Hamburg. Das Familienunternehmen hat 7000 Produkte aus aller Welt im Angebot – darunter auch legendäre Raritäten.

Weinspezialisten gibt es etliche, hochrangige Spirituosenfachleute schon weniger. Nur ganz selten ist es der Fall, dass ein Unternehmen in beiden Bereichen anerkannt und leistungsstark ist. Überdurchschnittliches geleistet haben hier die 20 „Lühmänner“, davon allein sechs Familien­mitglieder, noch bis ins Jahr 2016 unter fast unvorstellbaren Umständen: In relativ kleinen, engen, verbauten Räumen in der Lübecker Straße mit einem verwinkelten Keller haben sie es geschafft, über 4000 verschiedene Spirituosen und rund 800 Weine, Sekte und Champagnersorten nicht nur zu lagern und bei Bedarf schnell zu finden, sondern auch „online“ zu verschicken und im Ladengeschäft zu verkaufen.

Seit 2016 hat sich die Lage ein wenig entspannt: Da konnten Seniorchef Uwe und Junior Jens Lühmann ein funkelnagelneues Zentrallager mit Showroom und Lagerverkauf in Siek in Betrieb nehmen – was die beiden spornstreichs zum Anlass genommen haben, das Gesamtsortiment mal so eben auf rund 7000 Produkte auszuweiten.

Die Kunden kommen teilweise aus Schweden und Dänemark angereist

Gleichzeitig wurde die „alte“ Weinquelle in Hamburg entkernt und renoviert; sie präsentiert sich nun ebenfalls im schmucken, lichten Gewand. Das Weinangebot, zum allergrößten Teil selbst importiert oder vom Winzer bezogen, ist ein klassisches Fachhandelssortiment und umfasst eine stattliche Auswahl renommierter Erzeuger überwiegend aus Europa. Aber das können andere auch.

Grandios und bundesweit ziemlich einzigartig hingegen ist die Sortimentsbreite, -dichte und -tiefe bei den Spirituosen. So finden sich allein 24 Absinths im Angebot, die Gins stammen aus rund 30 verschiedenen Ländern bis hin nach Peru. Herausragend ist auch die Auswahl teilweise sehr alter, kaum noch aufzufindender Madeiras und Portweine. Für seltene und besondere Rums, Cognacs, Brandys oder Armagnacs können auch schon mal 3000 oder 4000 Euro pro Flasche fällig sein – und unter anderem wegen solcher Raritäten kommen die Kunden teilweise aus Schweden und Dänemark angereist, um sich den Kofferraum vollzuladen.

„Genusshelden“

  • Gerd Rindchen, Hamburger „Wein-Papst“ und exzellenter Kenner der hiesigen Gastro-Szene, stellt in seinem Buch „Genusshelden“ Hamburger vor, die mit ihrer Leidenschaft für gutes Essen und Trinken die Stadt kulinarisch bereichern.
  • Das Buch, das vom Junius Verlag und dem Abendblatt gemeinsam herausgebracht wird, enthält insgesamt 30 Porträts sowie ebenso viele Rezepte. Es hat 144 Seiten, kostet 29,90 Euro und ist im Buchhandel, in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) sowie unter www.abendblatt.de/shop erhältlich. Das Abendblatt druckt eine Auswahl der Geschichten jeden Sonnabend auf der Seite „Zu Tisch“.

Das Familienunternehmen startete 1919 mit einem Kolonialwarenladen

Nahezu konkurrenzlos und in Kennerkreisen legendär ist die lühmannsche Whiskyauswahl. Allein hier umfasst das Sortiment rund 1800 Positionen aus aller Welt. Darunter sind viele Raritäten, die Whisky-Aficionados sonst nirgends mehr bekommen können. Trotz der beachtlichen Beratungskompetenz und der enormen Kapitalbindung im Lager haben die Lühmanns ihre Kosten in bester hanseatischer Manier aber offenkundig voll im Griff: Im Bereich klassischer Markenprodukte wie der einschlägig bekannten Spirituosen oder der Champagner von Veuve ­Cliquot und Moët Chandon, bei denen sie mit ihrer Kalkulation im Vergleich stehen, zählen sie grundsätzlich zu den günstigsten Anbietern bundesweit. Das Ganze fußt auf einem sehr soliden traditionellen Sockel – denn die Lühmanns blicken inzwischen auf eine stattliche Unternehmensgeschichte von über 100 Jahren zurück.

