Der Bezirk versäumte den Vertrag zum Bau von öffentlich geförderten Wohnungen - ausgerechnet bei einem umstrittenen Neubau im Zentrum.

Hamburg. Seit gut zwei Jahren gibt es eine klare Ansage des Hamburger SPD-Senats: Jedes größere Wohnungsbauvorhaben in der Stadt soll möglichst einen Anteil von mindestens einem Drittel Sozialwohnungen aufweisen. Doch ausgerechnet bei einem der umstrittensten Projekte im Bezirk Altona ist dies jetzt nicht geschehen. Der geplante Neubau im Schnittpunkt zwischen Goethestraße und Großer Bergstraße in Altona direkt vor dem künftigen Ikea-Möbelhaus wird nun zwar mit rund 60 Wohnungen gebaut – aber mit keiner einzigen öffentlichen geförderten, wie es die Senatsvorgabe eigentlich vorsieht.

Das Bezirksamt hatte schlicht den dazu notwendigen städtebaulichen Vertrag mit dem Investor nicht geschlossen. „Das hat das Amt versäumt“, sagt der Vorsitzende des bezirklichen Planungsausschusses, Mark Classen (SPD). Die Genehmigung sei nun aber erteilt. „Das ist ärgerlich, aber da kann man nichts mehr ändern“, so Classen.

Verärgert zeigt sich nun auch die Anwohnerinitiative „Anna Elbe“, die monatelang gegen den Bau an der sogenannten Bergspitze protestiert hatte, weil dem Immobilienunternehmen Bruhn dazu ein großer Grundstücksanteil der heutigen Fußgängerzone durch den Bezirk veräußert wurde. Einen „Ausverkauf von öffentlichen Flächen“ hatte die Gruppe kritisiert und das geplante Gebäude als zu groß bezeichnet. Unterstützung bekam „Anna Elbe“ dabei sogar von Oberbaudirektor Jörn Walter – während die Bezirkspolitik das Projekt unterstützte. Auch mit dem Verweis, dort würden ja Sozialwohnungen entstehen. Walter hatte indes die baulichen Dimensionen des geplanten, siebengeschossigen Wohn-und Geschäftshauses kritisiert und eigene, kleinere Vorschläge für die Bebauung der Bergspitze vorgelegt. Auf dem Areal steht bisher ein zweigeschossiger Schlichtbau aus den 70er-Jahren: das Billigkaufhaus Preisoase, das abgerissen werden soll.

Das Veto von Hamburgs oberstem Stadtplaner stoppte zunächst Bezirk und Investor. Doch in der zuständigen Senatskommission konnten sich die Bezirksinteressen dann doch durchsetzen – während der Oberbaudirektor im Urlaub weilte. Ein in der Branche viel beachteter Machtkampf zwischen Bezirkspolitik und Oberbaudirektor war damit entschieden. Hastig übermittelte daraufhin das Bezirksamt einen Bauvorbescheid, immerhin gab es zur Unterstützung des Projekts einen Dringlichkeitsantrag der Bezirksversammlung. Zeit für einen städtebaulichen Vertrag zum Bau von Sozialwohnungen blieb da offenbar nicht mehr.

Jetzt werden laut Bezirksamt etwa 66 frei finanzierte Mietwohnungen gebaut, die in der Regel im Kern von Altona mittlerweile mit Kaltmieten von 11, 12 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. Eine Sozialwohnung in Hamburg kostet indes rund 6 Euro. Ganz zerknirscht zeigt sich Planungspolitiker Classen dennoch nicht. Vorrangiges Ziel sei vielmehr gewesen, das neue Geschäftszentrum rund um das künftige Ikea-Haus (Eröffnung im Sommer 2014) zu stärken – und das könne nun mit den zusätzlichen Geschäftsflächen an der Bergspitze zügig geschehen, sagt er.

Dass der Bezirk Altona den geforderten Sozialwohnungsanteil nicht realisieren kann, ist allerdings nicht zum ersten Mal geschehen. Auch um den geplanten Abriss von zwei Gründerzeithäusern und einem anschließenden Neubau an der Breiten Straße gibt es teils heftige Auseinandersetzungen zwischen Politik und Initiativen. Auch in diesem Streit hatte die Bezirkspolitik auf geplante Sozialwohnungen verwiesen. Die Senatsklausel gilt allerdings erst ab 20 Wohnungen. Als der Bezirk grünes Licht zum Abriss gegeben hatte, änderte der Investor kurzerhand seine Planungen. Nun wollte er nur noch 19 statt, wie ursprünglich vorgesehen, 21 Wohnungen. SPD-Politiker Classen stellt fest: „Da sind wir ausgetrickst worden.“