunkt des Verkaufs, so das Gericht. Seitdem wird über eine gesetzliche Neuregelung beraten. „Die Ampel-Regierung im Bund steht nun in der Bringschuld“, sagt Duge. „Es ist allerhöchste Zeit, dass die FDP die Blockade zur Einführung einer gerichtsfesten Vorkaufsrechtslösung beendet.“ Laut Senat hat der Bundesrat bereits im April auf Initiative Hamburgs die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Das Thema Vorkaufsrecht spielt auch bei einem ebenso prominenten wie problematischen Großprojekt eine wichtige Rolle, bezeichnenderweise in Altona: im Holstenquartier. Wie berichtet, hatte der Holsten-Mutterkonzern Carlsberg das Areal 2016 an einen Investor verkauft – mit dem Segen der Stadt. Ein Vorkaufsrecht hatte Hamburg damals zwar nicht, aber der Senat hätte sich eines einräumen lassen können für den Fall, dass das Gelände weiterverkauft wird. Darauf hatte er jedoch verzichtet, um die Brauerei in Hamburg zu halten. Tatsächlich wurde das Filetgrundstück so zum Spekulationsobjekt, wechselte mehrfach den Besitzer, ohne dass eine der geplanten 1200 Wohnungen entstand. Mittlerweile hat die Stadt ein Vorkaufsrecht und bemüht sich, das Projekt von dem umstrittenen Investor Adler Group zu übernehmen.