Uwe Lühmann, Jahrgang 1957, erzählt: „Los ging’s, kein Aprilscherz, als meine Großeltern Ferdinand und Anne Lühmann am 1. April 1919 einen Kolonialwarenladen an der Güntherstraße in Wandsbek aufgemacht haben – in unmittelbarer Nachbarschaft unserer heutigen ‚Weinquelle‘ an der Lübecker Straße also. Diesen Laden haben sie, auch über den Zweiten Weltkrieg hinweg, bis 1954 betrieben, dann haben meine Eltern Helmut und Christa den Betrieb übernommen.

Es entstanden mehrere Filialen

1964, zwischenzeitlich waren wir schon in der Lübecker Straße, hat mein Vater entschieden, sich ausschließlich auf Weine und Spirituosen zu konzen­trieren. Den ‚Testmarkt‘ dafür eröffnete er Am Schlump 3, und das Ganze war so erfolgreich, dass in den Jahren danach noch zwei weitere Filialen in Poppenbüttel und an der Hermannstraße in der City dazukamen.

Mitte der 1970er-Jahre hat dann ein Mitglied der Tchibo-Familie Herz groß in das Getränkegeschäft investiert und angefangen, Filialisten wie das Weinhaus Garbe, das Weinhaus Reimer und auch unsere Filialen aufzukaufen und unter dem Namen ‚Flaschenlager‘ zu betreiben. Das währte aber nicht lange. Das Stammhaus in der Lübecker Straße hat mein Vater zum Glück behalten und sich erst mal darauf konzentriert.

1995 voll mit dem Internet durchgestartet

1977 kam ich dann nach einer Lehre bei Deinhard als Wein- und Sektküfer ins elterliche Unternehmen und habe es 1991 federführend übernommen. Mein Vater hat danach noch eine Zeit lang als ‚Angestellter‘ weitergemacht: Vormittags kam er ins Büro und las erst mal ausführlich das Abendblatt, bis es dann auch schon bald Zeit fürs Mittagessen war. Nachmittags ging es immer zügig nach Hause. Für mich super, denn so hatte ich meine Ruhe.

Im Rückblick ganz toll: Mein Vater hat bereits 1964 angefangen, als einer der ersten Spezialisten Single Malts zu importieren und auch Spezialitäten wie Cognacs, Calvados und Obstbrände direkt zu beziehen. Nach einer Geschäftsreise in die USA mit der Inhaberfamilie von Tengelmann begann er, ebenfalls als Pionier, hochwertige Bourbons einzuführen. Ich habe mir nach der Übernahme überlegt, wo unsere Chance liegen könnte, und bin dann schon 1995 voll mit dem Internet durchgestartet. Das war eine goldrichtige Entscheidung, von der wir bis heute profitieren.

Sohn Jens hat das Ruder übernommen

Mittlerweile hat unser Sohn Jens, der ur­sprünglich etwas ganz anderes machen wollte, aber bei einer ‚Urlaubsvertretung‘ als Chef Lust auf den Job bekam, das Ruder übernommen. Was uns die Kraft gibt, im sehr harten Wettbewerb so gut zu bestehen, ist ohnehin der enorme Einsatz der ganzen Familie: In Siek arbeitet meine Frau Sabine ebenso mit wie Jens’ Frau Carolin, der Laden in der Lübecker Straße wird von Jens’ Schwester Katrin geleitet, und meine Schwester Heike pflegt und aktualisiert von Bergisch Gladbach aus unsere Internetseite – bei 7000 Artikeln ein echter Fulltimejob.

Als stolzer Opa bin ich übrigens echt gespannt, ob mal eines von Jens’ und Carolins Kindern Lust haben wird, in den Betrieb einzusteigen.“