Hamburg. Ein Quartier für Familien – mit wenig Parkplätzen. Vieles von dem, was ein Wohnviertel ausmacht, ist inzwischen vorhanden.

Einige haben sich einen kleinen Mittagssnack aus dem Bistro gegenüber mitgebracht und genießen ihn nun in der Sonne auf einer der Parkbänke. Junge Mütter schlendern gemeinsam durch die Straßen. Kinder flitzen auf ihren Rollern und Fahrrädern vorbei. Dafür, dass die Mitte Altona bis vor Kurzem noch eine ziemlich große Baustelle war, ist es inzwischen ganz schön wohnlich geworden. Aber wer hier lebt, der kennt garantiert auch diese Frage: „Ist das nicht ein bisschen zu eng da?“ Tanja Homann zuckt dann nur mit den Schultern und sagt: „Ja, aber toll ist es trotzdem.“

Rund zweieinhalb Jahre ist es her, dass sich die 31-Jährige bewusst dafür entschieden hat, Teil von etwas Neuem zu werden. „Ich fand es spannend, in eine Nachbarschaft zu ziehen, die sich erst noch finden und zusammenwachsen muss“, sagt sie. Und so kaufte sie – damals noch alleinstehend – eine 2,5-Zimmer-Wohnung in der Eva-Rühmkorf-Straße. Schon damals hatte sie den Wunsch, dass sie dort irgendwann mit ihrer eigenen Familie leben würde.

Aktive Nachbarschaft

Tanja Homann fand schnell Anschluss. Die Nachbarschaft ist aktiv, tauscht sich über WhatsApp-Nachrichten aus, trifft sich zum Kaffee und Plauschen im Innenhof. Und auch die Sache mit dem Parken störte Tanja Homann am Anfang nicht weiter: Öffentliche kostenlose Parkplätze gibt es nämlich so gut wie gar nicht in dem Quartier, das als „autoreduziert“ angelegt wurde. Was es gibt, sind ein paar kostenpflichtige Parkplätze mit einer Höchstparkdauer von drei Stunden und einen anzumietenden Stellplatz in der Tiefgarage. Oder man gewöhnt sich halt an einen kleinen Fußmarsch.

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    Klar ist: Die Mitte Altona, das ist mehr als ziemlich viele neue Wohnungen. Es ist der Versuch, das Wohnen, den Verkehr und das Miteinander neu zu denken und zu leben. Ein Viertel, in dem wohl nichts ohne Grund so ist, wie es ist. Nicht die barrierefreien Kantsteine, die sowohl blinden- und rollstuhlgerecht sind, nicht die Zahl der Baugemeinschaften und wohl auch nicht die der Fahrradbügel.

    Klassisches Vorurteil

    Und das sieht man eben auch ein bisschen. Viele finden jedenfalls, dass das Lässige fehlt. Dass es eher aussieht, als hätte jemand noch mal schnell alles aufgeräumt und ordentlich gestapelt, bevor der Besuch kommt.

    Auch Mathias Eichler vom Quartiersbüro kennt diese Vergleiche und auch das klassische Vorurteil, dass es hier doch etwas eng sei. Aber insbesondere Letzteres kann er locker wegzwinkern. „Im Generalsviertel in Hoheluft-West zum Beispiel wohnen wohl mehr Menschen auf deutlich weniger Platz, und da würde auch keiner auf die Idee kommen und sagen, dass das stört.“

    Das Quartier ist fast fertig

    Und wichtiger als das Verhältnis von Fläche und Einwohnern sei doch ohnehin etwas anderes: „Wichtig ist, dass das Gesamtkonzept aus lebendiger Nachbarschaft, moderner Mobilität und gleichberechtigter Teilhabe aus unserer Sicht aufgegangen ist und dass hier insbesondere bei freundlichem Wetter wirklich das Leben tobt.“

    Und tatsächlich: Wer länger nicht hier unterwegs war, der wird große Augen machen. Aus der Bagger-, Baugruben- und Baustellen-Landschaft ist ein fast fertiges Quartier geworden. Noch in diesem Jahr soll die Mitte mit rund 1600 Wohnungen für 3200 Einwohner fertiggestellt sein. Und danach ist noch lange nicht Schluss.

