Brahmsee. Eine 7,5-Hektar-Fläche am Brahmsee bleibt sich selbst überlassen. Führungen und Lesungen anlässlich 100. Geburtstag von Loki Schmidt.

Axel Jahn kann sich noch gut an einen Briefwechsel mit dem Altkanzler kurz nach Loki Schmidts Tod erinnern. „Ich hatte ihn damals angeschrieben, um zu erfahren, ob es bereits Pläne gäbe, wie mit der Fläche am Brahmsee, dem sogenannten Urwald, weiter verfahren werden solle“, erzählt der 56-Jährige, der seit 2010 Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung ist.

Loki Schmidt hatte schon zu Lebzeiten verfügt, dass auf dieser Fläche – direkt angrenzend an das Seegrundstück der Familie und immerhin gut siebeneinhalb Hektar groß – sich die Natur nach Lust und Laune ausbreiten dürfe. Die Antwort von Schmidt sei damals zurückhaltend gewesen im Sinne von, „weiß ich nicht, wenden Sie sich doch bitte in dieser Sache an meine Tochter Susanne“. Es dauerte dann zwar eine Weile, umso schöner war aber die Nachricht: Die Wirtschaftsjournalistin ließ wissen, dass sie die Fläche der Stiftung schenken wolle.

Die Lebenslinie von Helmut Schmidt

 

* 23. Dezember 1918

1918

23.12. Helmut Heinrich Waldemar Schmidt wird in Hamburg als Sohn des Studienrats Gustav Schmidt und seiner Gattin Ludovica im Krankenhaus an der Finkenau geboren.

1925

Helmut Schmidt kommt in die Volksschule an der Wallstraße.

1933

Helmut Schmidt erfährt, dass sein leiblicher Vater Halbjude ist – behält dieses Wissen aber bis 1984 für sich.

1936

Schmidt fliegt aus der Hitlerjugend, weil er den Wunsch nach Freiheit an eine Wand malt.

1937

März Abitur an der Lichtwarkschule in Winterhude; Wehrdienst in Bremen-Vegesack

1939

Feldwebel der Reserve zur Luftverteidigung Bremens

1940

Leutnant der Reserve

1941

Offizier an der Ostfront mit Belagerung Leningrads

1942

27. Juni. Helmut Schmidt heiratet Hannelore („Loki“) Glaser (1919–2010). Die kirchliche Trauung findet am 1. Juli 1942 in der St.­-Cosmae­-und­-Damiani-Kirche zu Hambergen statt.

1944

26. Juni. In Bernau wird Sohn Helmut Walter geboren. Er stirbt dort am 19. Februar. 1945 Zuschauer der Schauprozesse gegen die Widerständler des 20. Juli.Helmut Schmidt wird von wohlmeinenden Offizieren an die Westfront versetzt, um ihn vor Ermittlungen wegen Wehrkraftzersetzung zu schützen.

1945

April bis August Kriegsgefangenschaft.Schmidt wird SPD­-Mitglied.Schmidt beginnt sein Studium der Volkswirtschaftslehre sowie Staatswissenschaft.

1947

Helmut Schmidt wird Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS).8. Mai. Tochter Susanne wird geboren.

1949

Karl Schiller holt Schmidt in die Behörde für Wirtschaft und Verkehr.

1952

Leiter des Amtes für Verkehr

1953-1962

Mitglied des Deutschen Bundestages

1958

März. Helmut Schmidt wird nach Gründung der Bundeswehr zum Hauptmann d. R. befördert. Im Oktober/November 1958 nimmt er an einer Wehrübung in der „Iserbrook­Kaserne“ teil; noch während der Übung wird er mit der Begründung, er sei ein Militarist, kurzfristig aus dem Vorstand der SPD­Bundestagsfraktion abgewählt.

1961

13.12. Senator der Polizeibehörde (später Innensenator)

1965

erneut Mitglied des Deutschen Bundestages (bis 1982)

1966

Kampfabstimmung um den SPD-Landesvorsitz: Schmidt unterliegt Paul Nevermann mit 139 zu 176 Stimmen.

1967

Vorsitzender der SPD-­Bundestagsfraktion (bis 1969)

1968

vierwöchige Reise mit der Familie durch Osteuropa

1972

7. 7. Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen als Nachfolger von Karl Schiller; nach der Bundestagswahl nur Finanzminister

1974

16. Mai. Wahl zum Bundeskanzler

1975

Zusammen mit Giscard d’Estaing ruft Schmidt den Weltwirtschaftsgipfel ins Leben.

