Hamburger Unternehmen hat eine neue Geschäftsidee. Künftig vermittelt das Unternehmen auch Kurierdienste. Ein Pilotprojekt mit Mediamarkt-Filialen läuft bereits.
Hamburg. Das digitale Taxivermittlungssystem mytaxi eröffnet sich ein neues Geschäftsfeld: Das Unternehmen mit Sitz am Altonaer Elbufer steigt in die Kurierdienste ein. Künftig können sich Kunden ihre bestellten Produkte per Taxi nach Hause liefern lassen. Mit einem großen Unterschied zu den herkömmlichen Zustelldiensten: Die Lieferung erfolgt nicht irgendwann im Laufe des Tages, sondern innerhalb einer Stunde auf den Wunschtermin.
Derzeit läuft ein Pilotprojekt mit zwei Media-Märkten in Altona und am Nedderfeld. Deren Kunden können sich ihre Bestellungen von einem Taxi innerhalb einer Stunde nach Hause liefern lassen. Die Kosten für die Lieferung teilen sich die Märkte und die Kunden. „Unsere Erfahrungen sind absolut positiv, der Bedarf ist groß“, sagte mytaxi-Gründer Sven Külper. „Bis Ende des Jahres wollen wir das Angebot auf alle unsere Standorte ausweiten.“
Das 2009 gegründete Unternehmen ist derzeit an zwölf Standorten in sechs Ländern vertreten. Kernprodukt von mytaxi ist eine App für Handys, mit der Kunden sich ein Taxi unter Umgehung der Funkzentralen direkt bestellen können. Die App übermittelt den Fahrern den Standort des Fahrgastes, sodass sie wissen, wo sie hinkommen müssen. Das Warten in einer Telefon-Hotline der Zentrale entfällt. Vorteil für die Taxifahrer ist, dass sie keine teuren Funkgeräte mehr brauchen, sondern auch das Handy nutzen. Außerdem zahlen sie eine geringere Provision als an die Taxizentralen. mytaxi nimmt für jede vermittelte Tour 79 Cent in Deutschland, in Spanien sind es 99 Cent. Inzwischen ist jedes dritte Taxi in Deutschland bei mytaxi angeschlossen.
Und das Unternehmen ist weiter auf Expansionskurs – vor allem in den USA: Neben Polen, Schweiz, Österreich und Spanien funktioniert die App bislang auch in Washington. Zwar laufen noch nicht alle Standorte des Unternehmens profitabel, wie Külper einräumte. Mit frischem Geld, das die Hauptfinanziers des Hamburger Start-ups – Car2Go von Daimler, die Telekom und die KFW-Bank – nachgeschossen haben, sollen aber bis zum Jahresende auch Miami, Seattle un+d Denver an die Taxi-App angeschlossen werden.
Zusätzliche Einnahmen erhoffen sich Külper und sein Kompagnon Niclaus Mewes aus dem Kurierdienst: „Unser Angebot ist für jeden Händler mit dezentraler Lagerstruktur interessant. Damit wird er für die großen Händler wie Amazon und Zalando zur Konkurrenz“, sagt Külper. Während jene nämlich in der Regel mehrere Tage für die Auslieferung brauchen, garantiert mytaxi die Lieferung am selben Tag. Ob Elektronikanbieter, Warenhäuser oder sogar Lebensmittelhändler: Für alle Hamburger Einzelhändler, die den Druck durch die großen Online-Lieferdienste spüren, handele es sich um eine lohnende Alternative. „Mit 15.000 angeschlossenen Fahrzeugen bieten wir ein dichtes Netzwerk, das kein Kurierdienst bieten kann“, so Külper. Auch für die Taxifahrer handele es sich um ein lohnendes Zusatzgeschäft. Sie erhalten zwar deutlich weniger Geld für eine Kurierfahrt als für einen Fahrgasttransport – der Lastkilometer kostet in Hamburg 1,20 Euro, der Fahrgastkilometer je nach Entfernung zwischen 1,40 und zwei Euro. „Da die Taxifahrer aber 70 Prozent ihrer Dienstzeit stehen und auf Aufträge warten, können sie sich mit den Kurierfahrten etwas hinzuverdienen, sagt Külper. Auch bei Kurierfahrten gehen 79 Cent von jeder über die App vermittelten Tour an mytaxi.
Külper und Mewes investieren damit in einen Wachstumsmarkt. 43,3 Millionen Deutsche haben schon einmal über Online-Shops Ware eingekauft. Der Umsatz im Internetgeschäft liegt bei 40 Milliarden Euro. Der Ebay-Studie „Zukunft des Handels“ zufolge würde eine Lieferung noch am selben Tag anstatt innerhalb weniger Tage knapp die Hälfte der Verbraucher dazu anregen, häufiger online oder mobil zu bestellen.
Das neue Geschäftsmodell der Hamburger trifft aber nicht nur auf Begeisterung: Dass Taxis zu Briefkastenleerungen und für Arzneimittellieferungen eingesetzt werden, sei bekannt, sagt Manfred Lein vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdEK). Wenn mytaxi jetzt aber in die Kurierdienste einsteige, werde das vom Verband nicht so gern gesehen. „Das ist natürlich zusätzliche Konkurrenz für unsere Mitglieder“, so Lein. Andererseits könne es aber auch ein Weckruf für diese sein, noch schneller und agiler zu reagieren und auch die Privatkundenbelieferung ins Auge zu fassen. „90 Prozent der Kurierdienste liefern nämlich nur von Firma zu Firma, und das zu festen Terminen.“ Innerhalb von ein, zwei Stunden aber private Kunden zu bedienen, das stecke noch in den Kinderschuhen. „Der Bedarf wächst aber stark“, sagt der Verbandsexperte. Zumal viele stationäre Händler durch die Online-Konkurrenz inzwischen so sehr unter Druck geraten seien, dass sie bereit sind, die Kosten für die Kurierfahrt selbst zu bezahlen, um ihre Kunden zu halten.
Selbst für die Bezahlung hat mytaxi ein neues System entwickelt, das mytaxi payment. Dieses ermöglicht einen direkten Abrechnungsprozess von Smartphone zu Smartphone im Taxi. Die Registrierung verläuft auch über die App: Dort hinterlegt der Fahrgast einmalig die Zahlungsart seiner Wahl und kann ab sofort ohne Zusatzkosten bezahlen. Auch für Trinkgeld wird kein Bargeld mehr benötigt, da der Fahrgast den Betrag über die App festlegen kann.