Hamburg. Viele Spitzenköche nehmen mittlerweile hohe Gebühren – zu groß sind die finanziellen Verluste, wenn Gäste kurzfristig stornieren.

Wer im Gourmetrestaurant von Thomas Imbusch einen Tisch reservieren möchte, muss sich darauf einstellen, dass er das Menü gleich bezahlen muss – und sein Geld bei einer zu kurzfristigen Absage auch nicht zurückbekommt. Denn das vor Kurzem eröffnete 100/200 hat ein Ticketsystem nach amerikanischem Vorbild eingeführt. „Thomas Imbusch war von vorneherein klar, dass er in seiner Selbstständigkeit nur so arbeiten will. Also haben wir alles darangesetzt, dass wir ein funktionierendes System zum Start unseres Restaurants hatten“, sagt Sophie Lehmann, die Sommelière des Restaurants, die maßgeblich an der Realisierung beteiligt war. „Wir wollten mit diesem Schritt eine Wertigkeit schaffen, für das, was wir hier tun.“

Reservierungen über das Internet

Die Reservierungen im 100/200 laufen zum großen Teil über eine Internetseite. Hier entscheidet der Gast, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit mit wie vielen Personen nach Rothenburgsort kommen möchte. Danach muss er angeben, ob er ein Menü mit oder ohne begleitende Weine wünscht. Es folgt ein Feld, in das jeder Nutzer Allergien, Unverträglichkeiten oder andere Vorlieben eintragen kann. Und schließlich werden die Kreditkartendaten abgefragt. Der Gast erhält eine Bestätigungsmail mit allen Details – und damit er den Besuch auch garantiert nicht vergisst, 24 Stunden vorher noch eine Erinnerung. „Damit hat er verbindlich den Besuch in unserem Restaurant gebucht“, sagt Lehmann. 95 Euro kostet das Menü am Dienstag und Mittwoch, den allgemein eher schwächeren Gastronomietagen. Donnerstag, Freitag und Sonnabend berechnet das Restaurant 109 Euro.

Respekt vor der Arbeit

Auf eine Stornierung sei das System bewusst nicht ausgelegt. „Wenn man Karten für ein Konzert oder ein Fußballspiel kauft, kann man die ja auch nicht zurückgeben“, so die Weinexpertin. Dennoch ginge es ihr und den Kollegen nicht darum, bei Nichterscheinen um jeden Preis das Geld einzuziehen. „Uns geht es um eine gewisse Planbarkeit, um den Respekt vor unserer Arbeit.“ Wenn Gäste sie also rechtzeitig anrufen würden und aus persönlichen Gründen den Termin verschieben müssten, wären sie immer bereit, etwas möglich zu machen. „Die Menschen sind uns ja nicht egal.“ Auch deshalb gebe es eine Warteliste, die sie dann versuche einzusetzen.

Positives Feedback

Die Gäste des 100/200 würden im Allgemeinen die Regelung akzeptieren und verstehen. „Wir haben den Vorteil, dass wir das System bei Eröffnung gleich etabliert haben. Ich kann mir vorstellen, dass es schwieriger ist, wenn man es später erst einführt.“ Gerade einmal zwei oder drei Interessierte hätten auf eine Reservierung verzichtet. Ansonsten ist das Feedback durchweg sehr positiv. „Menschen, die zu uns kommen wollen, die kommen auch zu uns. Egal, welches Buchungssystem wir haben.“

Lehmann verweist allerdings darauf, dass die Absagequote in der gehobenen Gastronomie ein echtes Problem sei. „Restaurants wie das unsere haben nicht so viele Plätze und kalkulieren deshalb knapp“, sagt sie. 38 gibt es im 100/200. Dazu kämen die hochwertigen und teuren Lebensmittel, die genau abgestimmt eingekauft würden. „Wir wollen eine gute Arbeit abliefern.“ Zu oft gehe der Respekt vor der Arbeit in der Küche verloren. Deshalb sei ihnen das klare Bekenntnis der Gäste zu einem bestimmten Termin ein echtes Anliegen.

