Altona-Nord. Das Jugendamt hatte schon im Sommer eine Kindeswohlgefährdung befürchtet. Trotzdem durfte der Junge im Herbst zurück zu seiner Mutter.


Die traurige Nachricht hatte sich binnen weniger Stunden verbreitet: Der kleine Tayler ist tot. Am Sonntag stellten Nachbarn Kerzen und Blumen vor den Eingang des Mehrfamilienhauses in Altona. „Ruhe in Frieden, kleiner Engel. R.I.P. Tayler“, steht auf einem Schild.

Tayler wurde nur 13 Monate alt. Er starb am Sonnabend um 19.45 Uhr im UKE. „Der Tod des kleinen Tayler erschüttert meine Behörde und mich persönlich. Wir nehmen Anteil an seinem Tod und sind tief betrübt“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD).

Ein Plüschtier und Kerzen am Wohnhaus der Mutter sollen an den kleinen Taylor erinnern.
Ein Plüschtier und Kerzen am Wohnhaus der Mutter sollen an den kleinen Taylor erinnern. © HA | Klaus Bodig

Taylers Mutter, die 22 Jahre alte Jacqueline B., und ihr Freund, Michael Q., 26, stehen im Verdacht, für den Tod des Jungen verantwortlich zu sein. Einer von ihnen soll Tayler geschüttelt und damit die Hirnblutungen verursacht haben. Woran genau das Kind starb und welche Verletzungen es hatte, soll eine Obduktion zeigen, die am Sonntagabend erfolgte. Weil die Hintergründe bislang unklar sind, wird laut Staatsanwalt Carsten Rinio nicht wegen eines konkreten Straftatbestands ermittelt, sondern übergreifend wegen „des Todes des kleinen Tayler“.

Die Mutter bekam ihr erstes Kind mit 17

Die Wohnung in Altona haben Jacqueline B. und Michael Q. inzwischen verlassen, das Namensschild an der Klingel wurde entfernt.

Jacqueline B. war 17 Jahre alt, als sie ihren ersten Sohn zur Welt brachte. Weil sie minderjährig war, kam sie bereits zu diesem Zeitpunkt in Kontakt mit dem Jugendamt. Mit dem inzwischen Sechsjährigen und später auch dem kleinen Tayler wohnte Jacqueline B. seit einigen Jahren in der Wohnung im dritten Stock in einer ruhigen Gegend in Altona-Nord. In dem gepflegten Treppenhaus stehen vor vielen Wohnungen Kinderschuhe, an den Türen hängen Weihnachtsbilder.

Unter den Bewohnern sind die Meinungen über die 22-Jährige geteilt: Während eine Nachbarin von viel Geschrei in Jacqueline B.s Wohnung berichtet, verteidigt ein anderer Nachbar sie. Nach Darstellung des Mannes sei die 22-Jährige zum Tatzeitpunkt einkaufen gewesen, Michael Q. habe sich allein mit Tayler in der Wohnung aufgehalten.

Jacqueline B. gab sich offenbar Mühe mit ihren Kindern: Sie brachte den Älteren jeden Morgen in die Vorschule, ging mit beiden Jungen schwimmen und in den Park. Das Verhältnis zum Vater war jedoch schwierig. Schließlich trennte sich das Paar, Jacqueline B. äußerte sich bei Facebook wütend über die angebliche Unzuverlässigkeit ihres ehemaligen Partners. Ob er auch der Vater von Tayler ist, ist unbekannt. Kurzzeitig kümmerte sich die junge Frau allein um ihre Kinder. Unterstützung erhielt sie von ihrer Mutter, die in Schleswig-Holstein lebt.

Im Frühling dieses Jahres lernte Jacqueline B. einen neuen Mann kennen: Michael Q. Der 26-Jährige, der in Schenefeld lebt, ging bald in der Wohnung seiner neuen Freundin ein und aus, übernachtete auch dort. Michael Q. hat selbst zwei Kinder mit einer früheren Partnerin. Den Jungen und das Mädchen im Grundschulalter brachte er manchmal mit nach Altona.

Michael Q. ist oft in Hamburg, früher besuchte er die Gesamtschule Bahrenfeld, seit Jahren spielt er Football bei dem Club Hamburg Heat. Er arbeitet als Maler, zuletzt wohl in einem Betrieb in Schenefeld. Das Arbeitsverhältnis scheint jedoch nur kurze Zeit gehalten zu haben, was Michael Q. seit Beginn des Jahres macht, ist unklar. Jacqueline B. ist arbeitslos.

Es gab damals keinen eindeutigen Beweis, dass Tayler misshandelt wurde

Seit dem Sommer war das Paar häufig zusammen in Altona. Jacqueline B. bekundet auf Facebook ihre Liebe zu Michael Q. Im August wurde die Situation um Tayler zum ersten Mal auffällig: Der Junge kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Weil die Behörden schon damals eine Kindeswohlgefährdung befürchteten, wurden Tayler und sein Bruder vorübergehend von einer Pflegefamilie betreut.

Jacqueline B. aber wollte ihre Kinder zurückhaben. Im Oktober entschied das Jugendamt: Die Söhne kommen zurück zur Mutter. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass Taylers Verletzungen auf eine Misshandlung zurückzuführen sind. Es hätte sich demnach auch um einen Unfall handeln können. Ein weiterer Grund für die Rückführung: Die Mutter zeigte sich kooperationsbereit. Sie akzeptierte die Auflage, die Hilfe von einer Sozialpädagogin in Anspruch zu nehmen.

Sozialsenatorin Melanie Leonhard ist erschüttert
Sozialsenatorin Melanie Leonhard ist erschüttert © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Die Mitarbeiterin soll die Familie zwei- bis dreimal in der Woche besucht haben. Die Mutter sei zuvor intensiv von den Jugendamtsmitarbeitern befragt worden. Allerdings soll ihr Lebensgefährte dabei für das Jugendamt nur am Rande eine Rolle gespielt haben. Für die Beteiligten an der Rückführungsentscheidung habe es keine Zweifel daran gegeben, dass Tayler bei der Mutter gut aufgehoben sei.

Am 12. Dezember dann die Eskalation: Ein Rettungswagen bringt Tayler ins Krankenhaus, er muss beatmet werden, wird notoperiert. Jacqueline B. entfernt sich aus dem UKE. Später trifft die Polizei sie in ihrer Wohnung an und befragt sie und Michael Q.

Nach Abendblatt-Informationen beschuldigen sich die Mutter und ihr Lebensgefährte gegenseitig. Jacqueline B. soll sich bei Nachbarn ein Schloss geliehen haben, um das an ihrer Wohnungstür auszutauschen. Auf Facebook sind Jacqueline B. und Michael Q. nicht mehr befreundet, am Wochenende löscht Jacqueline B. zudem ihr Profil.

Eine Freundin begleitete die 22-Jährige, als sie in der vergangenen Woche ins UKE kam, um Tayler noch einmal zu sehen – kurz bevor er starb.