Schauspieler wie Anna Loos und Ralf Bauer gingen hier zu Schule. Die Hamburger Stage School macht seit bald 30 Jahren den Nachwuchs fit für die Bühne. Doch nicht jeder hält durch.

Hamburg. Lisa Wehle hat einen Traum: „Die Hauptrolle im Musical „Elisabeth“ – das wäre meine absolute Traumrolle!“ Doch erst einmal steht die 18-Jährige vor dem Schauspiellehrer und soll sich spontan etwas zum Thema „Friedhof“ einfallen lassen. Das Stichwort hat ihr eine Mitschülerin vorgegeben. „Klar, lasst uns was aus dem Leben nehmen“, sagt der Dozent gerade noch lachend – wenige Sekunden später fällt Lisa auf die Knie und schreit „Mein Kind, mein Kind!“

Das eben noch strahlende blonde Mädchen verwandelt sich in eine Mutter, die am Grab ihres Kindes verzweifelt zusammenbricht. Dafür bekommt sie Applaus, aber auch Tipps – vom Lehrer ebenso wie von all den anderen, die vor ihr im Raum sitzen. Sie alle starten an diesem Montag an der Hamburger Stage School, Deutschlands renommiertester Privatschule dieser Art, in neuen Räumen ins neue Schuljahr.

In Altona hat die 1985 gegründete staatlich anerkannte Musicalschule ihr Quartier jetzt bezogen: 27 Unterrichtsräume auf drei Etagen, 4000 Quadratmeter – und alles unter einem Dach. „Endlich“, sagte Geschäftsführer Thomas Gehle, „denn bisher waren unsere Schüler Tag für Tag mit dem Koffer unterwegs“. In einem schmalen Hinterhofgebäude in der Hamburger Innenstadt war die Schule untergebracht, die Räume für den Unterricht verteilt auf Häuser an unterschiedlichen Orten. Als Talentschmiede hatte sie dennoch schon sehr schnell funktioniert: Binnen weniger Jahre etablierte sie sich unter der Leitung amerikanischer Profis in der in Deutschland aufblühenden Musicalszene als Nachwuchspool. Schauspieler wie Anna Loos, Ralf Bauer, Susan Sideropoulos und Ex-No-Angel Lucy Diakovska gehören zu den Absolventen.

Gesang, Schauspiel und Tanz – das ist an der Stage School für jeden Pflicht. So müssen auch alle Neulinge, die vor dem Start eine Woche lang in Leistungsstufen eingeteilt werden, den Anweisungen des Jazz-Dance-Lehrers folgen. „Ihr seid Puppen“, ruft er ihnen zu, „die Fäden gehen durch die Wirbelsäule und sind an Ellenbogen und Knien befestigt.“ Manchen gelingt das mühelos, anderen rinnt der Schweiß.

Auch vor der Ballettlehrerin sind alle gleich: „Wir schließen in der fünften Position“, fordert sie zu Klavierklängen – und der Geschäftsführer erinnert sich: „Ich habe das mal 15 Minuten lang mitgemacht, danach war ich alle.“ Doch er ist überzeugt: „Egal, was man später macht, hier lernt man fürs Leben.“ Zum Beispiel wie man Stimme und Körper einsetze und vor anderen auftrete.

Auch wenn es in Deutschland längst auch andere Musical-Schulen gibt: „Der Markt für unsere Absolventen ist da“, meint Gehle. So arbeite er etwa mit dem in Hamburg sitzenden Musical-Marktführer Stage Entertainment zusammen. „Von unseren 34 Absolventen, die in diesem Jahr bestanden haben, standen bei der Abschlussshow im Juni zum Beispiel nur 26 auf der Bühne, weil die anderen bereits feste Engagements hatten“, berichtet er. 34 Absolventen nach drei Jahren – Lisa Wehle startet mit 107 anderen Erstsemestern. „Manche gehen, weil sie schon während der Ausbildung Angebote haben“, erzählt Gehle, „andere hören aus privaten oder finanziellen Gründen ganz damit auf oder entscheiden sich für einen ganz anderen Lebensweg, weil sie der Härte des Showbusiness nicht gewachsen sind.“

Nach dem „harten Auswahlverfahren“, wie die Macher betonen, dauert die Ausbildung drei Jahre. 6960 Euro Vorauszahlung sind pro Schuljahr fällig, weitere jährlich 2400 Euro können in Raten gezahlt werden. Früher siebte die Schule nach jedem Jahr aus und schickte Schüler nach Hause, heute kann jeder bleiben – und zahlt somit auch weiter das Schulgeld. „Abzocke“-Vorwürfen entgegnet Gehle: „Jeder Schüler bekommt nach den Zwischenprüfungen eine schriftliche Empfehlung, ob er weitermachen sollte oder nicht. Und fast alle, denen wir abraten, bleiben trotzdem.“

Als die Schule ein Programm für „Young Talents“ ab 13 startete, wurde das als Geschäft mit den Träumen von Jugendlichen kritisiert – 135 Euro im Monat kosten die wöchentlichen Sonnabendkurse. Das Programm läuft jetzt seit einigen Jahren. Mit Workshops sucht man außerdem bundesweit nach Nachwuchs.

Über einen Workshop in Karlsruhe kam auch Lisa Wehle. „Ich habe mir das mein ganzes Leben lang gewünscht“, erzählt sie. Schultheater, Tanzfestivals, Filmaufnahmen habe sie absolviert und freue sich auf die neue Herausforderung. „Hier wird viel verlangt, aber es ist total cool“, sagt sie nach den ersten Tagen in Hamburg.

Noch ist die junge Frau aus Baden-Baden entschlossen, nebenher Geld dazu zu verdienen, auch wenn der Geschäftsführer meint: „Die Ausbildung ist so zeitaufwendig und hart, dass es mit Fortschreiten der Ausbildung zunehmend schwieriger wird, viel nebenbei zu arbeiten. Glücklicherweise sind wir staatlich anerkannt, und viele unserer Schüler werden mit Bafög unterstützt.“ Angst, später als Schauspielerin ohne Rolle zu bleiben, hat Lisa nicht: „Ich denke, wenn man das unbedingt will, kann man etwas erreichen.“