Hamburg. Wenn man ein paar Wochen nicht in Winterhude war, hat man garantiert eine Neueröffnung verpasst. Teil sieben der großen Serie.

Er bildet den Mittelpunkt des Winterhuder Lebens, und wenn man ein paar Wochen nicht da war, hat man mindestens eine Neueröffnung verpasst. Der Mühlenkamp wird vom Goldbekkanal auf der einen und dem Osterbekkanal auf der anderen Seite begrenzt, kulinarisch verspricht diese Straße jedoch eine unglaubliche Freiheit.

Egal zu welcher Uhrzeit, egal was einem schmeckt, man wird garantiert fündig. Der Anteil an Restaurants im Vergleich zu Ladengeschäften steigt gefühlt stetig an; geht die Entwicklung so weiter, kann man dort bald nur noch essen und gar nicht mehr shoppen. Vor wenigen Wochen hat das Melano Café eröffnet, und die nächste große Premiere findet in Hausnummer 29 statt. Wo 19 Jahre lang das Kult-Lokal „3 Tageszeiten“ sein Flair versprühte, eröffnet voraussichtlich Ende März der „Pizza Social Club“.

Steinofen-Pizza und frische Salate sollen dort kombiniert werden mit eigenen Cocktail-Kreationen. Der neue Betreiber Sönke Becker weiß, in was für Fußstapfen er tritt, und gibt sich dementsprechend viel Mühe bei der Gestaltung des Designs und der Entwicklung der Karte. Den Plänen nach zu urteilen, könnte es sehr cool werden, und würde sich gut einreihen in die Hochkaräter, die diese Straße bereits jetzt zu bieten hat.

1. Harms & Schacht Bei den Mietpreisen am Mühlenkamp muss man als Gastronom richtig was drauf haben, um zu überleben, und gut zu sein im Kopfrechnen schadet auch nicht. Harms & Schacht hält sich seit 2006 an dem Platz mit der eindeutig besten Aussicht in dieser Straße, zuvor gab es drei Betreiber in vier Jahren. Im Sommer steht die Kaffeemaschine hier fast auf der Straße, man blickt auf die Kanus, die an dieser Stelle des Osterbekkanals sogar festmachen können. Herrlich: Paddeln, einen Aperol-Spritz trinken, und weiter geht der Bootsausflug. Jetzt im Winter wird eher Gin Tonic zum Wiener Schnitzel (14 Euro) geordert, gerne auch sehr spät in der Nacht, denn im Harms & Schacht kann man bis 4 oder 5 Uhr früh an der Mahagoni-Theke sitzen und hat dabei ein gutes Gefühl. Der Besitzer setzt sich sehr für den Umweltschutz ein und benutzte daher für seine Inneneinrichtung nur Holz aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft.
Mühlenkamp 2, Mo–Fr ab 17 Uhr, Sa und So ab 10 Uhr, 040/27807428, www.harmsundschacht.de

2. Edelsatt Wer Bambi liebt, hat mit Edelsatt vielleicht Probleme, alle anderen bekommen etwas Außergewöhnliches: Burger aus Reh-, Hirsch- oder Schwarzwildfleisch. „Mehr Bio geht nicht“, sagt Johann-Philipp Jencquel. Der 28-Jährige hat das Konzept zusammen mit seinem Schulfreund Sebastian Kämpfert erdacht. Die beiden Hobbyjäger schießen das Fleisch, das bei ihnen serviert wird, in Revieren in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Lebensbedingungen dort seien so ideal, dass das Wildfleisch über einen einzigartigen, feinwürzigen und zarten Geschmack verfügt. Der beliebteste Burger mit Preiselbeeren (9 Euro) wird vor den Augen der Gäste in der offenen Küche gebraten, das riecht man in dem kleinen Laden mit nur 22 Plätzen natürlich, aber dadurch kommt die Idee der Naturverbundenheit nur noch authentischer daher. Die Holzpaletten, auf denen man sitzt, sind übrigens gemütlicher, als sie aussehen.
Mühlenkamp 8, Di–Sa ab 12 Uhr, So 14-21 Uhr, 040/69644306, www.edelsatt.de

3. Pitarello Vater und Sohn betreiben den kleinen Italiener Pittarello, bei dem man sich nach Crespelle oder Brasato von der Ochsenbacke unbedingt noch ein Dessert aufschwatzen lassen sollte. Das Schokoladen-Soufflé mit Rotweineis (9,80 Euro) beispielsweise ist in der Lage, jeden noch so vergeigten Pärchen-Abend zu retten. Wenn etwas mit so viel Liebe gemacht wird, dann färbt das auf diejenigen ab, die es probieren, garantiert. Das Lokal mit seinen 32 Plätzen befindet sich auf zwei Ebenen, zur Küche geht es noch mal hoch, Dario Pittarello und sein Team müssen viele Stufen auf und ab rennen: „Das hält uns fit!“ sagt der 32 Jahre alte Chef im Vorbeijoggen.

