Altona-Altstadt. Am Hafenrand hat sich zwischen Fischhändlern das Marseille etabliert. Hier kommt französisch-saisonale Küche auf den Tisch.
Südfrankreich liegt an der Großen Elbstraße. Zwischen Fischhändlern und anderen Restaurants hat sich hier am Hafenrand das Marseille etabliert. Französisch-saisonale Küche kommt auf den Tisch, und Patron Milenko Gavrilovic unterhält sich gern mit den Gästen über den Sinn des Lebens.
Im Sommer kann man vor dem mehr als 100 Jahre alten weiß-gelben Haus unter großen Schirmen draußen sitzen. Jetzt finden die Gäste Platz in einem der beiden Räume. Im kleineren, dem Salon, hängen maritime Bilder und rote Lampen an den hellen und halbhoch holzvertäfelten Wänden, vor dem Fenster ein roter Vorhang. In kleinen Regalen liegen Zeitschriften und Bücher, an der Stirnwand hängt ein großer Spiegel, unter der Decke ein Ventilator wie in Casablanca. Die Atmosphäre ist warm und gemütlich.
Es gibt wechselnde Tages-Spezialitäten
Im Schankraum kann man dem Zapfer hinter dem gekachelten Tresen bei der Arbeit zuschauen. Auf einer Tafel darüber sind die wechselnden Tages-Spezialitäten angeschrieben. Auch in diesem Raum Bilder, Druckerzeugnisse und Lesestoff. Der Holzfußboden hat eine angenehme Patina angesetzt.
Braune Holzstühle stehen in beiden Gasträumen an ebensolchen Zweiertischen. Diese sind mit Papier-Sets, handlichem Besteck, einfachen Wassergläsern und Stoff-Servietten eingedeckt. Und auch das schwedische Möbelhaus als großer Gastro-Ausstatter hat ein paar Gläser für Teelichter vorbei gebracht.
Milenko Gavrilovic stammt aus dem serbischen Brčko in Bosnien-Herzegowina. 1991 verließ der studierte Betriebswirt seine Heimat, ging in die Schweiz und nach Südfrankreich. „Ich habe in Marseille gelebt, deshalb habe ich auch mein Restaurant so genannt“, sagt der 53-Jährige. „Der Hafen dort ist dem in Hamburg sehr ähnlich. Und schließlich sind es Partnerstädte.“
Gavrilovic hat mit Tim Mälzer und Christian Rach gearbeitet
In der hanseatischen Gastro-Szene ist der frankophile Serbe gut vernetzt. „Christian Rach war der erste, den ich kennengelernt habe, als ich 1999 nach Hamburg kam.“ Mit dem Koch und Restaurant-Tester sowie mit Tim Mälzer arbeitete Gavrilovic zusammen im Restaurant Engel am Anleger Teufelsbrück, bevor er 2008 sein Restaurant Marseille eröffnete. Zu seinem kleinen „Imperium“ gehört außerdem das Eisenstein in Ottensen in Kooperation mit Michael Schlie sowie eine Drittel-Beteiligung am Off Club von Tim Mälzer in Bahrenfeld.
Qualität, handwerkliches Können und Frische bei den Produkten sind die Prinzipien des Patrons, der sich als „Gastrosophen“ bezeichnet und jeden Tag im Marseille zu finden ist. „Essen ist ein soziales Ereignis. Viele Stammgäste betrachten das Lokal als ihr zweites Wohnzimmer, besprechen mit mir ihre Probleme und den Lauf der Welt.“ Und Essen hat nach Meinung von Gavrilovic eine ethische Komponente. „Wir verwenden zum Beispiel einen ganzen Fisch und nicht nur die Filets, kochen Fond aus dem Rest des Tieres.“
Diese köstliche Brühe ist dann die Grundlage für die Bouillabaisse à la Marseille, eines der Lieblingsrezepte von Küchenchef Philipp Kamlade. Die sämige und gut gewürzte Suppe schmeckt nach dem Hauch Safran, der dazu gehört. Üppige Stücke von Lachs, Zander und Calamar, ein Scampi sowie violette Kartoffeln schwimmen in der rotbraunen Flüssigkeit. Dazu werden Brotchips, geriebener Parmesan und Rouille, eine mayonnaiseähnliche scharfe Knoblauchsauce, serviert. Très bon! Die Variante à la Altona hat einen klaren Hummerfond als Basis.
