Hamburg. Die Hamburger Touristenattraktion muss über den 30. Juni hinaus pausieren. Marktbeschicker kritisieren die Politik.

Der Altonaer Fischmarkt blickt auf eine Tradition von mehr als 300 Jahren zurück – und steht nun vor einer ungewissen Zukunft. Offiziell ist die Touristenattraktion, die vor Corona jeden Sonntag rund 70.000 Menschen an die Elbe lockte, bis Ende Juni wegen des Coronavirus geschlossen. Aber dabei wird es nicht bleiben. Eine rasche Wiedereröffnung, das verdeutlichte nun die Sitzung des Klima- und Umweltausschusses im Bezirk Altona, ist unwahrscheinlich bis unmöglich.

Erst Ende Juni werden sich die Beteiligten der Fachbehörde, des Schaustellerverbandes und des Verbraucherschutzamtes überhaupt zusammensetzen, um „ergebnisoffen“ an einer Lösung zu arbeiten. Selbst bei einem positiven Ergebnis wären dann zwei weitere Wochen nötig, um den Markt neu zu starten.

Von einer Rückkehr zum traditionsreichen Fischmarkt ist aber in der Behörde keine Rede. „Es geht um einen reduzierten Fischmarkt“, sagt Sabine Nolte, die kommissarische Pressesprecherin des Bezirks. „Wie dieser aussehen wird, kann derzeit keiner sagen.“ Gleich mehrere Herausforderungen gelte es zu managen. „Wir sind an einer Lösung inter­essiert, die das Infektionsgeschehen und die Verordnungen berücksichtigt.“

Infektionsrisiko durch das traditionelle laute Ausrufen der Waren

Genau hier aber sehen viele Probleme: So fürchtet man Angetrunkene, die den Fischmarkt frühmorgens besuchen, ebenso wie ein Infektionsrisiko durch das traditionelle laute Ausrufen der Waren. Marktbeschicker wie Rainer Raeder kritisieren die Politik. „Es ist eine Kata­strophe! Unsere Vorschläge etwa eines halb so großen Marktes mit wöchentlichem Wechsel der Händler werden gar nicht aufgenommen.“ Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) sagte dem Abendblatt: „Auch mir blutet das Herz. Aber wir müssen auf Sicht fahren. Wenn das Infektionsgeschehen Öffnungen zulässt, werden wir mehr wagen.“

Dabei war es Mitte März nur eine kleine Meldung, die im wachsenden Corona-Panikmodus fast unterging. Erstmals seit 1703, so hieß es da, müsse der Fischmarkt in Altona abgesagt werden. Was damals wie eine vorübergehende Selbstverständlichkeit aussah, weitet sich längst zu einem Dauerzustand aus, der die Tradition des Fischmarktes nun in ihren Grundfesten bedroht. Noch ist nicht einmal absehbar, wann und wie ein Neustart erfolgen kann. Und der Eifer und die Bereitschaft der Politik, Stellung zu nehmen, hält sich in Grenzen.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Denn die Gemengelage ist kompliziert – der Altonaer Fischmarkt mit seiner Mischung aus Verlängerung des Kiezbummels, Frühschoppen, Sonntagshappening und Wochenmarkt sprengt alle Kategorien. Während klassische Märkte wegen der Nahversorgung auch in der Corona-Krise weiterliefen, sind Jahrmärkte bis auf Weiteres unmöglich – sämtliche Großveranstaltungen sind bis Ende August abgesagt. Mit rund 70.000 Besuchern an Sommersonntagen werden viele den Fischmarkt eher als Rummel bewerten. Und mit einem Angebot, das bei Fisch und Obst anfängt, über Blumen und Souvenirs reicht und erst bei Kitsch und Quatsch endet, passt das sonntägliche Treiben schlecht in die Raster.

Markthändler warnen vor einem falschen Image des Fischmarktes

Allerdings warnen Markthändler vor einem falschen Image des Fischmarktes. „Ich bin jede Woche da“, sagt Rainer Raeder, dessen Raederwerk Hamburg-Produkte wie Seesäcke, Geschirrtücher oder Schlüsselanhänger anbietet, die sämtlich in der Hansestadt hergestellt werden. „Das Image ist schlimmer als die Realität – offenbar waren viele schon länger nicht mehr da.“ Raeder selber baut seit zehn Jahren seinen Stand direkt an der Fischauktionshalle stets etwas später auf, bis die übrig gebliebenen Feierbiester den Fischmarkt schon wieder verlassen haben oder vom Sicherheitsdienst verscheucht wurden.

