Das Wohnungsunternehmen Saga wollte das historische Ensemble abreißen. Nach Protesten schaltete der Bezirk Altona einen Gutachter ein. Das Ergebnis: Die Bürger hatten Recht.
Hamburg. Die historischen Elbtreppenhäuser in Neumühlen gelten als der letzte Rest der einst sehr kleinteiligen Bebauung an der Elbe; Arbeiter, Seeleute wohnten dort einmal. Noch um 1904 war der „Heuberg“ eine Art Dorf aus lauter verschachtelten Häuschen. Für den vollständigen Erhalt des letzten Restes dieser gut 140 Jahre alten Gebäude engagiert sich seit mehr als zehn Jahren schon eine Anwohnerinitiative und konnte mit einem sogar bundesweit beachteten Bürgerbegehren einen Teil bereits retten. Im Streit um den vorderen Teil am heute so exklusiven Elbufer hat ein vom Bezirk Altona beauftragter Gutachter nun den Bürgern im Wesentlichen recht gegeben. Der Bausachverständige Gerhard Bolten sollte die beiden Häuser 5 und 15 c untersuchen. Jene Gebäude des Ensembles, für die die städtische Wohnungsgesellschaft Saga GWG vor einem Jahr überraschend doch wieder Abriss- und Neubaupläne mit weißen Flachdachbauten präsentiert hatte. Statische Probleme in der Hanglage, teure Sanierungskosten, ein Neubau sei viel günstiger – so lauteten in etwa die Argumente der Saga, der das Ensemble aus sechs einzelnen Gebäuden seit 1997 gehört.
Doch der Gutachter kommt nach eingehender Untersuchung von Bodenbeschaffenheit, Fundamenten und Bausubstanz zu einem ganz anderen Ergebnis: Der Kernsatz dazu findet sich auf Seite 34 des Gutachten-Vorabzugs, der dem Abendblatt vorliegt: „Wesentlich ist jedoch im Gesamtzusammenhang dieses Gutachtens, dass die Sanierungskosten im Schnitt fast 300 Euro pro Quadratmeter niedriger liegen als Neubauvorhaben.“ So würde laut Gutachten ein Abriss und Neubau der beiden Häuser, in der früher die legendäre Musikkneipe „Zwiebel“ zu Hause war, rund 534.000 Euro nach heutigem Stand kosten. Die Sanierung und Modernisierung der beiden Häuser würde hingegen 285.000 kosten. Auch zu den Argumenten der Saga, die selbst im Laufe der langjährigen Auseinandersetzung viele Gutachten in Auftrag gegeben hatte, findet sich ein aufschlussreicher Satz: „Rückblickend ist unglücklich, dass Saga GWG anfangs nur Teilaspekte untersuchen ließ“, schreibt der Gutachter, der auch Experten für Statik und Bodenmechanik für seine Expertise herangezogen hat.
In der Bezirkspolitik stößt das Vorabergebnis jetzt zunächst auf Genugtuung, hinter vorgehaltener Hand spricht man auch von „einer Klatsche für die Saga“. Denn nachdem für das Bürgerbegehren 2010 mehr als 11.000 Unterstützer-Unterschriften zusammengekommen waren und auch etliche Prominente wie der Schauspieler Peter Lohmeyer das Ansinnen unterstützt hatten, hatte die Bezirksversammlung Altona die Forderungen zum Erhalt übernommen. Ursprünglich plante die Saga sogar einen Totalabriss, lenkte dann aber ein – nicht ohne Hinweise auf eine angeblich sehr teure Sanierung. Ein Hinweis, der nicht ohne Grund immer erfolgt. Seit dem Jahr 2000 gilt für das Gebiet ein Bebauungsplan, der für die alten Elbtreppenhäuser mitten an der durch Büro- und Glasfassaden geprägten „Perlenkette“ am Elbufer einen besonderen Schutz vorsieht. Ein Abriss wäre dort nur möglich, wenn man nachweisen kann, dass die Sanierungskosten unverhältnismäßig hoch würden.
Vor einem Jahr überraschte das städtische Unternehmen dennoch mit einem neuen Vorstoß: Zwar sollen die anderen Gebäude nun saniert und modernisiert werden, die Häuser 5 und 15c könnten aber in „gleicher Kubatur“ besser neu gebaut werden, hieß es da. Die letzten Mieter waren da im Vertrauen auf eine Komplettsanierung längst in vorläufige Ersatzwohnungen gezogen. Nach Protesten von Politikern und der Initiative kam es dann zu einem runden Tisch: Ergebnis der Verhandlungsrunde war der Auftrag für ein umfassendes Gutachten – dessen Entwurf nun seit wenigen Tagen vorliegt. „Wie schön, dass es noch unabhängige Gutachter gibt“, sagt der Altonaer SPD-Bauexperte Mark Classen. Politisches Ziel sei immer gewesen, das gesamte Ensemble zu erhalten. „Umso erfreulicher ist es, dass das nun auch noch die wirtschaftlichste Lösung ist.“
Auch Karsten Schnoor fühlt sich bestätigt, er ist Sprecher der Elbtreppenhäuser-Initiative und wohnte bis vor einem Jahr selbst noch dort. „Das Gutachten widerlegt die Saga-Argumente komplett“, sagt er. Jetzt müsse man hoffen, dass die sanierten Wohnungen möglichst als geförderter Wohnraum angeboten werden können.
Die Saga selbst wollte sich noch nicht zu Details des Gutachtens äußern. Noch liege erst der Entwurf vor, und man müsse die Ergebnisse noch eingehend bewerten, so eine Sprecherin. Doch noch mehr Abrisspläne für andere Gebäude hat das Unternehmen offensichtlich nicht. Mit den ersten Bauarbeiten für eine Modernisierung der ersten Gebäude an den Elbtreppen soll noch im Juli begonnen werden.
Darauf setzen auch viele ehemalige Mieter, die teils mithilfe der Saga andere Wohnungen bekommen hatten. Rund zehn wollen auf jeden Fall wieder zurück, sagt Schnorr.