Eine Hamburger Polizistin soll sechs Jahre verdeckt im Umfeld des besetzen Hauses ermittelt haben. Jetzt veröffentlichen die Rotfloristen auch ihren Namen und die Privatadresse. Ist es Rache?
Hamburg. Als Aktivistin war Sarah S. (Name geändert) in der linken Szene über viele Jahre eine feste Größe. Sie saß im Plenum der Roten Flora, sie ging auf Demonstrationen, baute Freundschaften auf und führte Liebesbeziehungen. Sarah S. war mittendrin, sie gehörte dazu. Doch undercover soll die junge Frau für den Staatsschutz der Hamburger Polizei ermittelt haben. Ein linker Internet-Blog hat die vermeintliche Aktivistin eigenen Angaben zufolge als verdeckte Ermittlerin enttarnt. Die Seite macht sogar den Namen und die Privatadresse der Beamtin öffentlich.
Nach Angaben der Verfasser, die sich „die Betroffenen“ nennen, habe die LKA-Beamtin unter einem Tarnnamen die linke Szene infiltriert und sie zwischen 2000 und 2006 bespitzelt. So soll sie von 2000 an häufig im „Café Niemandsland“ in der Roten Flora aufgetaucht sein. Als Delegierte des Cafés habe sie schon bald an den Sitzungen des Flora-Hausplenums teilgenommen. Außerdem habe sie sich beim linken Radiosender FSK (Freies Sender Kombinat) engagiert. Zu dieser Zeit sei sie „Genossin, Vertraute und Freundin, eine von uns“ gewesen, so der Blog.
Die Ermittlerin drang aber nicht nur tief ins Herz der linken Szene ein. Regelrecht gekränkt fühlen sich ihre einstigen Vertrauten vor allem, weil die Beamtin unter ihrer Tarnidentität Liebesbeziehungen eingegangen sei und Freundschaften aufgebaut habe. Sie habe „die Grenzen ihres polizeilichen Handelns massiv überschritten“. Diese Methoden erinnerten an Stasi-Methoden, sagte auf Abendblatt-Anfrage Andreas Blechschmidt, der sich öffentlich für die „Betroffenen“ äußert und sechs Jahre mit Sarah S. im Flora-Plenum saß.
Man werde vom Verwaltungsgericht prüfen lassen, ob der Einsatz von Sarah S. rechtmäßig gewesen sei und ob personenbezogene Daten gesammelt worden seien. Von der Innenbehörde hieß es, man äußere sich „grundsätzlich nicht zu verdeckten Maßnahmen von Polizei und Verfassungsschutz“.
Bereits 2002 keimte der Spitzel-Verdacht auf. Um ihn zu verifizieren, hatte sich eine „Recherchegruppe“ gegründet. Sarah S. sei zunächst nicht mit dem Verdacht konfrontiert worden, weil „Unsicherheiten und Hemmungen“ innerhalb der Gruppe entstanden seien, so der Blog. Das Misstrauen ihr gegenüber war aber offenbar in einem Teil der Szene so stark ausgeprägt, dass Sarah S. 2004 von einem Treffen der Aktivisten des Bauwagenplatzes „Wendebecken“ ausgeschlossen wurde.
Im April 2006 habe sie sich mit einer einjährigen Reise in die USA aus dem Spektrum verabschiedet. Allerdings flog erst im Herbst 2013 ihre Tarnung endgültig auf – als sie auf einer Polizei-Veranstaltung von einer Bekannten aus dem Umfeld der Flora wiedererkannt wurde.