Hamburg . Nach 111 Stunden auf dem Platz sind zwei Teams Weltrekordhalter im Dauerkicken. Nicht nur Witterung und Schlafmangel machten Probleme.

111 Stunden lang haben sie für ihr gemeinsames Ziel gekämpft, dann ertönt endlich der lang ersehnte Pfiff: „Weltrekord“ brüllen die Spieler, reißen die Arme in die Luft, während Teamkollegen am Sonntag das Spielfeld an der Hamburger Sternschanze mit Sekt-und Bierflaschen stürmen. Es ist die bisher längste Fußballpartie der Geschichte, 6666 Minuten voller Tore, Schweiß und Muskelkrämpfe. Die Amateurkicker des FC Hamburger Berg und des VfL Wallhalben aus Rheinland-Pfalz wissen, dass sie es geschafft haben.

Wohin man auch schaut, überall blickt man in strahlende, sonnenverbrannte Gesichter. FC-Vorstand Ralph Hoffmann genießt ungewollt die weite Aussicht über den Platz, als er von seinen Teamkollegen mehrere Male in die Luft geworfen wird. Ein Sportkrimi, ein extremes Fußballabenteuer geht hier mit einem Endstand von 722:568 zu Ende. „Beide Teams verlassen aber als Gewinner den Platz“, betont Hoffmann, ehe er seinen Mitspielern in die Arme fällt.

Daniel Klein vom VfL Wallhalben liegt am 05.06.2016 in Hamburg während des Fußballspiels im Pool, in dem auch die Getränke gekühlt werden. Die Mannschaften VfL Wallhalben und der FC Hamburger Berg haben 111 Stunden am Stück gegeneinander Fußball gespielt und haben damit einen neuen Weltrekord aufgestellt, der jedoch von offizieller Stelle noch bestätigt werden muss. Das Spiel begann am 31.06. um 22.00 Uhr und endete am Sonntag (05.06.) um 13.00 Uhr. Foto: Lukas Schulze/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Daniel Klein vom VfL Wallhalben liegt am 05.06.2016 in Hamburg während des Fußballspiels im Pool, in dem auch die Getränke gekühlt werden. Die Mannschaften VfL Wallhalben und der FC Hamburger Berg haben 111 Stunden am Stück gegeneinander Fußball gespielt und haben damit einen neuen Weltrekord aufgestellt, der jedoch von offizieller Stelle noch bestätigt werden muss. Das Spiel begann am 31.06. um 22.00 Uhr und endete am Sonntag (05.06.) um 13.00 Uhr. Foto: Lukas Schulze/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ © dpa | Lukas Schulze

Dabei stand es zwischendurch gar nicht gut um den Rekordversuch. Neben einem Unwetter, das die Spieler drei Tage zuvor aus Sicherheitsgründen kurzzeitig auf die Reservebank verbannte, wäre der Versuch auch fast an erhitzten Gemütern gescheitert. Denn die gemeinsame Zeit auf dem Platz bedeutete für alle Beteiligten nicht nur eine sportliche, sondern auch eine menschliche Herausforderung.

Da niemand das Gelände verlassen durfte, mutierte der Platz schnell zu einer Art „Big-Brother-Container“, wie VfL-Betreuerin Nadine Stibitz (40) berichtet. „Viele unterschiedliche Charaktere, längere Zeit zusammen auf engstem Raum: Es hat jeden Tag gekracht“, erzählt sie. Der Schlafmangel trug dann seinen Teil zum erhöhten Konfliktpotenzial bei.

„Wir wollten zwischendurch sogar kurz abbrechen. Das Klima war nicht optimal, bei den Anstrengungen schaukelt sich ein Konflikt schnell hoch“, berichtet VfL-Kapitän Carsten Barz (26) kurz vor dem Ende des Spiels. „Letztes Jahr war es ein Miteinander, dieses Jahr leider eher ein Gegeneinander“, sagt er. Feiern wolle man im eigenen Team, das Bier sollte nicht geteilt werden. Unversöhnliche Töne, die jedoch nach Spielabpfiff nicht nachzuhallen scheinen.

Dann nämlich liegen sich beide Teams erschöpft, aber offensichtlich überglücklich in den Armen. Ungeachtet vorheriger Rivalitäten, im Moment des Triumphes sind offenbar alle Spieler im Geiste vereint. Und auch die Fans auf den Zuschauerrängen bedanken sich mit Applaus für einen beispiellos energiegeladenen Endspurt. Zweifellos kam es den Teams zugute, dass diese in der Nacht fünf Stunden ihrer angesammelten Pausenzeit „abschlafen“ konnten.

