Hamburg. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Mutter und ihren Ex-Freund. Bislang kein Haftbefehl. Sozialsenatorin verteidigt Jugendhilfe.

Zwei Tage nach dem Tod des kleinen Tayler ist einer der Hauptverdächtigen nach Angaben der Staatsanwaltschaft nach Spanien gereist. Der 13 Monate alte Junge war am Sonnabend auf der Kinderintensivstation des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) nach schweren Misshandlungen gestorben. Gegen die Mutter, Jaqueline B. (22), und ihren Lebensgefährten Michael Q. (26) wird ermittelt.

Beide sind befragt worden und befinden sich inzwischen auf freiem Fuß. Gegen keinen der Beschuldigten liegt nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft ein dringender Tatverdacht vor – damit fehlt die Voraussetzung für die Beantragung eines Haftbefehls. Die Mutter und ihr Freund belasten sich offenbar gegenseitig. Nach Abendblatt-Informationen werten die Ermittler die Spanienreise von Michael Q. nicht als Flucht. Es handele sich um eine länger geplante Reise über die Weihnachtstage. Der Mann werde Anfang Januar zurück erwartet.

Sozialsenatorin: Restriktiver geht es eigentlich nicht mehr

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD)
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) © dpa | Unbekannt

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat nach dem Tod des Babys Tayler Aufklärung gefordert, zugleich aber das System der Kinder- und Jugendhilfe verteidigt. Es scheine Parallelen zu früheren Fällen zu geben, sagte Leonhard am Montag. Jetzt müsse aber zunächst die Jugendhilfeinspektion den Fall untersuchen. Oberstes Ziel sei der Schutz des Kindes. Es gebe klare Anweisungen für die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe. Würden Verletzungen festgestellt, müsse das Kind beim Kinderkompetenzzentrum des UKE vorgestellt werden. Das sei jederzeit erreichbar. „Restriktiver geht es eigentlich nicht mehr“, sagte die Senatorin.

Tayler war am 12. Dezember mit schweren Verletzungen in die UKE-Notaufnahme gekommen. Die erste Untersuchung deutete auf ein Schütteltrauma hin. Er wurde sofort operiert. Tagelang kämpfte der Junge um sein Leben. Am Donnerstag hatten die Mediziner die Hoffnung aufgegeben und die lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt. Sie sahen keine Überlebenschance mehr für Tayler.

Weitere Untersuchungen in der Rechtsmedizin

Am Sonntagabend war der Leichnam des Babys im Institut für Rechtsmedizin obduziert worden. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Carsten Rinio. „Heute sollen weitere Untersuchungen stattfinden“, so der Sprecher. Ob die Ergebnisse noch am Montag vorliegen, sei noch offen.

Der schreckliche Tod hat große Bestürzung in Hamburg ausgelöst. Die Jugendhilfeinspektion hat am Montag ihre Arbeit aufgenommen hat. In Frage steht vor allem, warum das Jugendamt Altona nach ersten Anzeichen für Kindeswohlgefährdung im Oktober eine Rückkehr zu seiner Mutter genehmigt hatte. Auch hatte eine Sozialarbeiterin des Rauhen Hauses, die die Familie betreut hat, Verletzungen im Gesicht des Kindes nicht weitergemeldet. Das Bezirksamt Altona und das UKE wollten sich am Montag nicht zu dem Fall äußern und verwiesen auf laufende Ermittlungen.

Opposition fordert Sondersitzung des Familienausschusses

Unterdessen hat die politische Debatte begonnen. Die FDP in der Bürgerschaft unterstützt den Antrag der CDU-Fraktion, den Fall im Familienausschuss zu behandeln. Es müsse zum Beispiel geklärt werden, ob die Regeln für die Rückgabe von Kindern aus Pflegefamilien an die leiblichen Eltern noch zu weich seien, forderte Daniel Oetzel, familienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Die Linke-Fraktion warnte vor „politischen Schnellschüssen und populistischen Forderungen“. „Die Frage der konkreten Schuld und Mitschuld am Tod des Jungen wird durch Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht und durch Gerichte festgestellt, nicht durch Abgeordnete“, sagte die jugendpolitische Sprecherin Sabine Boeddinghaus. Um solche Fälle zu vermeiden, müsse die Politik aber „ihrerseits Verantwortlichkeiten und strukturelle Fehler wie beispielsweise Arbeitsüberlastung, mangelhafte finanzielle Ausstattung der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) oder die Zusammenarbeit mit den Familiengerichten untersuchen“, forderte Boeddinghaus. Der richtige Ort dafür sei die Enquete-Kommission.