Sein ganzer Stolz befindet sich hinter der Bar, eine Faema E61. Diese fast 60 Jahre alte Espressomaschine fuhr früher auf der Bahnstrecke von Lugano nach Mailand, sie wurde liebevoll restauriert und macht nun Kaffee zum Niederknien. Nur nicht zu früh am Tage zum Probieren kommen, das gute Teil braucht eine Stunde zum Warmlaufen.
Mühlenkamp 8, Di–So ab 12 Uhr, 040/69456969, www.ristorante-pittarello.de

4. Liman Nicht ohne Grund befindet sich das Liman beim Internetportal Tripadvisor auf Platz 10 von mehr als 3000 Restaurants in Hamburg. Die hohe Bewertung hat sich Gürcan Aksoy, der das Liman gemeinsam mit seiner Frau führt, hart erarbeitet. Aus einem kleinen, unscheinbaren Laden zauberte er eines der schönsten Souterrain-Ambiente, die diese Stadt zu bieten hat. Die Renovierung war kostspielig, aber ohne Investitionen geht es nicht. „Wir wollten Champions League spielen“, sagt Gürcan Aksoy. Allein die Musikanlage kostete 15.000 Euro, löst dafür aber nun bei jedem DJ Herzklopfen aus.

Die Lichter, die Bar, der Service – alles erscheint von gehobener Qualität, was immer noch nicht die große Begeisterung bei den Gästen erklärt. Doch dann kommt der Fisch, und alle Fragen sind beantwortet. Liman bedeutet Hafen auf Türkisch, und für die Gambas in Knoblauch-Sahne-Sauce (18,90 Euro) wird es auf der ganzen Welt sicherlich keinen besseren Hafen geben. Auch an diejenigen, die keinen Knoblauch mögen: Einfach mal eine Ausnahme machen, es lohnt sich. Küssen können Sie dann übermorgen wieder.
Mühlenkamp 16, Mo–Do ab 15 Uhr, Fr–So ab 12 Uhr, 040/37085653, www.liman-fisch.com

5. Piu Espresso Bar Keine Ahnung, wie der Mühlenkamp das macht, aber wie schon alle anderen Besitzer, sind auch Lars Köhlert und Eleonora Piu von der Piu Espresso Bar auffallend aufmerksam. Da liegt ein Nettigkeits-Filter über dem Winterhuder Pflaster, anders wäre diese starke Orientierung am Gast nicht zu erklären (Schanze! Hier kannst du wirklich noch was lernen!)

Will man jedenfalls am Wochenende gut frühstücken oder mittags mal eine vernünftige, handgemachte Pizza essen, dann geht man zu der Köchin aus Sardinien, die so tiefbraune Augen hat, dass man sich beim Sprechen schlecht konzentrieren kann. Was wollte ich noch mal? Ach ja, Strammer Max all’italiana (6,90 Euro), danach ist man gestärkt für die Weltherrschaft oder ähnlich kräftezehrende Projekte, einen Schwiegermutterbesuch zum Beispiel. Die besondere Kaffeesorte, die es in Hamburg ausschließlich bei Piu gibt, pusht zusätzlich. „Der schmeckt so mild, aber glauben Sie mir: Wacher werden Sie nicht!“, verspricht Lars Köhlert.
Mühlenkamp 9, täglich ab 9.30 Uhr, Mittwoch Ruhetag, piu-espressobar.de

6. Caffè 42 Der Klassiker am Mühlenkamp. Seit 17 Jahren verkauft Carola Viebrock mittags deutsche Hausmannskost und davor und danach selbst gemachten Kuchen, der ganz sicher Ihre Neujahrsvorsätze durchkreuzen wird. Ein Stück Johannesbeer-Schmand-Baiser (3,50 Euro) ist so groß, dass man fälschlicherweise annimmt, aus Versehen eine Torte bestellt zu haben.

Hier wird noch nicht knallhart kalkuliert, sondern generös gegeben. Viele Stammgäste sind die logische Konsequenz, eine ist 89 Jahre alt, ein anderer kommt bis zu viermal am Tag. Die Einrichtung des Cafés hat sich in den ganzen Jahren nicht verändert, die Laufkundschaft schon. „Ein bisschen mehr Schickimicki und Ungeduld als früher, aber die Mischung der Leute am Mühlenkamp ist immer noch toll“, findet Carola Viebrock.
Mühlenkamp 42, täglich 10–20 Uhr, 040/27880642, www.caffe42.de

Alles Käse(kuchen)? Ja, und zwar lecker. Carola Viebrock führt seit 17 Jahren ihr Caffè 42
Alles Käse(kuchen)? Ja, und zwar lecker. Carola Viebrock führt seit 17 Jahren ihr Caffè 42 © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

7. Trüffelschwein Last but not least trägt der Mühlenkamp einen Stern! Der 34-jährige Kirill Kinfelt und sein Team vom Trüffelschwein haben sich den Michelin-Stern 2015 mit ihren anspruchsvollen Kreationen und Mehrgang-Menüs erkocht. Das Trüffel-Menü mit neun Gängen gibt es für 139 Euro, man kann aber auch auf fünf Gänge oder weniger reduzieren. „Wir sind da relativ flexibel“, sagt Kinfelt, was nicht jedes Sternerestaurant von sich behaupten kann. Und dann erwähnt er auch noch seine Nachbarn, wie gerne er selbst ins Pittarello oder ins Liman gehe.

Fast bekommt man den Eindruck, alle Gastronomen hier hätten sich abgesprochen, nur positiv übereinander zu reden. So viel Lob unter Konkurrenten erlebt man selten. Das gibt einen Stern für den Mühlenkamp allgemein wegen seiner außergewöhnlichen Fairness.
Mühlenkamp 54, Di–Sa 18–24 Uhr, 040/69656450, www.trueffelschwein-restaurant.de

Alle Teile der Serie unter abendblatt.de/gastromeilen