111 Stunden Fußball: Weltrekord in Hamburg

Das Spiel musste am Donnerstag wegen eines Unwetters kurzzeitig unterbrochen werden. Einige Zelte liefen dabei voll Wasser
Das Spiel musste am Donnerstag wegen eines Unwetters kurzzeitig unterbrochen werden. Einige Zelte liefen dabei voll Wasser © dpa | Lukas Schulze
Der guten Stimmung unter den Fans tat das keinen Abbruch
Der guten Stimmung unter den Fans tat das keinen Abbruch © dpa | Lukas Schulze
Eiskalt: Idrissa Chaibou (l.) vom FC Hamburg Berg guckt den gegnerischen Torwart Michel Milewski aus und vollstreckt souverän. Nach neun Stunden führten aber die Gäste mit 61:52
Eiskalt: Idrissa Chaibou (l.) vom FC Hamburg Berg guckt den gegnerischen Torwart Michel Milewski aus und vollstreckt souverän. Nach neun Stunden führten aber die Gäste mit 61:52 © dpa | Lukas Schulze
VfL-Kapitän Carsten Barz im Interview mit dem Abendblatt: Er ist gleichzeitig Physiotherapeut und somit doppelt gefragt
VfL-Kapitän Carsten Barz im Interview mit dem Abendblatt: Er ist gleichzeitig Physiotherapeut und somit doppelt gefragt © HA | Volker Sarbach
Direkt neben dem Platz wird der VfL Wallhalben von einem eigenen Kochteam betreut
Direkt neben dem Platz wird der VfL Wallhalben von einem eigenen Kochteam betreut © HA | Volker Sarbach
Auch an Vitaminen soll des den ambitionierten Kickern nicht mangeln
Auch an Vitaminen soll des den ambitionierten Kickern nicht mangeln © HA | Volker Sarbach
Erfrischende Getränke für schaulustige Zuschauer stehen stets bereit
Erfrischende Getränke für schaulustige Zuschauer stehen stets bereit © HA | Volker Sarbach
"Weltpokalsiegerbesieger" ääääh... Weltrekordbrecherversucher-Unterstützer" © HA | Volker Sarbach
Geschlafen wird am Rande des Spielfeldes, wo Zelte aufgestellt sind
Geschlafen wird am Rande des Spielfeldes, wo Zelte aufgestellt sind © HA | Volker Sarbach
FC-Spieler Moaaz Alhalaky eröffnete den Torreigen. Der syrische Flüchtling lebt erst seit einem halben Jahr in Hamburg
FC-Spieler Moaaz Alhalaky eröffnete den Torreigen. Der syrische Flüchtling lebt erst seit einem halben Jahr in Hamburg © dpa | Lukas Schulze
Alhalaky ist auch der Mann für die Standards beim Gastgeber
Alhalaky ist auch der Mann für die Standards beim Gastgeber © dpa | Lukas Schulze
Die Abseitsfalle zieht: Eine Spielansicht aus der Totalen, am ersten Tag hielten sich noch alle Spieler an die taktischen Vorgaben
Die Abseitsfalle zieht: Eine Spielansicht aus der Totalen, am ersten Tag hielten sich noch alle Spieler an die taktischen Vorgaben © dpa | Lukas Schulze
Letzte taktische Anweisungen vor der Partie. Soll das Spiel lieber breit gemacht werden, oder vertraut man den Ballkünstlern im Zentrum? Könnte sich eine defensive Anfangstaktik, bei der man auf schnelles Umschaltspiel setzt, positiv auf die Kondition für die letzten 24 Stunden auswirken?
Letzte taktische Anweisungen vor der Partie. Soll das Spiel lieber breit gemacht werden, oder vertraut man den Ballkünstlern im Zentrum? Könnte sich eine defensive Anfangstaktik, bei der man auf schnelles Umschaltspiel setzt, positiv auf die Kondition für die letzten 24 Stunden auswirken? © dpa | Lukas Schulze
Die Mannschaft vom VfL Wallhalben motiviert sich vor Spielbeginn. Aber reicht das für den Weltrekord?
Die Mannschaft vom VfL Wallhalben motiviert sich vor Spielbeginn. Aber reicht das für den Weltrekord? © dpa | Lukas Schulze
Die beiden Kapitäne Carsten Barz (l.) vom VfL Wallhalben und Marcel Hellmond vom FC Hamburg Berg demonstrieren vor dem Spiel, dass der Fairplay-Gedanke großgeschrieben wird
Die beiden Kapitäne Carsten Barz (l.) vom VfL Wallhalben und Marcel Hellmond vom FC Hamburg Berg demonstrieren vor dem Spiel, dass der Fairplay-Gedanke großgeschrieben wird © dpa | Lukas Schulze
Das sind die 36 Spieler, die ins Guinness-Buch der Rekorde wollen
Das sind die 36 Spieler, die ins Guinness-Buch der Rekorde wollen © dpa | Lukas Schulze
Ausgeschlafen und voller Energie ging FC-Vorstand und Spieler Ralph Hoffmann das Rekordspiel an
Ausgeschlafen und voller Energie ging FC-Vorstand und Spieler Ralph Hoffmann das Rekordspiel an © dpa | Lukas Schulze
Zentrales Anliegen des Clubs ist die Integration von Flüchtlingen. Viele spielen selbst mit
Zentrales Anliegen des Clubs ist die Integration von Flüchtlingen. Viele spielen selbst mit © FC Hamburger Berg
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Während die Jungs vom FC Hamburger Berg sich weiter feiern lassen, bereiten sich ihre Herausforderer auf eine 700 Kilometer lange Fahrt in den Süden vor. Sie verabschieden sich von dem Platz, der für alle in den letzten fünf Tagen zu einem Heimatersatz geworden war. Noch hängen die Handtücher über provisorisch angebrachten Wäscheleinen, entlang des mit Campingstühlen und Plastikmüll gesäumten Spielfeldrandes. Das zweite Wohnzimmer - es riecht nach Buletten, Bier und Schweiß. Höchste Zeit für die Heimreise.

Bei den Spielern vom FC Hamburger Berg kreisen die Gedanken jedoch schon wieder um die nächste Trainingseinheit. „Theoretisch ist morgen Abend um 18.00 Uhr Training. Wenn ich nichts Gegenteiliges vom Trainer höre, geht’s weiter“, ruft einer der Spieler lachend einem Reporter entgegen. Er wirkt noch so fit, dass man es ihm fast glaubt.