Hamburg. Der vielfach ausgezeichneter Küchenchef hat sich mit seiner Manufaktur für Fonds und Jus einen Traum erfüllt.

Jens Rittmeyer lernte ich kennen, als er – hochdekorierter Sternekoch – im noblen Hotel Budersand auf Sylt residierte. Schon damals war ich begeistert, dass er seine Auszeichnung nicht wie eine Monstranz vor sich hertrug, sondern einfach ein ausgesprochen netter Mensch ist. Mittlerweile hat es Jens Rittmeyer ins pulsierende Buxtehude verschlagen. Dort, im Restaurant No. 4 im recht ansehnlichen Hotel Navigare, hat er sich natürlich auch schon längst „seinen“ Stern erkocht (ich finde: einer zu wenig). Und hier kreiert er die derzeit so ziemlich spannendsten Menüs in Norddeutschland.

Jens Rittmeyers „Heimliche Leidenschaft“ ist die vegetarische Küche – und so heißt nicht zufällig auch das achtgängige vegetarische Menü, das neben einer „Nordischen Reise“, dem klassischen Menü, bei dem er seine Leidenschaft für skandinavische Produkte auslebt, die Abendkarte ziert. Bei beiden gibt es zunächst ein Potpourri faszinierendster, aromensatter, beglückend genialer vegetarischer Kleinigkeiten, und tatsächlich ist mir hier im zarten Alter von 59 Jahren erstmals klar geworden, wie sensationell vegetarische Küche sein kann.

„Brot mit Sauce“ ist ein Highlight

Highlight bei beiden Varianten ist Gang fünf: „Brot mit Sauce“. Wer immer schon der Ansicht war, dass großartige Saucen das Beste am Essen sind, bekommt sie hier pur in jeweils drei Variationen serviert – und das von einem Manne, der Saucen besser zu bereiten versteht als fast jeder andere auf Gottes weitem Erdenrund.

Mit seinen Saucen schafft sich Jens Rittmeyer gerade ein zweites Standbein – und damit kommen wir der Frage auf die Spur, warum es ihn, unter anderem, nach Buxtehude zog. Denn hier kann und darf Jens Rittmeyer seine eigene, handwerklich raffinierte Manufakturproduktion edelster, intensiver Saucen, Jus, Sude und Fonds aufbauen, die er mittels einer eigenen Homepage vertreibt und die nach meinem Dafürhalten auf diesem Qualitätsniveau konkurrenzlos sind.

Faszinierende Auswahl

Bislang hatte ich alle Fonds und Jus, die ich irgendwo mal gekauft hatte, als qualitativ so dermaßen krass enttäuschend empfunden, dass wir daheim alle Fisch-, Fleisch- und Geflügelfonds selber produzieren und einwecken. Wem das zu aufwendig ist, dem steht jetzt auf Rittmeyers Website eine faszinierende Auswahl von mehr als 50 teils vegetarischen oder veganen, teils fleischbasierten Produkten zur Verfügung, welche die heimische Küche ratzfatz in bis dahin ungeahnte kulinarische Höhen hieven.

Ob Heujus, Wurzelgemüse-Fond, Schwarzwurstjus, Zitronenthymiansauce, Brombeer-Wacholderjus, Eisenkrautsud, Himbeeressig-Pfefferjus oder ganz klassisch Kalbsjus und Geflügelfond: Schier unerschöpflich ist das Füllhorn der Köstlichkeiten, die sich dem fantasiebegabten Hobbykoch auf der Website darbieten und ihn en passant diskret den Kontostand prüfen lassen. Aber Jens Rittmeyers Berufung als Saucen-Gott haben früher schon ganz andere erkannt – unter anderem ein gewisser Dieter Müller vom Schlosshotel Lerbach.

Seine Eltern haben immer viel eingeweckt

Jens Rittmeyer schildert seinen Werdegang so: „Geboren wurde ich 1975 in Halle an der Saale. Wir hatten einen riesigen Nutzgarten mit allen nur denkbaren Sorten Obst und Gemüse, und meine Eltern haben immer schon viel eingeweckt, sauer eingelegt oder entsaftet. Hühner und Kaninchen hielten wir auch. Außerdem wurde bei uns viel gekocht – von den Thüringer Klößen meiner Großmutter mütterlicherseits träume ich noch heute!

