Hamburg. Das Abendblatt stellt die Hamburger Neubaugebiete vor. Heute: Das Quartier an der Friedensallee in Ottensen.

Bunt und nett wirkt die Zeichnung, ein bisschen wie ein Comic vielleicht: Von einer Darstellung wie auf einem „Wimmelbild“, spricht Frank Conrad, der die Stadtplanungsabteilung im Bezirk Altona leitet. Und das meint er nicht spöttisch, sondern als Qualitätsmerkmal. Und tatsächlich ist das, was das Hamburger Architektenbüro coido für seinen städtebaulichen Entwurf so scheinbar flott daher gezeichnet hat, das Ergebnis vieler Verhandlungsrunden bei dem viel Neues gewagt wurde. Herausgekommen ist ein Bebauungsplan zum „Quartier an der Friedensallee“, wo in den kommenden Jahren gut 1200 Wohnungen im Stadteil Ottensen gebaut werden.

Vielfach bricht dieses Quartier mit bisherigen Dogmen der Stadtplanung, die Buntheit der Zeichnung ist damit gleichzeitig auch Programm: Seit den 60er-Jahren sieht das deutsche Planrecht nämlich eine strenge Trennung der Funktionen vor: dort das Wohnen, da das Arbeiten. Und wehe, man plant beides zu dicht zusammen. Die Enge der mittelalterlichen Stadt, das dichte Nebeneinander von Wohnen und Handwerk galt lange als falscher Weg.

Urbanes Wohnen

Doch wachsende Städte wie Hamburg stoßen damit an Grenzen, wenn sie nicht auf der grünen Wiese bauen wollen. Wie man Wohnen und Arbeiten wieder gemeinsam planen kann – und so nebenbei Pendlerströme vermeidet – gilt daher als große Zukunftsaufgabe. Gerade hat der Bundesrat auf Initiative Hamburgs daher eine Änderung des Planrechts beschlossen und „Urbanes Gebiet“ als neuen Baugebietstyp definiert. „Wir haben dafür quasi die Blaupause geliefert“, sagt Stadtplaner Conrad stolz. Wie früher würde hier wieder ein gemischtes Viertel entstehen – so wie im zentralen Ottensen schon. Handwerk, Gewerbe und Wohnen als „kleinteiligen Mix“, wie Conrad sagt.

Viel hat dieser Schritt zurück zu den Wurzeln europäischer Städte mit der Vorgeschichte dieses Geländes an der Grenze von Ottensen und Bahrenfeld zu tun. In der Mitte des künftigen Quartiers produzierte früher Kolbenschmidt – später ein Zweig der Rheinmetall AG – eben Kolben. Dann wurde die Produktion 2009 aufgegeben und Handwerkerbetriebe zogen in die alten Hallen: eine Motorradwerkstatt zum Beispiel, Tischler, eine Kaffeerösterei oder auch ein Tonstudio. Etwa 20 bis 30 dieser kleinen Betriebe werden dort weiter werkeln können und bekommen Platz in einer alten, aber sanierten Halle mitten in dem neuen Viertel.

Euler-Hermes-Hochhaus wird 2019 abgerissen

Nebenan ragt noch das weiße Bürohochhaus der Euler-Hermes-Versicherung auf. Das wird 2019 aber abgerissen und statt Büros entstehen dort ebenfalls Wohngebäude. An der Nahtstelle zum Handwerk sollen besondere bautechnische Details wie etwa spezielle Lärmschutzfenster Konflikte und mögliche Rechtsstreits zwischen den ungleichen Nachbarn vermeiden. Ähnliches ist auch für den Ostteil des Quartiers geplant.

Dort stehen noch Bürogebäude und Labore des Shampoo-Herstellers Schwarzkopf. Hier sehen die Pläne einen Abriss und Neubau des Betriebes vor. Direkt angrenzend und quasi Rücken an Rücken zum Unternehmen werden auch hier Wohngebäude gebaut. Diese sogenannte „Back-to-back“-Bauweise soll ebenfalls mögliche Lärmstörungen zwischen Wohnen und Arbeiten ausschließen.

Mit Quantum, Rheinmetall-Immobilien und Köhler&von Bargen sind drei große Projektentwickler an der Realisierung dieses Quartiers beteiligt, in das voraussichtlich von privater Hand insgesamt gut 600 Millionen Euro investiert werden. Allerdings habe man sich früh auf eine gemeinsame Entwicklung verständigen können, sagt Stadtplaner Conrad. Und das sei ein weiteres Qualitätsmerkmal dieses neuen Quartiers.

Es werde ein durchlässiges Viertel werden, man werde kreuz und quer auch durchgehen können, so Conrad. „Das wird ein richtiges Stück Ottensen“, verspricht er. Wie bei allen großen Hamburger Neubauprojekten hat der Bezirk mit den Investoren den Hamburger Drittelmix für die Wohngebäude vereinbart. Das bedeutet, dass dort mindestens zu einem Drittel Sozialwohnungen gebaut werden müssen. Dazu ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und maximal zu einem Drittel Eigentumswohnungen.

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