Hamburgs Bürgermeister spricht von „Symbol neuer Urbanität“. Kunden nehmen Möbelhaus gut an – kaum Proteste. Für mehr als 80 Millionen Euro baute Ikea dieses dritte Hamburger Haus.

Hamburg. Eine gute halbe Stunde vor der Öffnung schon schauen die ersten Kunden neugierig durch die Scheiben der Eingangstüren auf das merkwürdige Geschehen dort drinnen im weltweit ersten City-Ikea-Möbelhaus. Den Hamburger Bürgermeister können sie im Vorflur erspähen, ein paar Herren in dunklen Anzügen und wie sie dort alle mit Schaufeln hantieren, um symbolisch ein kleines Bäumchen in einen Kübel zu pflanzen. Dann ist es 9.30Uhr, die Türen öffnen sich und die Menschen strömen herein, beklatscht und lächelnd begrüßt von Ikea-Mitarbeitern, Fotografen und Gästen der Eröffnungsfeier. Kein Ansturm wie bei der Markteinführung von Apple-Produkten, aber nach wenigen Minuten sieht Ikea-Altona bereits so gut besucht aus, als würden hier schon seit langem Sofas, Teelichter oder Zusammenbau-Regale verkauft.

Familien und Pärchen schlendern durch die Möbel-Ausstellung, links rum, rechts rum, vorbei an Paletten mit Suppentellern, durch Gänge mit Teppichen und entlang von kompletten Küchen. „Hey Nachbarn“, begrüßen blaue Schildchen. Und wer mit der S-Bahn gekommen ist, entdeckt im betongrauen Bahnhofsgebäude heute plötzlich farbenfrohe Stoffe an der Wand, die Ikea für diesen Eröffnungstag dort aufhängen ließ.

Allein in Deutschland betreibt der weltweit agierende schwedische Möbelkonzern 48 Häuser, meist flache gelbblaue Kisten – alles nach dem gleichen Konzept. Für mehr als 80 Millionen Euro baute Ikea in den vergangenen drei Jahren dieses dritte Hamburger Haus auf sieben Stockwerken und mit 18.000 Quadratmetern für sein volles Sortiment. Diesmal aber mitten in die Fußgängerzone an der Großen Bergstraße und nicht wie sonst draußen an der Autobahn auf der berühmten grünen Wiese. Zwar gibt es in England, in Essen und auch in Berlin bereits erste Ikea-Filialen in der Nähe von Zentren. Diese Ikea-Häuser lägen aber lediglich „stadtnah“, nicht mitten in einer Fußgängerzone, heißt es bei Ikea.

Rund 150.000 Menschen wohnen im näheren Umfeld der Großen Bergstraße: Diese Kunden hat das Unternehmen im Blick, wenn es in Altona neue Lieferangebote wie elektrobetriebene Lastenfahrräder oder spezielle Möbeltaxis anbietet. Schiebetüren für Dachschrägen in Altbauten gehören ebenfalls zu den Altonaer Ikea-Besonderheiten. Doch verträgt sich ein großes Möbelhaus mit einem Wohnumfeld wie in Altona-Altstadt? Zieht es zu viel Verkehr an, könnten kleine Läden bald unter hohen Mieten leiden? Das befürchten zumindest Ikea-Kritiker, die zu einer Protestkundgebung am Nachmittag aufgerufen hatten. Die Beteiligung ist dann aber eher überschaubar und fällt im Besucher-Anstrom auf das Ikea-Haus kaum auf. Auffällig ist eine starke Polizeipräsenz, weil sich über Facebook auch Punker angesagt hatten.

Per Lautsprecher argumentieren die Kritiker gegen eine angebliche Verdrängung einkommensschwacher Anwohner. Dass bei einem Bürgerentscheid in Altona 77 Prozent für die Ikea-Ansiedelung gestimmt hatten, ist von ihrem Standpunkt aus betrachtet nur „schmutzigen Tricks“ zu verdanken, wie es in einem Flugblatt heißt.

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der selbst jetzt Nachbar von Ikea ist, sieht das anders, wie er in seiner Eröffnungsrede sagt. Für ihn sei Ikea Altona sogar ein „Symbol für eine neue Urbanität“. Die Menschen zögen wieder zurück in die Stadt und folglich müssten solche Geschäfte zurück zu den Menschen ziehen, sagt Scholz, der bekennt, beim Bürgerentscheid für die Ikea-Ansiedlung gestimmt zu haben. „Man sieht richtig, wie die Entwicklung in Altona wieder nach vorn gegangen ist.“

Initiiert worden war das Pro-Ikea-Bürgerbegehren von den Einzelhändlern in der Straße, die sich einen wirtschaftlichen Aufschwung der zentralen Altonaer Einkaufsstraße durch die Ansiedelung erhoffen. Klaus-Peter Sydow, maßgeblicher Vertreter dieser Interessenvereinigung und Inhaber eines Reisebüros, gibt sich dann am Eröffnungstag geradezu euphorisch. „Diese Straße war so tot, so tot war keine andere in Hamburg.“ Mit dem heutigen Tag beginne nun eine neue Zukunft.

Wie die tatsächlich aussehen wird, ist derzeit zwar noch offen. Das befürchtete Verkehrschaos bleibt jedenfalls in den ersten Stunden komplett aus: Während sich am Nachmittag im Haus die Menschen bereits drängen wie in anderen Ikea-Häusern am Sonnabendvormittag, parken auf den drei Parkebenen gerade einmal zwei Dutzend Autos. Die ersten Kunden des neuen City-Möbelhauses wie Michael Otto nutzen offensichtlich die neue Nähe. Der 27-jährige Krankenpfleger und junge Familienvater wohnt um die Ecke an der Kreuzkirche. Für den neuen Stuhl der Familie braucht er nicht einmal ein Lastenfahrrad – das Möbelstück schleppt er kurzerhand zu Fuß nach Hause.