Was haben Fische schwingende Finnen mit König Artus und seiner Tafelrunde zu tun? Nichts natürlich. Aber schon im ersten Lied des völlig verrückten, ziemlich durchgeknallten, schrägen und rauschhaften Musicals „Spamalot“ hauen sich wüst-folkloristisch gekleidete Sänger tanzend Fische um die Ohren. „Spamalot“, erinnert das nicht vage an den Hof des mythischen britischen Königs Artus, Camelot? Frei übersetzt heißt es allerdings „eine Menge Müll“. Typisch britischer Humor eben. Fische und Finnen, das ist alles nur ein Missverständnis. Zu Beginn des anarchisch-komischen Rüpel-Ritter-Spektakels wird vom England des Jahres 932 erzählt, als plötzlich, inmitten einer Schneelandschaft, der „Fisch-Schlapping-Song“ losbricht, ein Ohrfeigen-Tanz unter Zuhilfenahme veritabler Fische. Die Kollegen hatten statt England Finnland verstanden. Und wenig später, als Artus’ Muse, die Fee aus dem See, Sir Galahad singend bittet: „Komm mit mir“, jubelt er lauthals: „Ich kann ihr Zäpfchen sehen.“ So bricht man jede Romantik. Zu diesem Zeitpunkt biegt sich das Publikum aber auch bereits vor Lachen.
„Spamalot“, die Musical-Komödie, die vom 3. August bis zum 14. September als Gastspiel aus Zürich im St. Pauli Theater zu sehen ist, wird gerne und zu Recht als „das schrägste Musical der Welt“ bezeichnet – denn hier vermischt man alles, was nicht zusammengehört, und macht sich auch noch über das eigene Genre lustig. Das Musical feierte vor knapp zehn Jahren am Broadway seine umjubelte Premiere. Immerhin führte Mike Nichols Regie, jener Mann, der uns so wunderbare Filme wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, „Die Reifeprüfung“ oder „Der Krieg des Charlie Wilson“ geschenkt hat und der wirklich mehr als ein Händchen für Komik besitzt. Tim Curry, berühmt als Frank N. Furter aus der „Rocky Horror Picture Show“, spielte in den ersten Monaten den Artus. Bis Simon Russell Beale die Rolle übernahm, Englands berühmtester lebender Shakespeare-Darsteller. Beale scheint Interesse am entfesselten Irrsinn zu haben, auch wenn er ihn mal nicht in der Rolle des König Lear darstellen kann. Ja, die Briten wissen: Wenn man irgendwo Spaß haben kann, sollte man zusehen, dass man dabei ist. Das Musical feiert inzwischen auch andernorts auf der Welt Erfolge.
Die Handlung ist schnell erzählt: Artus, der König der Briten, macht sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral, muss aber erst noch die Ritter finden, die ihn begleiten. Auch ein Pferd haben er und sein Diener Patsy nicht. Patsy macht deshalb Hufgeklapper mit Kokosnüssen (der Film, an den sich das Spektakel anlehnt, ist Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“), und wenn er mit Artus geht, erinnern die beiden leicht an einen Zentaur: vorn aufrecht der König, hinten gekrümmt der Diener. Schließlich schafft Artus es, einige ganz besondere Männer zu verpflichten: den überaus kampfesmutigen Sir Lancelot, den nicht ganz so mutigen Sir Robin (der Tanz und Gesang dem Kampf deutlich vorzieht), den leicht flatulenten Sir Bedevere und zuletzt den gut aussehenden Dennis, aus dem Sir Galahad wird. Die erfrischend anarchische Truppe erinnert irgendwie an die Marx Brothers, die ja auch stets zu blühendem Blödsinn aufgelegt waren. Bunt ausgestattet ist die Ansammlung dieser Freaks, deren Kostüme so aussehen, als hätte sie ein Fanclub