Hamburg . Nach 111 Stunden auf dem Platz sind zwei Teams Weltrekordhalter im Dauerkicken. Nicht nur Witterung und Schlafmangel machten Probleme.
111 Stunden lang haben sie für ihr gemeinsames Ziel gekämpft, dann ertönt endlich der lang ersehnte Pfiff: „Weltrekord“ brüllen die Spieler, reißen die Arme in die Luft, während Teamkollegen am Sonntag das Spielfeld an der Hamburger Sternschanze mit Sekt-und Bierflaschen stürmen. Es ist die bisher längste Fußballpartie der Geschichte, 6666 Minuten voller Tore, Schweiß und Muskelkrämpfe. Die Amateurkicker des FC Hamburger Berg und des VfL Wallhalben aus Rheinland-Pfalz wissen, dass sie es geschafft haben.
Wohin man auch schaut, überall blickt man in strahlende, sonnenverbrannte Gesichter. FC-Vorstand Ralph Hoffmann genießt ungewollt die weite Aussicht über den Platz, als er von seinen Teamkollegen mehrere Male in die Luft geworfen wird. Ein Sportkrimi, ein extremes Fußballabenteuer geht hier mit einem Endstand von 722:568 zu Ende. „Beide Teams verlassen aber als Gewinner den Platz“, betont Hoffmann, ehe er seinen Mitspielern in die Arme fällt.
Dabei stand es zwischendurch gar nicht gut um den Rekordversuch. Neben einem Unwetter, das die Spieler drei Tage zuvor aus Sicherheitsgründen kurzzeitig auf die Reservebank verbannte, wäre der Versuch auch fast an erhitzten Gemütern gescheitert. Denn die gemeinsame Zeit auf dem Platz bedeutete für alle Beteiligten nicht nur eine sportliche, sondern auch eine menschliche Herausforderung.
Da niemand das Gelände verlassen durfte, mutierte der Platz schnell zu einer Art „Big-Brother-Container“, wie VfL-Betreuerin Nadine Stibitz (40) berichtet. „Viele unterschiedliche Charaktere, längere Zeit zusammen auf engstem Raum: Es hat jeden Tag gekracht“, erzählt sie. Der Schlafmangel trug dann seinen Teil zum erhöhten Konfliktpotenzial bei.
„Wir wollten zwischendurch sogar kurz abbrechen. Das Klima war nicht optimal, bei den Anstrengungen schaukelt sich ein Konflikt schnell hoch“, berichtet VfL-Kapitän Carsten Barz (26) kurz vor dem Ende des Spiels. „Letztes Jahr war es ein Miteinander, dieses Jahr leider eher ein Gegeneinander“, sagt er. Feiern wolle man im eigenen Team, das Bier sollte nicht geteilt werden. Unversöhnliche Töne, die jedoch nach Spielabpfiff nicht nachzuhallen scheinen.
Dann nämlich liegen sich beide Teams erschöpft, aber offensichtlich überglücklich in den Armen. Ungeachtet vorheriger Rivalitäten, im Moment des Triumphes sind offenbar alle Spieler im Geiste vereint. Und auch die Fans auf den Zuschauerrängen bedanken sich mit Applaus für einen beispiellos energiegeladenen Endspurt. Zweifellos kam es den Teams zugute, dass diese in der Nacht fünf Stunden ihrer angesammelten Pausenzeit „abschlafen“ konnten.
111 Stunden Fußball: Weltrekord in Hamburg
Während die Jungs vom FC Hamburger Berg sich weiter feiern lassen, bereiten sich ihre Herausforderer auf eine 700 Kilometer lange Fahrt in den Süden vor. Sie verabschieden sich von dem Platz, der für alle in den letzten fünf Tagen zu einem Heimatersatz geworden war. Noch hängen die Handtücher über provisorisch angebrachten Wäscheleinen, entlang des mit Campingstühlen und Plastikmüll gesäumten Spielfeldrandes. Das zweite Wohnzimmer - es riecht nach Buletten, Bier und Schweiß. Höchste Zeit für die Heimreise.
Bei den Spielern vom FC Hamburger Berg kreisen die Gedanken jedoch schon wieder um die nächste Trainingseinheit. „Theoretisch ist morgen Abend um 18.00 Uhr Training. Wenn ich nichts Gegenteiliges vom Trainer höre, geht’s weiter“, ruft einer der Spieler lachend einem Reporter entgegen. Er wirkt noch so fit, dass man es ihm fast glaubt.