Auch Blüten gehören für Jens Rittmeyer zum Kochen dazu.
Auch Blüten gehören für Jens Rittmeyer zum Kochen dazu. © Oliver Schumacher, Junius Verlag

1991 bin ich dann zu meinem Großonkel nach Baden-Baden gegangen, der dort zwei Gastronomiebetriebe hatte – unter anderem Burg Windeck, welche er nach dem Zwei-Sterne-Koch Peter Wehlauer übernahm. Gesundheitsbedingt schloss er nach zwei Jahren die Burg Windeck, und ich wechselte ins Allee-Hotel Bären in Baden-Baden. Dort habe ich dann eine zwar harte, aber sehr gute und fundierte Kochausbildung genossen und damit sogar die inoffizielle Kochlehrling-Stadtmeisterschaft gewonnen – gegen die Jungs vom Brenners Park-Hotel und vom Europäischen Hof! Nach der Prüfung, die ich mit „Eins“ bestanden hatte, habe ich erst mal im ‚Stahlbad‘ in Baden-Baden gearbeitet, bis mich plötzlich, von einer Woche auf die nächste, die Bundeswehr einzog. Aber da habe ich, wie etliche andere frühere und spätere Spitzenköche auch, im Offizierskasino Karlsruhe-Neureut gekocht und hatte dort ziemlich freie Hand.

Viele glückliche Gäste

Im Anschluss wurde mir Baden-Baden doch etwas zu betulich, und ich bin nach einer Zwischenstation im Kölner Hotel im Wasserturm 1999 beim Sternekoch Günter Scherrer im Düsseldorfer Victorian gelandet. Dessen Küchenchef war allerdings ziemlich gruselig – ein Jahr lang habe ich mich durchgekämpft. Aber danach kam eine echt schöne Station: das Landhaus Köpp bei Xanten am Niederrhein, dessen Chef sein Sternerestaurant mit einem Campingplatz quersubventionierte. Dort habe ich ganz viel über das Aromatisieren von Saucen gelernt und meine Leidenschaft dafür entdeckt. Und einige Zeit später ereilte mich dort auch völlig unverhofft der Ruf von Drei-Sterne-Koch Dieter Müller, bei dem ich, nachdem Herr Köpp gegenüber Dieter Müller das Okay gegeben hatte, auch anfangen durfte.

„Genusshelden“

  • Gerd Rindchen, Hamburger „Wein-Papst“ und exzellenter Kenner der hiesigen Gastro-Szene, stellt in seinem Buch „Genusshelden“ Hamburger vor, die mit ihrer Leidenschaft für gutes Essen und Trinken die Stadt kulinarisch bereichern. Das Buch, das vom Junius Verlag und dem Abendblatt gemeinsam herausgebracht wird, enthält insgesamt 30 Porträts sowie ebenso viele Rezepte. Es hat 144 Seiten, kostet 29,90 Euro und ist im Buchhandel, in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) sowie unter www.abendblatt.de/shop erhältlich. Das Abendblatt druckt eine Auswahl der Geschichten jeden Sonnabend auf der Seite „Zu Tisch“.

Bevor es mich zu meiner nächsten Station, dem Boutique-Hotel Vila Joya mit einem Zwei-Sterne-Restaurant in Portugals Süden, verschlug, bedankte sich Dieter Müller bei mir mit den Worten: ‚Vielen Dank für die vielen guten Saucen, im Namen vieler glücklicher Gäste!‘ Nach der Vila Joya war ich sechs Jahre lang Küchenchef in einem anderen portugiesischen Sternerestaurant, dem São Gabriel, und fing in dieser Zeit erstmals an, eng mit den Bauern der Umgebung zusammenzuarbeiten – was ich heute in Buxtehude auch mit großer Leidenschaft tue.

Als 2009 die Wirtschaftskrise Portugal voll erwischte, ging ich für ein Jahr ins Schlosshotel Grunewald in Berlin, bevor dann ab 2010 die spannende Zeit im Hotel Budersand auf Sylt folgte. Seit 2017 bin ich nun in Buxtehude und total begeistert, dass ich hier neben meinem Job als Küchenchef meinen Traum verwirklichen darf und mit viel Herzblut und Ideen meine eigene Manufaktur aufbauen kann.“