Ein Besuch in Hamburgs luxuriösester Seniorenresidenz mit Clubraum, Bibliothek, einer Bühne samt Saal, einer Kapelle, einem Wintergarten, einem Atelier, einem Restaurant und einem Schwimmbad.
Hamburg. Ein großes und helles Foyer mit Ledersesseln. Links lockt ein Friseurstudio, rechts bietet ein Laden alles vom Klopapier bis zum Champagner an und geradeaus am Empfang lächelt eine Dame, als wolle sie Werbung für Zahnpasta machen. Ein Hotel, möchte man meinen. Ist es aber nicht. Der Gast steht im Augustinum. Manche nennen es in einer Melange aus Neid, Bewunderung und Spott Klunkerbunker, manche nennen es makaber die größte Urne Hamburgs, manche nennen es Altenheim. In den Broschüren heißt es Seniorenresidenz – die wohl luxuriöseste in ganz Hamburg. So luxuriös, dass sogar Schauspielerin Nadja Tiller mit ihrem inzwischen gestorbenen Mann Walter Giller vom Luganer See hierher zog. Es gibt viele Bezeichnungen für das Gebäude mit der prägnanten Glaskuppel direkt an der Elbe. Aber für die Bewohner gibt es nur eine: Zuhause.
Wolfgang Kleinhempel sitzt im Clubraum im englischen Stil. Der 69-Jährige lebt seit Mai vergangenen Jahres im Augustinum. „Ich hatte schon immer einen Hang zu Hamburg“, sagt der Maschinenbauingenieur, der früher für eine Firma in Minden arbeitete. „Und warum sollte ich mir im Alter nicht meinen Lebenstraum erfüllen und an die Elbe ziehen?“ Bereits 1997 – vier Jahre nach der Eröffnung – setzte sich dieser Gedanke in Kleinhempels Kopf fest. Während eines Urlaubs in Cuxhaven machte er per Schiff einen Ausflug nach Hamburg und fuhr dabei auch am Augustinum vorbei. Das wäre was im Alter, dachte er sich. Kleinhempel hat nie geheiratet, hat keine Kinder. „Irgendwann waren alle um mich herum weggestorben“, sagt er. „Ich wollte nicht allein sein.“
Nun wohnt der Rentner in einem der insgesamt 141 Appartements der Seniorenresidenz. „Die Sonne lacht mich jeden morgen an“, sagt er bezogen auf seine Fensterfront in Richtung Osten. „Außerdem kann ich die Schiff sehen.“ Ja, der Ausblick, der Hafen, die Elbe – das ist schon besonders. „Kommen Sie früh in unser Haus, damit sie noch was davon haben“, hatte mal jemand zu Kleinhempel gesagt. „Das stimmt“, sagt er. Neben dem Clubraum bietet das Augustinum seinen Bewohnern im eine Bibliothek, eine Bühne samt Saal, eine Kapelle, einen Wintergarten und ein Atelier. Im Keller wartet ein auf 30 Grad temperiertes Schwimmbad. Für Kleinhempels sind das nette Randerscheinung, der Hauptgrund, warum er hier lebt, ist aber ein anderer: „Ich fühle mich hier geborgen. Ich bin versorgt und habe doch meine Freiheit.“
Mit dem Fahrstuhl geht es ein paar Stockwerke nach oben ins Appartement von Ehepaar Luschnat. 31 bis 101 Quadratmeter sind die Wohnung, die individuell eingerichtet werden können, groß. Martin, 78, und Josette Luschnat, 74, wohnen in einer mittlerer Größe. Ihr Lieblingsplatz ist der Esstisch vor der großen Fensterfront zum Elbhang hin. Hier frühstücken sie und spielen Scrabble. „Französisches Scrabble“, ergänzt Martin Luschnat. Er und seine Frau haben sich in der Mensa der Universität von Toulouse kennengelernt. Das Leben führte sie in viele Städte, 18 Jahre nach Hamburg und schließlich ins Augustinum. 55 Jahre sind sie schon verheiratet, haben drei Kinder, acht Enkel und zwei Urenkel. Luschnats müssen also keine Angst vom Alleinsein haben, aber sie wollen zu zweit für sich alt werden.
Sie haben selbst ihre Eltern bis zum Tod gepflegt. Eine harte Zeit. „Das wollten wir unseren Kindern nicht antun“, sagt Josette Luschnat. „Die haben ihre Familien und Sorgen. Da brauchen sie nicht auch noch unsere.“ Deshalb entschied sich das Paar für betreutes Wohnen. Bisher wuppen Luschnats ihr Leben noch allein. Nur ein Putzfrau hilft etwas. Sollte es ihnen mal schlechter gehen, können sie individuell Leitungen hinzubuchen. Das Ehepaar ist durch eine Dokumentation im Fernsehen auf das Haus aufmerksam geworden. Das wäre was, hat Josette Luschnat gleich gesagt. Das ist bestimmt zu teuer, hat ihr Mann geantwortet. Ab 2.041 Euro monatlich gibt es den Platz an der Elbe. Gut 5.000 Euro kostet das teuerste Appartement. Martin Luschnat – der Finanzminister, wie ihn seine Frau nennt – rechnete hin und her und kam zum dem Schluss, dass sie sich das Augustinum doch leisten können. Seit drei Jahren leben sie nun schon hier.
Es geht auf die Mittagszeit zu, also wieder rein in den Fahrstuhl und ab nach ganz oben, in die Elbwarte, das Restaurant in der großen Kuppel des Hauses. Hier wird den Bewohner jeden Tag ein Drei-Gäng-Menü serviert. Kleine Änderungswünsche sind möglich. Auch kann das Essen nach Wunsch püriert werden. Man ist eben doch in einem Haus in dem alte Menschen leben, auch wenn man das schnell vergisst.
Reri Grist-Thomson sitzt bereits an einem der Tische und streicht mit der rechten Hand über die Tischdecke. „Hier zu essen ist wirklich eine Freude“, sagt sie. Eine Bedienung kommt vorbei und begrüßt sie auf Englisch. Die 81-Jährige stammt aus Amerika und blickt auf eine internationale Karriere als Opernsängerin zurück. Im Ruhestand ist sie dennoch nicht, heute schult sie Nachwuchstalente. „Wir sind nicht passé“, sagt sie und ihr energischer Blick verleiht dem Gesagten Nachdruck. „Altsein ist nicht mehr dasselbe was es vor vielen Jahren war.“ Grist-Thomson geht mit dem Laptop genauso selbstverständlich um wie ihr Enkel. Der Kopf ist noch fit, nur der Körper funktioniert manchmal nicht mehr ganz so gut. Die Sängerin lebte bis vor gut zweieinhalb Jahren mit ihrem Mann in einem Haus in Othmarschen. „Aber dann ist mein lieber Mann zweimal von der Leiter gefallen und wir erkannten, dass es so nicht mehr geht.“ Also zog das Paar ins Augustinum. „Die Nähe zum Wasser bedeutet uns viel“, sagt Grist-Thomson. Nur eines vermisst sie manchmal: ihren Garten. Aber ein Mitbewohner hat ihr eine kleine Bank für ihr Fenster gebaut, wo sie nun Pflanze an Pflanze reiht.