Hamburg. In kürzester Zeit kamen beim GTHGC genügend Hilfsgüter für einen Konvoi zusammen: “Es ist wirklich überwältigend.“
Es fing mit einem kleinen Aufruf auf dem Nachbarschaftsportal nebenan.de an. Hier in Flottbek wird man doch bestimmt Hilfe bekommen, dachte sich Dirk Wullkopf. Mit dieser enormen Hilfsbereitschaft hätte er jedoch nie gerechnet: Nur 24 Stunden nach seinem Online-Aufruf von Sonntagabend stapelten sich Schlafsäcke, Decken, Handschuhe, Drogerieartikel und Getränkeflaschen in den Räumen des Großflottbeker Tennis-, Hockey- und Golfclubs (GTHGC), in dem Dirk Wullkopf Mitglied ist, zudem kamen mehr als 55.000 Euro an Spenden zusammen. Noch in der Nacht zum Dienstag startete ein Hilfskonvoi aus vier vollbepackten Transportern in Richtung Polen und war bereits am Dienstagnachmittag auf dem Rückweg nach Hamburg – mit sieben ukrainischen Flüchtlingen an Bord.
„Wir haben rund 30 Schlafplätze, die Menschen aus der Nachbarschaft für Flüchtlinge bereitstellen würden“, sagt Wullkopf. Auch Ärzte und Clubmitglieder, die dolmetschen können, haben ihre Hilfe angeboten. „Zwei Minuten nach meinem Aufruf gingen die ersten 50 Euro an Spenden ein, und dann ging es im Minutentakt weiter“, sagt der 48-Jährige. In den Drogeriemärkten in der Umgebung seien passende Hygieneartikel am Montag komplett ausverkauft gewesen. „Wir wurden überrannt, es ist wirklich überwältigend.“
Krieg gegen die Ukraine: Weitere Hilfsgüter liegen schon bereit
Eigentlich war der Plan, nur mit dem clubeigenen Transporter aufzubrechen. Doch aufgrund der großen Menge an Hilfsgütern mussten Wullkopf und Mitinitiator Andries de Groen aufstocken. Die Internationale Schule, der Smiley’s-Pizzadienst in Eppendorf und der Betriebskindergarten der Helm AG stellten weitere Fahrzeuge zur Verfügung. Bis spät am Montagabend wurde gepackt, gegen Mitternacht startete der Konvoi mit acht Fahrern – Spieler und Ehrenamtliche aus dem Verein – und zwei Polnisch sprechenden Hockeyspielerinnen, die sich spontan dazu bereit erklärt hatten.
Ihr Ziel war die Stadt Rzeszow im südöstlichen Polen, nahe der ukrainischen Grenze. Nachdem die Hilfsgüter am Dienstagmittag beim Amt für Familien abgegeben wurde, warteten die freiwilligen Helfer am Bahnhof der Stadt auf Flüchtlinge, die mit nach Hamburg kommen wollten. „Die Ankunft und Weiterleitung der Flüchtlinge war in Polen perfekt organisiert“, sagt Andries de Groen. „Wir freuen uns, dass wir den Geflüchteten helfen konnten.“
Hilfsgüter: Noch eine komplette Lkw-Ladung liegt beim GTHGC
In Hamburg werden sich die Flüchtlinge zunächst im Zentralen Ankunftszentrum in Rahlstedt melden, damit ein Kontakt zu den Behörden besteht. Danach ist es ihnen freigestellt, ob sie dort bleiben oder das Angebot einer privaten Unterkunft annehmen.
Die spontane Aktion war ein Erfolg, dennoch empfiehlt die Innenbehörde, sich nur nach Rücksprache mit Akteuren oder Hilfsorganisationen vor Ort auf den Weg zu machen und zuvor zu klären, welcher Bedarf besteht. „Von Hilfsorganisationen hören wir, dass gut gemeinte, aber nicht abgestimmte Lieferungen die humanitäre Arbeit vor Ort behindern können“, sagt Sprecher Daniel Schaefer. Menschen, die aus der Ukraine fliehen, könnten kostenlos die Angebote der Deutschen Bahn sowie auch den Nahverkehr in Deutschland nutzen. Viele Menschen seien zudem mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs.
Während sich der Konvoi auf dem Rückweg befand, koordinierte Immobilienmakler Wullkopf die weitere Hilfe – in den Clubräumen des GTHGC liegt noch eine komplette Lkw-Ladung an Hilfsgütern, und es kommen laufend weitere Spenden hinzu.
Ukrainekrieg: Vor allem Decken, Schlafsäcke und Hygieneartikel benötigt
So geht es auch in den mittlerweile sechs Sammelstellen des Norddeutsch-ukrainischen Hilfsstabs (alle Adressen siehe Text rechts). „Die Hilfsbereitschaft ist enorm“, sagt Sprecher Alexander Blümel. „Unsere Lager sind aber noch nicht voll, und wir sind dringend auf weitere Spenden angewiesen. Um Helme, Schutzwesten, aber auch Drohnen in die Ukraine liefern zu können, benötige man vor allem Geldspenden. Aber auch medizinisches Material wie Handschuhe, Desinfektionsmittel und Verbände sowie neu verpackte Kleidung werden laut Blümel gebraucht.
Von Kleiderspenden bittet die Organisation Hanseatic Help dagegen abzusehen, das Lager sei mehr als gut gefüllt. Benötigt werden Decken, Schlafsäcke und Hygieneartikel – und vor allem helfende Hände beim Sortieren und Verpacken. „Wir bieten extra Zeiten an, zu denen wir neue Helfer am besten einarbeiten können“, sagt Sprecher Michael Wopperer. Derzeit gebe es viele Hilfsanfragen, darum werde der aktuelle Stand, was benötigt werde und wie man unterstützen könne, permanent auf der Internetseite aktualisiert. „Es ist aller Ehren wert, wenn Menschen privat Spenden sammeln“, sagt Wopperer. „Wir bitten aber darum, erst mal an uns heranzutreten, damit wir abstimmen können, was am meisten gebraucht wird.“
Projekt „Landungsbrücken“: „Es haben sich schon über 100 Hamburger gemeldet“
Bislang gehen alle Sachspenden nach Polen und direkt in die Ukraine, denn in Hamburg selbst sind derzeit erst wenige Flüchtlinge in der Zentralen Aufnahmestelle angekommen, Stand Dienstagnachmittag waren es 43. Da Hamburg sich auf weitere Geflüchtete einstellt, könnten auch private Unterkünfte zur Unterbringung benötigt werden. „Wir koordinieren uns dabei mit der Stadt“, sagt Manfred Ossenbeck vom Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI). Mehr als 300 mögliche Unterkunftsplätze von Hamburgern haben er und sein Team bereits registriert, und es kämen fortlaufend neue Angebote hinzu. Wichtig sei zudem die private Begleitung von Familien und Einzelpersonen, damit die Geflüchteten sich hier schneller zurechtfinden und die Strapazen der Flucht überwinden können.
Mit dem von der BürgerStiftung Hamburg initiierten Projekt „Landungsbrücken“ wolle man deshalb Patenschaften vermitteln. Ossenbeck: „Bislang haben sich dafür schon mehr als 100 Hamburger bei uns gemeldet.“