Für manche Theatergänger ist „Warten auf Godot“, 1953 uraufgeführt, wohl das rätselhafteste Stück überhaupt. Notorisch verschließt es sich jeder Deutung. Samuel Becketts doppelter Einakter über die mutmaßlichen Landstreicher Estragon und Wladimir, die neben einem Baum die Zeit mit Unsinnsdialogen totschlagen, während sie auf eine nie näher definierte Person mit Namen Godot warten, zählt zu den Hauptwerken der Literatur des Absurden.
Ausgerechnet Stefan Pucher, bekannt dafür, Klassiker popkulturell aufzuladen oder freie Projekte in einem Genre übergreifenden Kunstverständnis zu realisieren, inszeniert dieses Stück nun vom 27. Februar an im Thalia Theater mit Jens Harzer und Jörg Pohl als Landstreicherduo.
Schon die Besetzung hat ihm die nötige Inszenierungslust verschafft. Aber auch Pucher weiß darum, dass sich das Stück trotz seines anarchischen und auch gesellschaftsutopischen Potenzials abgenutzt hat. Dagegen inszeniert er an. „Das Nichts muss man ja aushalten können. Das ist das Perfide an dem Stück“, sagt Pucher. „Mich interessiert am meisten die Frage, wie geht man mit Zivilcourage um angesichts von Gewaltaktionen. Was macht man mit der eigenen Angst. Greift man ein oder nicht?“ Die grassierenden Themen Flucht, Verfolgung, Warten stecken da drin.
Es ist auch ein Beziehungsdrama. Während Wladimir und Estragon warten, streiten sie wie ein altes Ehepaar und versöhnen sich wieder. Besuch erhalten sie wenig. Der reiche Landbesitzer Pozzo hat den schweigsamen Lucky im Schlepptau, der sich einmal in einem wirren Monolog ergeht. Ab und zu schaut ein Botenjunge vorbei und verkündet eine Verspätung Godots.
Die tragikomischen, clownshaften, zeit- und ortlosen Wesen, die das Stück bevölkern, wurden als Parabel auf das Absurde der menschlichen Existenz gelesen. Oft wurde Godot als Synonym für Gott interpretiert. Seit 2008 legt ein Buch in Frankreich eine neue Deutung nahe. Es gibt konkrete Spuren, dass Beckett mit Godot einen Schleuser der Résistance schuf, der zwei flüchtige Juden aus dem von den Nazis besetzten Frankreich nach Italien helfen soll. Diese Erkenntnisse helfen in der Arbeit nicht unbedingt weiter, sagt Pucher. „Die Szenen mit Pozzo und Lucky sind eigentlich das Zentrum. Da geht es um Erniedrigung, Willkür, Reich gegen Arm und die Frage, wie steht man dazu? Unterläuft man das, wehrt man sich, oder schaut man weg?“
Rein formal interessieren Pucher die Themen Erinnerung und Variation. Im Anschluss an die Pause folgt Beckett folgend die radikalere Wiederholung des ersten Akts. „Es ist alles sehr konkret, trotzdem bleibt die metaphysische Unsicherheit, was eigentlich passiert ist.“ Pucher könnte es gelingen, aus dem Stoff mit Slapstick und Hysterie einen launigen, auch erkenntnisreichen Theaterabend zu zaubern. Denn: Unterhaltsam ist „Warten auf Godot“ immer.
„Warten auf Godot“
So 28.2., 19 Uhr, Thalia Theater, Alstertor, Karten zu 15 bis 74 Euro unter
T. 32 81 44 44