    „Die Wohnungen sind weggegangen wie geschnitten Brot“

    Auf der einen Seite steht die Bebauung des Holsten-Areals an, auf der anderen Seite der zweite Bauabschnitt der Mitte Altona, der allerdings erst dann starten soll, wenn die Verlegung des Bahnhofs Altona abgeschlossen ist. Die Mitte als eigene Einheit funktioniert aber schon jetzt. Vieles von dem, was ein Wohnviertel ausmacht, ist inzwischen vorhanden: Super- und Naturkostmarkt, Restaurant, Drogerie, Café, Kitas, Spielplatz, Grünflächen. „Die Wohnungen sind weggegangen wie geschnitten Brot“, sagt Eichler vom Quartiersbüro.

    Vor allen Dingen junge Menschen und Familien mit Kindern finden den Standort interessant und sind auch bereit, die rund 20 Euro pro Quadratmeter zu bezahlen, die die Wohnungen hier inzwischen durchaus kosten können. Oder je nach Wohnungslage zu akzeptieren, dass die Bahngleise vorm Küchenfenster entlanglaufen. Dafür ist man dann aber auch Teil einer Community, die modernen Standards nicht hinterherrennt, sondern sie lieber selber setzen möchte.

    Nur die Sache mit dem Bus läuft nicht richtig rund

    Wenn es anderswo heißt: „Autofrei find ich super – solange es die anderen machen“, setzt die Mitte Altona einfach von Anfang an aufs Fahrrad und Carsharing und stellt für seine Bewohner einen kleinen Fuhrpark aus Lastenrädern und Rikschas zur Verfügung, die bei Bedarf gemietet werden können.

    Nur die Sache mit dem Bus, die läuft nicht richtig rund. Eigentlich sollte die Mitte Altona über die Buslinie 113 eine direkte Verbindung nach Eimsbüttel bekommen. Doch daraus ist bisher nichts geworden. Offenbar aus Pandemie-Gründen prüft der HVV derzeit lediglich die Erweiterung. Vorerst gilt: Mit dem Bus geht’s nur zum Bahnhof Altona und zurück.

    Quartier wird auch nach der Fertigstellung im Wandel bleiben

    Klar ist in jedem Fall: Das Quartier wird auch nach der Fertigstellung im Wandel bleiben. „In der Mitte Altona ist nach wie vor vieles in Bewegung. Der Dialog mit den Bewohnern dauert an“, so Eichler.

    Auch für Tanja Homann ist das ein Pluspunkt. „Es ist spannend, mitzuverfolgen, wie sich hier alles entwickelt“, sagt sie. Allerdings ist das im Fall von Tanja Homann auch die eigene Perspektive. Denn inzwischen lebt sie hier nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit Mann und kleinem Sohn.

    Die Anforderungen haben sich also etwas geändert. „Vieles ist ideal für junge Familien“, sagt sie. „Die Wege sind kurz, alles geht zu Fuß und ich habe schnell andere Mütter kennengelernt, was insbesondere in der Corona-Zeit wirklich wichtig war. Auch einen Kitaplatz um die Ecke zu finden war kein Problem.“

    Parken ist ein Problem

    Doch dann kommt das Aber: „Die Sache mit dem Parken habe ich damals unterschätzt“, sagt sie. Mit Großeinkäufen, Kinderwagen und Säugling im MaxiCosy fühlt sich ein zehnminütiger Weg vom Auto zur Wohnung jedenfalls doch nicht mehr so modern an.

    Und auch die Großeltern und anderer Besuch seien nicht immer so begeistert, wenn sie alle drei Stunden zum Umparken rausmüssen, weil die Höchstparkdauer mal wieder überschritten ist. „Übergangsweise können wir einen Stellplatz im Nebenhaus mieten. Ideal und von Dauer ist das aber auch nicht.“

    Ob das für die junge Familie einmal ein Grund sein könnte, die Mitte Altona wieder zu verlassen? Tanja Homann kann das derzeit nicht absehen. Klar sei aber in jedem Fall: „Ich will nicht sagen, dass das Pkw-Konzept hier schlecht ist, aber man sollte sich auf jeden Fall darüber Gedanken machen, was es konkret bedeutet, wenn man sich entschließt, hier zu wohnen.“

    Nächste Folge: Die Kolbenhöfe