Hamburg. Sie hatte mal einen Michelin-Stern, doch danach strebt sie nicht mehr. Viel wichtiger ist ihr das Wohl der Gäste.

Cornelia Poletto ist, seit ich sie kenne, ständig bis über beide Ohren verliebt. Und zwar in das, was eine wirklich herausragende Küche von einer mittelmäßigen oder „nur“ sehr guten Küche unterscheidet: großartige Lebensmittel! Von Beginn ihrer Karriere an hat sie konsequent das Ziel verfolgt, ohne Rücksicht auf Kosten, Verluste oder Bedenkenträger nur die besten Zutaten auf den Teller zu bringen. Das erste Mal begegnete mir die damals noch sehr junge Herdvirtuosin 1999 als Gastköchin während eines von mir organisierten Weinmenüs in einem Restaurant.

Mit einigen brillanten kulinarischen Einfällen und immensem Einsatz sorgte sie dafür, dass dieser Abend für alle Gäste zu einem besonderen Erlebnis wurde. Bereits hier blitzten die ungeheure Energie, das Können und die Beharrlichkeit auf, mit denen sie ihr im Oktober 2000 eröffnetes Restaurant nahezu in Rekordzeit zu Michelin-Sternweihen führen sollte.

Dabei war der Anfang echt schwer: Erstklassige Lebensmittel kosten nun mal sehr viel Geld, dementsprechend waren auch die Preise gerechtfertigterweise hoch. Und da konservative Hanseaten Zeit brauchen, bis sie ein neues Restaurant annehmen, ließ die Auslastung manchmal zu wünschen übrig. In dieser Phase empfahlen ihr viele Wohlmeinende, qualitativ Abstriche zu machen und das Niveau zu senken. Cornelia Poletto hörte sich alles an – und machte unbeirrbar und mit enormem Arbeitseinsatz weiter wie gehabt.

Begeistert von den Facetten der italienischen Küche

Die Erfolge stellten sich dann nach und nach ein: Ende 2000 erschien die erste, von ehrlicher Begeisterung getragene Restaurantkritik im Hamburger Abendblatt (von wem wohl?), 2002 folgte der erste Michelin-Stern, und kurz danach begann die beeindruckende Karriere der Spitzenköchin im Buntfernsehen, die sie zur bislang bekanntesten deutschen Köchin dieses Jahrtausends und zum jungen, frischen Gesicht der neuen deutschen Küchenszene gemacht hat. In ihrem aktuellen Haus „Cornelia Poletto“ verzichtet sie freiwillig auf Sterne-Weihen – an ihrem Beharren auf kompromissloser Qualität hat sich jedoch kein Jota geändert.

Mit dem Spezial-Mini geht es auch zum Cateringeinsatz.
Mit dem Spezial-Mini geht es auch zum Cateringeinsatz. © Junius Verlag

Tatsächlich ist das „Cornelia Poletto“ eines der wohl meist unterschätzten und somit auch preiswertesten Restaurants in Hamburg: Denn heimlich, still und leise hat die Küchenchefin ihre Brigade schon wieder auf Sterne-Niveau getrimmt. Sie kann halt nicht anders als kompromisslos perfekt. 2005 erschien als erste von vielen erfolgreichen Veröffentlichungen das Kochbuch „Alles Poletto“, aus dem auf Wunsch der Wirtin sehr gern wie folgt zitiert sei: „Wer immer Cornelia Poletto als Gast begegnet, hat das Vergnügen mit einer überaus charmanten Dame: Freundlich, geduldig und mit echter Begeisterung wird sie schildern, was auf den geneigten Esser wartet.

Und wenn die feengleiche, zarte Gestalt mit dem blonden Haar fein lächelnd in die Küche entschwindet, wird er sicher sein: Hier entstehen große Gerichte in einer spielerischen Harmonie unter Freunden. Durchaus desillusionierend kann es sein, wenn der nämliche Gast Ohrenzeuge davon wird, wenn der Küchenbrigade gerade etwas missraten ist: Dann mag es passieren, dass kehlige Laute, die eher an den nahen Tierpark erinnern, aus der Küche dringen. Da wird dann gebrüllt, geschimpft und getobt: Und das ist nicht etwa ein böser Souschef, nein: Die Lady kann auch anders.“