1978

6. Mai. Staatsbesuch in Langenhorn: Leonid Breschnew besucht Schmidt zu Hause.

1981

13. Oktober. Helmut Schmidt wird ein Herzschrittmacher eingesetzt. Zuvor musste er zweimal wiederbelebt werden.

1982

1.10. Helmut Kohl wird Nachfolger von Helmut Schmidt.

1983

Schmidt wird Hamburger Ehrenbürger.Schmidt wird Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“.

1993

Helmut Schmidt ist Mitbegründer der Deutschen Nationalstiftung.Die Helmut und Loki Schmidt Stiftung wird gegründet.

2009

Januar. In Hamburg feiern 400 Ehrengäste den 90. Geburtstag des Staatsmanns – darunter Valéry Giscard d’Estaing, Henry Kissinger und Richard von Weizsäcker.12. Oktober. Loki Schmidt wird Ehrenbürgerin.

2010

21. Oktober. Loki Schmidt stirbt.

2011

Helmut Schmidt tritt im Bürgerschaftswahlkampf für Olaf Scholz auf.

 

† 10. November 2015

1/34

„Ich bin immer noch sehr stolz, dass sie uns den Urwald an die Hand gegeben hat“, sagt Jahn. Er passe perfekt zu jenen 30 Flächen, die die Stiftung deutschlandweit auch betreue. „Und auch dort liegt uns sowohl der Artenschutz als auch die Umweltbildung sehr am Herzen“, sagt der Naturkundler. „Wir wollen die Natur erlebbar machen. Gerade auch für Kinder“, sagt Jahn und verweist in dem Zusammenhang auf die Informationszentren in Boberg und der Fischbeker Heide.

Rührung über Dorngrasmücke

Ein Wunsch, den auch Loki Schmidt immer verfolgt habe. „Ich weiß von einem Exkursionsbuch, einem schmalen Schulheft, das offenbar auch von Tochter Susanne geführt worden ist“, erzählt Jahn. In dem sei fein säuberlich hinterlegt, dass sie offenbar eine Dorngrasmücke bei einem Spaziergang am Brahmsee entdeckt habe – ein Anflug von Rührung kann der Geschäftsführer bei dieser Erinnerung nicht verbergen.

Trotzdem, das ist ihm wichtig: „Wir sind keine Gedächtsnisstiftung. Wir beziehen uns bei unserem Tun aber immer gern auf Lokis Haltung und fragen uns: Wie hätte sie es gemacht, wie hätte sie es gewollt?“ Genau deswegen achte die Stiftung darauf, dass die Fläche am Brahmsee eine Wildnis bleibe, in der der Mensch „gern mit Demut und Liebe“ der Natur beim Wachsen zuschaue. Ein Wunsch, den Loki Schmidt selbst zu Lebzeiten an Besucher des Waldes mithilfe eines Schildes am Eingang des schmalen Pfades übermittelte. „Und dies wird von den Menschen, soweit wir dies wissen, auch beachtet“, sagt Jahn.

Führungen durch Urwald auf Nachfrage

Er selbst bietet Führungen durch den Urwald an – „mittlerweile aber mehr auf Nachfrage“. Die Erfahrung zeige, dass Spaziergänge ein bis zwei Stunden dauerten. „Der Blick für Einzelheiten muss erst einmal geschult werden. Es ist eine Fläche, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt“, sagt der Naturkundler.

Was dort vor allem wachse? „Buchen und Birken.“ Nicht aber die Traubenkirsche, die sich dort plötzlich angesiedelt hatte. „Das hatte schon manchen Kritiker auf den Plan gerufen, der die Verdrängung heimischer Arten befürchtete“, erzählt Jahn. Die Sorge sei völlig unbegründet gewesen. „Das hat die Natur ganz allein geregelt.“ Ein gutes Beispiel dafür, dass die Menschen manchmal auch auf die Selbstregulierungskräfte der Natur vertrauen könnten.

Wer sich auf den Weg machen will, um sich von allem selbst ein Bild zu machen, dem gibt er zum Abschluss noch diesen Tipp: „Unbedingt anschließend Europas größtes Zentrum für seltene Nutztierrassen besuchen. Der Tierpark Arche Warder liegt ganz in der Nähe, und dort kann man auch gut essen!“ (www.arche-warder.de und www.loki-schmidt-stiftung.de/stiftung/)

Loki Schmidt würde am 3. März 2019 ihren 100. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass finden nicht nur zahlreiche Veranstaltungen, Lesungen und Führungen statt, sondern auch ein Schulgartenwettbewerb. Dazu mehr unter www.bluehendeschulen.hamburg