Kulinarische Touren, Stadtbesichtigungsfahrten auf zwei Rädern, Biking-Café – Alexandra Maschewski stellt passend zum Sommer neue Angebote für Fahrradfans in Hamburg vor.
Die Zeiten, in denen Willi Wall und David Loll ihre Radtouren von hoher See aus planten, sind endgültig vorbei. Jeweils mehrere Jahre arbeiteten die beiden als Biking-Guide auf Kreuzfahrtschiffen, nun sind sie – immerhin nicht allzu weit vom Hafen entfernt – an der Altstädter Straße sesshaft geworden. Und weil es ohne Radfahren einfach nicht geht in ihrem Leben, haben sie vor wenigen Tagen „The Handle Bar“ eröffnet. Eine Kombination aus Shop, Verleih, Werkstatt, Stützpunkt für geführte Touren und – entspanntem Café. Alles in einem großen, modernen Raum vereint.
„Die Idee für dieses Konzept hatten wir vor noch nicht einmal einem Jahr“, erzählt Willi Wall. Ursprünglich habe man mit einem Pritschenwagen den Hafen ansteuern wollen, um dort Touristen Fahrräder zu verleihen. Doch dann ergab sich die Möglichkeit, auch hochwertige Rennräder und Mountainbikes des Hamburger Unternehmens Bellitanner Pearl zu verkaufen. „Eine eigene Werkstatt war naheliegend, und die Café-Idee kam dann einfach noch dazu. Etwas wirklich Vergleichbares habe ich bisher erst in London oder in den USA gesehen“, sagt der 28-Jährige, der zusammen mit seinem Geschäftspartner wie selbstverständlich auch noch Konzepte für geführte Radtouren entwickelt hat.
Mit dem Rad durch Hamburg
Klassisches Sightseeing gibt es bei den Highlights von Hamburg, der Sonnenaufgangstour und der Erkundung von Speicherstadt&HafenCity. „Etwas spezieller ist unsere Tour de Gourmet, bei der wir etwa das Portugiesenviertel und St. Georg ansteuern wollen, um dort besondere Spezialitäten zu verkosten.“ Auch wenn die beiden Radsportler mit den drei- bis vierstündigen Touren eine bunt gemischte Kundenschar ansprechen wollen – es gilt lediglich das Mindestalter von zwölf Jahren und eine Mindestgröße von 1,55 Metern –, wird ein weiteres Angebot wohl vor allem männliche Biker anziehen: die Fußballtour zu den Stadien der Fußballvereine St. Pauli und HSV. 26 Räder verleihen die Jungunternehmer zurzeit, sportliche City-Räder mit schmaleren Reifen genauso wie gemütliche Cruiser. Für ein Schmunzeln bei den Betreibern sorgt manchmal, wenn die weiblichen Gäste ihr Gefährt nach der Farbe aussuchen. Ist aber auch kein Problem: Wer schon immer ein Rad in pastelligem Lila oder Orange fahren wollte, wird nicht enttäuscht.
„Natürlich sind die Stadträder eine große Konkurrenz für uns, weil viele noch nicht wissen, dass es uns gibt“, sagt Willi Wall. Trotzdem, so gibt er zu, haben natürlich gerade auch beliebte Verleihsysteme dieser Art dazu geführt, das Thema Zweirad in einer Stadt wie Hamburg populärer zu machen. An sonnigen Tagen sucht an belebten Orten wie der Alster mitunter vergeblich, wer an einer der festen Stationen ein öffentliches Rad ausleihen möchte. „Radfahren ist stark im Kommen“, sagt der begeisterte Wahl-Hamburger. „Das Benzin ist teuer, und die Radwege in der Stadt sind ganz gut ausgebaut.“
Sein persönliches Lieblingsargument für dieses Fortbewegungsmittel ist jedoch ein ganz anderes: „Das Gefühl von Freiheit. Beim Radfahren fallen alle Sorgen von einem ab.“
Höhepunkte werden spontan in die Tour eingebaut
Da würde Bernd Kaupert von Hamburg-Radtour ihm wohl recht geben. Man kann ihn als Pionier auf dem Gebiet der geführten Radtouren bezeichnen, denn er bietet diese bereits seit 1997 an. „Es ist wunderbar, dass das Rad-Thema wieder präsenter ist“, sagt der 65-Jährige, der früher 16 Jahre lang Fernreisen veranstaltet hat. Er liebt vor allem den persönlichen Kontakt mit den Freizeitradlern: „Mit Navi oder Automatic-Guide kann man eine Stadt einfach nicht auf dieselbe Weise kennenlernen.“ Er arbeitet mittlerweile in einem Team von sechs Kollegen, die zwischen April und Oktober jeden Tag in ihrer Stadt unterwegs sind. Mit dabei sind nicht bloß Touristen, die sich auf den Sattel schwingen. „Es sind auch viele Neu-Hamburger, meist jüngeren Alters, dabei.“ Von einer Destination wie dem Alten Land als Ausflugsziel hält Bernd Kaupert persönlich nicht viel. „Dort kann man auch allein hinfahren.“
Ganz nach seinem Geschmack sind Höhepunkte, die er spontan in Touren einbauen kann. Ein spektakuläres Kreuzfahrtschiff, das gerade zu Gast im Hafen ist. Oder sogar eine Schanzen-Demo, die ihn nicht abschreckt, weil er überall in der Stadt so viele verschiedene Menschen kennt. Jüngster Zugang in seinem Touren-Portfolio ist der Stadtteil Wilhelmsburg, ein Teil von Hamburg, den er selbst spannend findet – anders als manche alteingesessene Hamburger. „Die Touristen sind da meist schon zwei Schritte weiter“, sagt der Hamburg-Kenner.
Weiteres Betätigungsfeld für die Stadtführer auf zwei Rädern sind natürlich auch besondere Veranstaltungen zum Beispiel für Firmen, so wie sie etwa das Unternehmen Hamburg City Cycles zusätzlich anbietet. Mit individuellen Radtouren können auch klassische Aktivitäten wie Hafenrundfahrten, Kanu-Touren oder Kiez-Rundgänge kombiniert werden.
Die erste Tour des Handle-Bar-Teams wird am kommenden Freitag stattfinden, Willi Wall freut sich schon darauf. Der nahe liegenden Frage nach dem hiesigen Schietwetter begegnet der gebürtige Schwabe äußerst gelassen. „Eine Anekdote zum Zeitvertreib, ein Käffchen irgendwo – wir haben so viel Erfahrung, das sollte kein Problem sein.“ Und die unvermeidbare Winterpause stört das junge Team auch nicht. Es gibt ja immer noch das gemütliche Rad-Café.