Vater war Arzt

Wie die Lady zu dem wurde, was sie ist, erzählt sie uns nun selbst: „Mein Vater, seines Zeichens Arzt und Professor, war ganz schön verblüfft, als ich ihm mit 18 Jahren eröffnete, dass ich Köchin werden will, hat diesen Wunsch dann aber von Anfang an unterstützt. Nach der Hotelfachschule habe ich mir einen Ausbildungsplatz bei einem der besten nur denkbaren Lehrmeister erkämpft: dem Dreisternekoch Heinz Winkler in Aschau. Eine echt harte Schule, aber das Handwerk, die Perfektion und Sorgfalt bei den Zubereitungen lernte ich hier von der Pike auf.

Außerordentlich geprägt hat mich dann meine nächste Station: das damalige Sternerestaurant Anna e Sebastiano. Von Anna Sgroi habe ich ungeheuer viele Inspirationen bekommen und die Raffinesse der Einfachheit kennengelernt, die die große italienische Küche auszeichnet. Das fasziniert mich bis heute. Zu den schönsten Aspekten meines Berufs zählt die Mitgliedschaft bei den Jeunes Restaurateurs – ein Kreis gleichgesinnter Spitzenköche, die im ständigen Austausch stehen und sich gegenseitig weiterbringen.

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  • Gerd Rindchen, Hamburger „Weinpapst“ und exzellenter Kenner der hiesigen Gastro-Szene, stellt in seinem Buch „Genuss­helden“ Hamburger vor, die mit ihrer Leidenschaft für gutes Essen und Trinken die Stadt kulinarisch bereichern.
  • Das Buch, das vom Junius Verlag und dem Abendblatt gemeinsam herausgebracht wird, enthält insgesamt 30 Porträts sowie ebenso viele Rezepte. Es hat 144 Seiten, kostet 29,90 Euro und ist im Buchhandel, in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) sowie unter www.abendblatt.de/shop erhältlich. Das Abendblatt druckt eine Auswahl der Geschichten jeden Sonnabend auf der Seite „Zu Tisch“.

Nach dem Abriss des Gebäudes, in dem ich mein erstes Restaurant hatte, habe ich den Michelin-Stern freiwillig an den Nagel gehängt – aber ohne jegliche Konzession an die Qualitäten der Produkte und die Sorgfalt der Zubereitungen. Außerdem sind in den letzten Jahren noch ein paar tolle Herausforderungen dazugekommen. So macht es mir viel Freude, mein Know-how in meiner Kochschule Cucina an genussfreudige Menschen weiterzugeben.

Einige spannende Entwicklungen

In der ‚ZDF-Küchenschlacht‘ habe ich als Moderatorin und Jurorin viel Kontakt mit netten und kompetenten Kochkollegen und versuche, engagierten Hobbyköchen Mut zu machen. Eine schöne Aufgabe ist es auch, für die Dinnershow ‚Palazzo‘ Jahr um Jahr aufs Neue ein spannendes Menü zu entwickeln. Außerdem unterstütze ich seit vielen Jahren als Schirmherrin das Altonaer Kinderkrankenhaus.

Sehr spannend ist das bislang größte Projekt, das mir noch einmal eine ganz neue Welt erschlossen hat: 2018 habe ich gemeinsam mit meinem Kooperationspartner Zwilling das Restaurant ‚The Twins by Cornelia Poletto‘ in Shanghai eröffnet und pendele nun gelegentlich zwischen China und Deutschland. Aber auch für die Heimat gibt es viele neue Pläne. Die Hamburger können sich jedenfalls in den nächsten Jahren noch auf einige spannende Entwicklungen freuen.

  • Das Restaurant: Cornelia Poletto, Eppendorfer Landstr. 80, 20249 Hamburg, Tel. 480 21 59, www.cornelia-poletto
  • Der Live-Podcast in der Reihe „Entscheider treffen Haider“ mit Cornelia Poletto und Rüdiger Grube wird am 25. Mai 2020 um 19 Uhr im Grand Elysee aufgenommen, Karten für 27 Euro inkl. Ticketgebühr in der Geschäftsstelle am Großen Burstah 18-32, per Telefon unter 30 30 98 98 sowie online unter abendblatt.de/leserevents