Der Gast muss Kreditkartendaten angeben

Auch im Jellyfish an der Weidenallee geht es den beiden Inhabern Hauke Neubecker und Jens Paulsen um die Anerkennung der Arbeit, die hier jeden Tag geleistet wird. Sie haben sich ein eigenes System überlegt und vor rund vier Jahren eingeführt. „Wir hatten schon damals immer wieder Probleme mit spontanen Absagen“, sagt Neubecker. Also hätten sie mit dem Buchungssystem Open Table ein Prinzip entwickelt, bei dem der Gast mit der Reservierung seine Kreditkartendaten angeben muss. Um die Datenschutzrichtlinien zu erfüllen, habe Open Table einen virtuellen Safe eingerichtet, in dem diese Daten automatisch nach sieben Tagen gelöscht würden. „Wenn dann ein Gast kurzfristig absagt oder womöglich einfach gar nicht kommt, können wir die Karte belasten“, so Neubecker. 50 Euro pro Gast berechnet das Restaurant in der Regel. „Am Ende des Jahres habe ich zumeist eine vierstellige Summe. Das zeigt mir, wie viele Gäste einfach nicht kommen.“

Drohung mit Anwälten

Neubecker wird allerdings oft mit großem Unverständnis vonseiten der Gäste konfrontiert. „Es werden die tollsten Ausreden erfunden, zumeist per Mail. Gern wird uns auch mit Anwälten gedroht.“ Dabei, so der Inhaber des Sternerestaurants, hätten die Gäste bei der Buchung den Allgemeinen Geschäftsbestimmungen zugestimmt, in denen genau dieses Vorgehen beschrieben ist.

Dem Team um den ambitionierten jungen Koch Stefan Barnhusen geht es ebenfalls nicht darum, die Gäste zu bestrafen. „Wir wollen einfach eine Verbindlichkeit schaffen“, sagt Neubecker. Und natürlich kämen auch bei ihnen die hohen Produktkosten eines Gourmetrestaurants mit insgesamt gerade einmal 35 Plätzen hinzu.

Bei dem Hamburger Starkoch Kevin Fehling gibt es gerade einmal 20 Plätze an dem großen Tresen. Deshalb hat auch er ein Reservierungssystem, bei dem eine kostenfreie Stornierung der Reservierung bis 48 Stunden vorher möglich ist. Danach berechnet das Restaurant The Table eine sogenannte Aufwendungspauschale von 210 Euro pro Person. Allerdings, so schränkt Fehling ein, nur wenn es nicht gelingt, den Tisch weiter zu vergeben.

Warteliste für jeden Abend

„Wir haben extra eine Assistentin angestellt, die sich nur um unsere Gäste und deren Anliegen kümmert“, sagt er. „Und dazu gibt es für jeden Abend eine Warteliste. Also hatten wir eigentlich noch nie Schwierigkeiten, den Tisch weiter zu vergeben.“ Auf gerade einmal zehn nicht rechtzeitig abgesagte Plätze kommt sein Restaurant so in drei Jahren. „Und damit können wir wirklich gut leben.“

Das Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten hat vor knapp vier Jahren eine sogenannte Stornogebühr bei Absagen eingeführt. Bis 24 Stunden vorher können Gäste ohne Kosten absagen. Danach nimmt das Zwei-Sterne-Restaurant 85 Euro pro Person. Die gleiche Regel gilt im Gourmet-Restaurant des Hotels Louis C. Jacob. Und auch das Seven Seas auf dem Süllberg handhabt kurzfristige Absagen so.

Keine Kulanz an Weihnachten

„Wir sind bei Stornierungen allerdings außerordentlich kulant“, sagt Pa­trick Ufer, seit Mai Restaurantleiter von Karlheinz Hauser. Gerade in der Woche, wenn das Restaurant sowieso nicht ganz ausgebucht sei, würde man den Betrag in der Regel nicht einziehen. Anders sei das, wenn das Restaurant am Wochenende voll ist. „Oder an besonderen Tagen wie Weihnachten und Silvester. Dann lassen wir uns die Kreditkartendaten geben. Denn dann ist ein Ausfall äußerst ärgerlich.“

In den vergangenen Wochen hat Ufer allerdings auch einige für ihn verstörende Erlebnisse gehabt, wie er erzählt. Die Buchungen über die Plattformen wie Open Table oder Bookatable seien mit falschen Telefonnummern getätigt worden. „Und als die Gäste dann am Abend ohne Abmeldung nicht gekommen sind, konnten wir nicht einmal anrufen und nachfragen.“ Deshalb, so Ufer, müsse man sich gerade für den allgemein besser besuchten Herbst und Winter noch einmal grundsätzlich Gedanken machen, wie man mit diesen Gästen künftig umgehe. „In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass Kreditkartendaten bei einer Buchung abgefragt werden. Die Deutschen sind da leider noch sehr empfindlich.“ Das müsse sich dringend ändern, so Ufer.