Eltern der Theodor-Haubach-Schule kämpfen gegen künftige Verkehrsbelastung mit bis zu 4000 Autos pro Tag. Die neue Straße soll das Bauprojekt Neue Mitte Altona mit 2000 Wohnungen anbinden.

Hamburg. „Ich bleibe hier“ steht auf dem Protestbanner. Es zeigt die Silhouette eines Baumstamms, der die Arme verschränkt und trotzig dreinblickt – befestigt an einem mächtigen Baum, den es bald nicht mehr geben soll. Denn über den Schulhof der Theodor-Haubach-Schule in Altona-Nord ist eine neue Straße geplant – direkt vorbei an den Schulgebäuden und den Spielgeräten.

Ein paar Hundert Meter weiter westlich beginnt das geplante Baugebiet für die Neue Mitte Altona. Und dieses Neubaugebiet benötigt mehrere Straßenanbindungen. Weil die Fläche im Westen von Bahngleisen begrenzt wird, müssen die künftigen Bewohner das neue Quartier über andere Wege erreichen.

Die Eltern an der Schule können aber die Welt nicht mehr verstehen: „Wir stehen hier mitten auf der künftigen Straße“, sagt Harald Beiler vom Vorstand des Elternrats und deutet auf die Bäume und Büsche hinter sich: „Die sollen hier alle weg.“ Das historische Schulgebäude an der Haubachstraße stammt aus dem Jahr 1906. Trutzig-gemütlich wirkt das Rotklinkergebäude mit den gelben Putzelementen. Rechts davon beherbergt ein 14 Jahre alter Neubau eine Reihe von Klassenräumen und die Schulkantine, die hier „Schnittchenwerkstatt“ heißt und den 240 Grundschülern jeden Tag frisch gekochtes Essen serviert.

Etwas nach hinten versetzt gibt es seit etwa 40 Jahren eine Turnhalle. „Mit eineinhalb Metern Abstand zu den Unterrichtsräumen, der Schulküche und der Turnhalle soll künftig die neue Straße verlaufen und in einem Bogen einmal über den Schulhof führen“, sagt Elternratsmitglied Annika Neuhaus, deren siebenjähriger Sohn Luis die erste Klasse besucht. „Das bedeutet enorm viel Lärm und Abgasbelastung“, fürchtet sie. Momentan sei der Schulhof noch gut vom Straßenlärm abgeschirmt. Das Schulgelände grenzt direkt an die Holsten-Brauerei AG, die auch Flächen für den Straßenbau abgeben muss.

Der Bebauungsplan-Entwurf Altona-Nord 26 zementiert eigentlich nur alte Planungen. „Schon vor 30 Jahren gab es Pläne, hier eine Straße zu bauen“, sagt Rechtsanwalt Beiler, dessen beide Kinder die Theodor-Haubach-Schule besuchen. Die Ostquerung wurde aber nicht realisiert. Und spätestens seit dem Schulzubau direkt an der geplanten Trasse seien alle davon ausgegangen, dass diese Idee dauerhaft hinfällig sei, sagt Beiler.

Besonders unglücklich finden die Eltern neben der Verkehrsbelastung, dass der rückwärtige Schulhof deutlich kleiner wird. „Alle nicht versiegelten Flächen werden verschwinden, aber die Kinder brauchen Rückzugsflächen“, sagt Annika Neuhaus. Zumal in den kommenden Jahren deutlich mehr Schüler erwartet werden.

„Der Schulentwicklungsplan sieht vor, dass die Schule fünf- bis sechszügig wird. Sogar die Standplätze für Klassencontainer seien schon festgelegt“, sagt Harald Beiler. Das bedeute noch deutlich mehr Kinder auf dem bestehenden Gelände, die sich hier viele Stunden täglich aufhalten. „Das ist hier eine Ganztagsschule, die Betreuung von 7 bis 18 Uhr anbietet“, gibt auch die Diplompädagogin Neuhaus zu bedenken.

In einem Schreiben an die Eltern hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) versucht, diese zu beruhigen: „Es wird eine saubere und baulich klare Abgrenzung und eine entsprechende Einfriedung des Schulgeländes geben. Eine für alle Seiten gute Lösung wird auch weiterhin von allen Beteiligten gesucht“, heißt es in dem Brief aus dem Senatorenbüro, der dem Abendblatt vorliegt. Man sei sich der Lage bewusst, aber es müsse eine Abwägung aller Interessen geben, in die die „Wohn- und Verkehrssituation, notwendige Neubaugebiete ebenso einbezogen werden wie die Bedürfnisse der Bestandsnutzungen“.

„Wir befinden uns in einer frühen Phase der Bebauungsplanung, in der alle Beteiligten noch Gelegenheit haben, ihre Anregungen, Ideen und Wünsche einzubringen. Darüber hinaus sind die Kolleginnen und Kollegen vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer im Dialog mit dem Elternrat“, sagt auch Helma Krstanoski, Sprecherin der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Anfang Februar soll es weitere Gespräche geben.

Doch verhindern werden die Eltern die neue Straße wohl nicht mehr können. „Sie kommt auf jeden Fall, weil sie nötig ist, um die Verkehre aus dem neuen Baugebiet abzuleiten“, sagt Mark Classen (SPD), Vorsitzender des Planungsausschusses der Bezirksversammlung Altona. Er verstehe die Sorgen der Eltern, aber die Straße sei unverzichtbar und stehe nicht mehr zur Diskussion. „Sie kommt!“

Eine andere Verkehrsführung sei nicht zweckmäßig. Als Kompensation werde die Straße vor dem Schuleingang entwidmet und dem Schulhof zugeschlagen. Derzeit dürfen hier Autos mit bis zu zehn Kilometern pro Stunde fahren. Für die neue Straße werden von Verkehrsplanern 2000 bis 4000 Fahrzeuge pro Tag prognostiziert. „Diese Zahl ist für dieses Gebiet ein Witz“, sagt Classen, „das ist nicht besonders viel." Im ersten Bauabschnitt der Neuen Mitte sind etwa 2000 Wohnungen geplant.

„Unmöglich. Ich finde es total verantwortungslos“, sagt die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete und ehemalige Schulsenator Christa Goetsch, die von 1980 bis 2002 an der Theodor-Haubach-Schule unterrichtet hat, über die Pläne. „Die Schule hat jahrzehntelang für Verkehrsberuhigung gekämpft. Da jetzt eine Straße zu bauen ist Blödsinn.“