„Ich koche alles gern, was wir auf der Karte haben“, sagt der 28-Jährige Küchenmeister. Der Hamburger hat schon im Marseille gelernt, zog danach an andere Herde und kam im vergangenen Sommer an den Hafen zurück. So schmecken auch seine mit einer raffinierten Farce aus Brot, Ziegenkäse und Kräutern gefüllten Calamari ebenso nach mehr wie die gebratenen Jacobsmuscheln, die von süßlicher Pastinake und Roter Bete sowie einem salzig-herzhaften Speckschaum begleitet werden.
Viele Gerichte können als große oder kleine Portion bestellt werden
Auf der Mittagskarte stehen auch Steckrübensuppe und Dinkelrisotto, am Abend locken noch Gnocchi mit Waldpilzen oder gefüllte Wachtel. Die Auswahl ist übersichtlich und wechselt regelmäßig, viele Gerichte können als kleine oder große Portion bestellt werden. „Die Gäste mögen es, wenn sie mehr probieren können“, sagt Philipp Kamlade, der natürlich alle seine Kreationen gerne isst, aber auch die Rouladen und die Hühnersuppe aus dem Elternhaus.
Als Dessert gibt es immer Crème brûlée und eine Käseauswahl sowie variierende Köstlichkeiten. Der umsichtige und freundliche Service bringt alles mit einem Lächeln an den Tisch.
Die Weinpreise sind fair kalkuliert, die Flaschen beginnen bei 28 Euro für rot und 21 Euro für weiß. Die Karte für die offenen Tropfen ist auf eine Magnum-Flasche geklebt, 2,40 Euro werden im günstigsten Fall für 0,1 Liter berechnet. Da probiert man gern mehrere Gewächse oder kann den Wein in übersichtlicher Menge genießen.
„Sind wir nicht alle auf der Suche nach Plätzen, die uns eigentlich schon ein Leben lang vertraut sind?“ Das ist einer der Lieblingsgedanken von Milenko Gavrilovic, den er gern mit seinen Gästen teilt. Essen, trinken, philosophieren, diskutieren, Gemeinschaft pflegen – dieses Rundum-Paket steht zwischen den Zeilen auf der Karte vom Marseille.
Restaurant Marseille Große Elbstraße 164
Vorspeisen beginnen ab 7,90 Euro, Hauptgerichte ab 11,90 Euro, Dessert ab 6,50 Euro. Die Mittagsauswahl ist etwas günstiger.
Rezept Bouillabaisse Marseille für 4 Personen
Zutaten:
-1,5 KG Fischkarkassen -
-Strauchtomaten
-2 Karotten
-2 Stangen Staudensellerie -4 Garnellen
-2 Große Zwiebeln mit der Schale
-1 Knolle Fenchel
-Schale von einer Orange
-20 Gr. Fenchelsaat
-10 Pfefferkörner
-1 Sternanis
-1 Lorbeerblatt
-2 EL Tomatenmark
-300 ml Rotwein
-100 Gr. Mehl
1 Gr. Safranfäden
Für den Fond das Gemüse mitsamt Schale grob in Stücke schneiden.
In einem großen Topf das Olivenöl erhitzen und die Gemüsestücke darin leicht braun
anschwitzen. Die Gewürze und Tomatenmark dazugeben und kurz mitschwitzen.
Mit dem Mehl bestreuen, mit dem Rotwein ablöschen und die Fischkarkassen dazu geben.
Mit 2 Liter Wasser auffüllen und circa 45 min leise köcheln lassen.
Durch ein feines Sieb passieren und abschmecken.
Anrichten und Servieren nach eigenem Wunsch. Als Einlage vier Garnelen und Fischfilets, zum Beispiel Dorade, Rotbarbe, Kabeljau, Lachs, Zander