mittelalterlicher Ritterspiele zusammen gestellt. Sie geben eine beherzte Mischung aus Lumpensammlern und Las Vegas ab – Letzteres allerdings eher so, wie man es sich im Festsaal von Pinneberg vorstellt. Bärte, Perücken, Federboas, Skianzüge, Pompons, Flitterkleider, Helme mit Wikinger-Hörnern, Hüte mit Fähnchen, Mönch und Nonne im wilden Tanz, ein riesiger Holzhase – hier kann man endlich einmal alles zusammenwürfeln, was man immer schon auf einer Bühne sehen wollte. Scharen von Showgirls mischen die Truppe auf, die Tafelrunde tagt in einem glitzernden Kasino, und Ritter Lancelot entpuppt sich als leidenschaftlicher Copacabana-Tänzer. Singen und tanzen können die elf Schauspieler in mehr als 70 Rollen alle fabelhaft und mitreißend. Gute Laune ist da garantiert. Der Spaß an der Show liegt auch darin, dass sich auf einer bewusst als Low-Budget-Produktion definierten Bühne mit selbst gemachten Requisiten, das Ensemble mit großem Ernst dieser ziemlich unfassbaren Geschichte der Ritter der Tafelrunde widmet. Artus ist eigentlich nur ein König unter Clowns. Sätze wie „wir irren durch einen dunklen und vom Bühnenbildner unheimlich aufwendig gestalteten Wald“ beweisen das.
Eric Hättenschwiler trägt als Artus’ wichtigste Waffe sein königliches Lächeln. Natürlich tanzt und singt er auch mit, wenn der magere Mönch auf der Showbühne wieder aufersteht und kräht „Ich bin noch nicht hin.“ Aber erst im „König-Artus-Lied“ kann der schrullige Monarch mit breiter Brust ganz majestätisch erscheinen. Na, ja, zumindest als Musical-König. Der echte Ohrwurm folgt im Duett von Artus und der Fee vom See wenn sie „Das Lied, das jeder liebt“ anstimmen, einen Song, der so schön ist, dass er am Ende gleich noch einmal gesungen wird. Man vergisst ihn für Tage nicht mehr und summt ihn auch gern vor sich hin. Ähnlich wie „Always Look On The Bright Side Of Life“, der unverwüstliche Monty-Python-Klassiker, den die Zuschauer mitsingen können. Und auch wollen.
Marlen Oberholzer und Sandra Studer teilen sich die Rolle der Fee aus dem See, eine frustrierte Bühnendiva, die sich dauernd in den unpassendsten Momenten vordrängt. Beide sind große Gesangstalente mit ernsthaftem Sinn für Komik. Sie bilden den Gegenpol zu den Chaos-Rittern. Studer singt und spielt, als gehöre sie auf die große Showbühne. Denn daher kommt die Sängerin und Schauspielerin eigentlich. Sie hat Germanistik und Musikwissenschaften an der Universität studiert, Ballett und Klavier, und als junge Frau hat sie am Grand Prix d’Eurovision für die Schweiz mit einem italienischen Lied teilgenommen. Ja, fünf Sprachen spricht sie auch noch fließend neben dem Schwyzerdütsch, das sie zu Hause mit ihren vier Kindern spricht und das unsereins nicht versteht. Deshalb wird die Show für Hamburg auch mit vielen spezifisch hamburgischen Anspielungen aufgepeppt. Wenn Studer nicht auf der Bühne steht, moderiert sie etliche Sendungen im Schweizer Fernsehen. Bis Ende August macht sie Ferien mit der Familie, dann spielt Marlen Oberholzer die Fee. Vielleicht ist das überhaupt ein Anlass, sich den Abend zweimal anzuschauen. Genug zu entdecken gibt es jedenfalls.
Spamalot Premiere So 3.8., 20 Uhr, bis 14.9., jeweils 20 Uhr, außer Mo, St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 18,90 bis 69,90 Euro in allen HA-Ticketshops und unter T. 30 30 98 98