Inzwischen fürchtet er um die Zukunft des traditionsreichen Marktes: „Ich weiß gerade von Fischanbietern, dass sie nun ihren Verkaufswagen nicht mehr abbezahlen können“. sagt Raeder. „Ihr Haupteinkommen machen sie sonntags in Altona. Das ist ein Markt, wo die Menschen noch schlendern und nicht ständig auf ihr Mobiltelefon glotzen. Auch für mich ist das der wichtigste Markt. Mein Glück ist nur, dass mein Fahrzeug abbezahlt ist.“

Rainer Raeder ist Markthändler und bietet Hamburg-Artikel an.
Rainer Raeder ist Markthändler und bietet Hamburg-Artikel an. © Andreas Laible

Ihn ärgert, dass in der Hansestadt die Corona-Regelungen so langsam gelockert werden. „In Berlin sind Kunst- und Antikmärkte längt wieder geöffnet“, sagt er. In Hamburg hingegen sei kaum etwas passiert. Als er in einem anderen Bezirksamt kürzlich um eine Standerlaubnis bat, wurde er gefragt, warum er überhaupt aufbauen wolle. Er solle lieber einen Antrag auf Soforthilfe stellen. Als er sich an die Wirtschaftsbehörde wandte, wurde ihm beschieden, das sei Bezirkssache. Und in Altona drängen die Marktbeschicker mit ihren Sorgen und Nöten kaum durch. „Meiner Ansicht nach war Rot-Grün in Hamburg zu lange mit sich selbst beschäftigt. Die Koalitionsverhandlungen haben den Blick auf die Realität vermissen lassen“, kritisiert Rainer Raeder. „.Nicht nur Markthändler, sondern alle Bürger wurden Opfer! Ich erwarte vom neuen Senat Entscheidungsfreude.“

Schnelle Öffnung des Fischmarktes bringt Probleme mit sich

Der Bezirk aber verweist auf die Probleme, die eine schnelle Öffnung mit sich bringt. Dort fürchtet man, dass die Abstandsregeln sich angesichts vieler Nachtschwärmer kaum durchsetzen lassen. Auch die Marktschreier, die wie ­Aale-Dieter, Bananen-Fred oder der holländische Blumenkönig Roberto Saarloos zu überregionaler Berühmtheit kamen, sieht man heute eher mit Sorge. Man erfreut sich nicht mehr an ihren durchdringenden Stimmen, sondern denkt an Aerosole und Covid-19. Hinzu kommt: Die Krise auf dem Kiez kommt auch auf dem Fischmarkt an.

Katarina Blume von der FDP Altona war in dieser Woche im Klima- und Umweltausschuss des Bezirks, der über die Zukunft des Fischmarktes nachgedacht hat. Der dort favorisierten Änderung hin zu einem regulärem Wochenmarkt zur Nahversorgung mit viel Abstand zwischen den Ständen kann Blume nur wenig abgewinnen: „Ich bezweifle, dass es vor Ort daran Bedarf gibt.“ Blume sagt dazu außerdem: „Der Fischmarkt ist eine touristische Marke, den kann man nicht umwidmen. So macht man die Marke kaputt.“ Ihr schwebt zumindest übergangsweise ein „klassischer Fischmarkt“ vor.

Bürgermeister und Senat über den Corona-Stand in Hamburg:

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Die Händler wiederum hatten vorgeschlagen, ein Hygienekonzept zu erarbeiten und die Zahl der Stände zu reduzieren. Zugleich dürften bei diesem Plan mit Zäunen, Gassen und zehn bis 20 Ordnern aber hohe Kosten entstehen, die niemand tragen will oder tragen kann. „Das Amt ist nicht bereit, die Händler können es nicht“, sagt Blume. So ist es am wahrscheinlichsten, dass die Schließung des Fischmarktes verlängert wird. Eine Weiterführung des bisherigen Konzepts ist jedenfalls nicht möglich.

Nur auf der stadteigenen Internetseite Hamburg.de ist für alle kommenden Sonntage zwischen fünf und 9.30 Uhr der Fischmarkt angekündigt – als Wochenmarkt. Der aktuelle Hinweis: „Bitte beachten Sie, dass diese Veranstaltung möglicherweise abgesagt wurde, auch wenn sie hier gelistet ist“ ist für Besucher von auswärts wenig hilfreich – und zeigt den Stellenwert, den diese Hamburgensie offenbar bei den Behörden einnimmt.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden