Wenn hanseatische Tradition und kulinarische Klasse aufeinandertreffen, isst man im „Landhaus Scherrer“
Wer das „Landhaus Scherrer“ betritt, wird gleich von dem schönen Gefühl bezaubert, ein bisschen zu Hause zu sein. Weder verweist ein dominanter Designer-Willen den Gast in die Rolle des lebenden Accessoires, noch hat man das Gefühl, man müsse das Haus erst mal warmwohnen – das „Scherrer“ empfängt jeden Gast mit großer, selbstverständlicher Herzlichkeit.
Das historische Haus war mal Altenteil einer Mühle und im Anbau eine Mautstation für die Elbchaussee, seit 1840 ist es eine Schänke. 1976 eröffnete der für sein Qualitätsbewusstsein und seine Experimente bekannte Armin Scherrer das Haus als Top-Restaurant; er führte das Haus aufs Hochplateau der Sterne-Küche, starb aber früh, seither garantiert Heinz O. Wehmann für das Niveau des Restaurants, das von 1989 bis 1993 das erste Haus Hamburgs war, das sogar mit zwei Sternen dekoriert wurde.
Die Küche des Scherrer verschließt sich auch heute nicht Experimenten bei Aromen und Zubereitungen, lebt aber im Kern von verlässlich, aber sehr fein präparierten Klassikern. Wer hier die Speisekarte studiert, braucht kein Gourmet-Wörterbuch! Unter den Empfehlungen fanden sich bei unserem Besuch „Dreierlei vom Kalb – Carpaccio, Tatar asiatisch und Vitello Tonnato“ (28,50 Euro), Gebratener Kabeljau mit Grünkohl und gerösteter Grützwurst (34,50 Euro) oder die „Seezungen-Filets in der Brioche-Kruste mit Waldzwergen“ (42 Euro). Das fünfgängige Landhaus- Scherrer-Klassiker-Menü versammelt für 111 Euro Gerichte, die neben höchster Produktqualität vor allem klare Geschmacksideen mitbringen. Wobei das Umschalten im Kopf von Sterneküchen-Überraschung pur auf Qualität pur gar nicht so einfach ist. Dafür wird diese Anstrengung großartig belohnt.
Den Anfang machen fünf wunderbare Kürbis-Variationen (Suppe, Krebs auf Gurke mit Ingwer, Kürbis- Schaum mit Chili, Kürbis-Wollwurst auf Muskatkürbis-Chutney, Dimsum auf rotem Kürbis-Curry), die geschmacklich einen weiten Rahmen aufspannen.
Der folgende Salat vom lauwarmen Hummer mit Mango und Krustentier-Vinaigrette wartet mit exotischen Aromen zum exzellenten Krustentier auf; der Steinbuttrücken im Stück gekocht mit Wasabi-Meerrettich, Meerrettichwurzel und zerlassener Butter ist ein leicht verschärftes Fischgedicht. Wehmanns All-time-Klassiker, die krosse Vierländer Ente mit Rotkohl, Cranberries in Cassis und Orangen-Pfeffer- Sauce kommt dagegen fast etwas bieder daher, ist aber sehr aromatisch und superknusprig. Den Abend runden Quarkknödel aus der Wilstermarsch mit Cape- Pflaumen-Röster und Vanille-Eis und eine Käseauswahl regionaler und französischer Spezialitäten ab.
Sie hat etwas sehr Hanseatisch-Zurückhaltendes, diese fast protestantisch wirkende Konzentration auf das, was da auf den Teller kommt. Im „Scherrer“ essen ist kein Event, kein aufwendig inszeniertes Gesamtkunstwerk – es bleibt Nahrungsaufnahme, aber eine, die höchste Maßstäbe setzt.
Landhaus Scherrer , Elbchaussee 130, Tel. 883 07 00 30, Mo–Sa 12–15 und ab 18 Uhr, www.landhausscherrer.de
Kurz-Biografie
Küchenchef Heinz Otto Wehmann wurde 1955 in eine Gastwirtsfamilie hineingeboren. Mit nur 25 Jahren legte er als Koch seine Meisterprüfung im Hotel Atlantic ab. Einer seiner Prüfer war Armin Scherrer, der ihn 1980 in sein „Landhaus Scherrer“ holte. Als Scherrer 1982 starb, wurden sich Wehmann und Witwe Emmi Scherrer schnell einig, das Haus weiterzuführen. Seit 1978 ist das „Scherrer“ ununterbrochen mit einem Michelin-Stern prämiert.
CHICORÈE-SALAT MIT ROSA GRAPEFRUITS
Rezept von Heinz Otto Wehmann
Für 4 Personen:
3 Knollen Chicorée gelb
2 Knollen Chicorée rot, klein
4 Stück rosa Grapefruit
100 ml Walnussöl
30 g Zucker
50 g Akazienhonig
50 ml Essig
1 Messersp. engl. Senf (Coleman’s Powder)
2 Schalotten 20 g Walnüsse
1⁄2 Bund Schnittlauch
Garnitur:
Schnittlauchspitzen
1 Walnüsse grob hacken. Beide Sorten Chicorée waschen, vom Strunk befreien und äußere Blätter aufheben. Chicoréeblätter unten beidseitig schräg anschneiden. Die anderen Stücke grob schräg schneiden. Schalotten pellen und würfeln. Schnittlauchspitzen zurechtschneiden und restlichen Teil in feine Ringe schneiden. Rosa Grapefruits schälen und filetieren. Von den Grapefruitfilets 20 Stücke im Ganzen zu Deko aufheben, die restlichen halbieren. Aus Walnussöl, Grapefruitsaft, Honig, Zucker, Essig und englischem Senf eine Vinaigrette herstellen.
2 Als Einlage in die Vinaigrette Schnittlauchringe, Grapefruitfilets und Schalottenwürfel geben. Dann den geschnittenen Chicorée marinieren, mit Salz und Pfeffer aus der Mühle würzen.
3 Anrichten: Chicoréeblätter sternförmig auf Teller verteilen. In die Mitte den Chicoréesalat platzieren. Das Ganze mit den rosa Grapefruitfilets garnieren. Zum Schluss die gehackten Walnüsse obenauf geben und mit den Schnittlauchspitzen garnieren.