Nienstedten. Die Hygge Brasserie & Bar trägt das dänische Wort für Geborgenheit im Namen. Und das vollkommen zu Recht.

Eine Bauernstelle wird zum Gasthof. Das ist auf dem Land ebenso normal wie die Tatsache, dass im früheren Pferdestall die Schankstube einzieht. Aber in der Stadt ist das eher ungewöhnlich. Das Landhaus Flottbek im Hamburger Westen steht für solch eine Umwandlung. Hotel und Restaurant gibt es seit Mitte der 90er-Jahre unweit der Kirche an der Baron-Voght-Straße. Fest verankert im Kalender für Feiern, Feste und Familientreffen in diesem Teil der Hansestadt. Das Lokal hat gerade eine Verjüngungskur erfahren – und wird jetzt vermutlich noch beliebter werden.

„Es war nicht mehr zeitgemäß“, sagt Nils Jacobsen. Der Kieler war rund 20 Jahre Pächter des Landhauses, vor zwei Jahren hat er den Betrieb gekauft. Eine Ausbildung zum Hotelkaufmann in Timmendorfer Strand, Stationen in Südafrika und Kalifornien, im Golfhotel Treudelberg und in Weimar kennzeichnen seine Laufbahn. Bis zum Sommer wird das ganze Anwesen noch renoviert: Hotelzimmer werden verändert, die Rezeption umgebaut, das Reetdach wurde gerade neu gedeckt. Und das Restaurant bekam einen anderen Namen: Hygge.

Schlüsselwort der Dänen

Das ist dänisch und heißt so viel wie Gemütlichkeit oder Geborgenheit. Hygge ist ein Schlüsselwort der dänischen Gesellschaft und umfasst eine Mischung aus Ruhe, einer schönen landschaftlichen und häuslichen Umgebung sowie einer ansprechenden Atmosphäre. Eine vertraute Runde im Wohnzimmer bei gutem Essen, Wein und Bier oder Kaffee und Kuchen, dazu gedämpftes Licht und eine Kerze auf dem Tisch – das ist „hyggelig“ und damit gemütlich.

 Carpaccio vom Weiderind
Carpaccio vom Weiderind © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

„Wir waren auf vielen Messen unterwegs“, sagt Jacobsen. „Hygge ist als Lebensthema, als Wir-Gefühl gerade aktuell. Das möchten wir abbilden.“ Das Lokal des 54-Jährigen will ein Treffpunkt zum Essen, Trinken, Klönen, Entspannen sein. „Die Gäste sollen einen schönen Abend, eine gute Zeit hier haben.“

Edel, rustikal und modern mutet der große Raum an, in dem bis 1980 die Pferde des Hamburger Polo Clubs ihre Boxen hatten. Zum Garten öffnen sich große Glastüren, zur Straße hin sind die kleinen Stallfenster geblieben, das Haus steht unter Denkmalschutz. Freigelegte Holzbalken und -ständer sorgen für optische Trennungen, ein großer offener Kamin in der Mitte wirkt wie eine alte Feuerstelle, über der nur der Suppentopf am Kesselhaken fehlt.

Weinproben am Hochtisch

An der Bar gibt es leckere Cocktails, am Hochtisch kann man Weinproben genießen. Die gemütliche Lounge mit Sofas lädt zum Herumlümmeln auf hohem Niveau ein. Im Restaurant ist Platz für 65 Gäste, sie sitzen auf bequemen Lederstühlen an handgefertigten Holztischen. Die sind eingedeckt mit Gläsern, Besteck, Brottellern und Leinenservietten. Viele Kerzen, mundgeblasene Glaslampen aus Italien, der Holzfußboden, Schaffelle, marmoriert-grau geschlämmte Wände und die offenen Holzstapel sorgen für eine Wohnzimmer-Wohlfühl-Atmosphäre.

20 Angestellte kümmern sich um die Besucher, die meist im Hamburger Westen wohnen oder im Hotel logieren und dann zum Essen im Landhaus einkehren. „Wir haben viele Touristen aus Asien“, sagt Nils Jacobsen. „Denen gefällt das Bauernhaus.“

Bei der Küche hat der Chef höchste Ansprüche, ohne dass die Mannschaft aber Druck bekommt, einen Stern zu erkochen. „Wir machen jede Sauce selbst zu den verschiedenen Gerichten“, sagt Jacobsen. Am Herd hat Thomas Nerlich den Hut auf. Der Küchenmeister aus Neustadt/Dosse ist seit knapp zwei Jahren im Landhaus. „Ich habe Spaß an gehobener Landhausküche“, sagt der 32-Jährige, der schon bei Eckart Witzigmann, im Le Canard und Tschebull sowie in der Bank gearbeitet hat. Nerlich schmort gern große Fleischstücke, pflegt die kulinarische Handwerkskunst. Natürlich hat er am neuen Konzept mitgearbeitet, der Küchenchef schätzt seine „vielen Freiheiten“.

Coq au vin im Landhaus Flottbek
Coq au vin im Landhaus Flottbek © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Im Hygge werden gern Töpfe und Pfannen auf den Tisch gestellt, damit sich mehrere Personen wie an der ­sonntäglichen Familientafel Gerichte teilen und mehr Vielfalt genießen ­können. So ist der Coq au Vin vom ­westfälischen Perlhuhn eine üppige Portion. Das Fleisch ist zart und saftig, die Haut vom Hühnerbein knusprig. Das Gemüse ist knackig, die Polentakrapfen sind eine wohlschmeckende Alternative zu Kroketten, die blauen Kartoffelchips ein leckerer Farbklecks. Auch die Pastrami-Stulle auf krossem Bauernbrot macht satt. Das Fleisch, hier ein Tafelspitz, wird im Haus gepökelt und gegart, die pikante Senfmayo passt perfekt.

Es gibt auch Wiener Schnitzel

Die Karte wechselt saisonal, gerade steht Spargel aus Wedel mit Schinken von Basedahl aus Hollenstedt hoch im Kurs. Die Klassiker wie Carpaccio vom Weiderind, geschmorte Ochsenbacke und Wiener Schnitzel gibt es aber immer. Und auch gutbürgerliche Klassiker wie Königsberger Klopse oder Rouladen bereitet die Küche gerne zu.

Für die Weinkarte ist Restaurantleiter Lennart Wenk verantwortlich. Der Berliner gehört erst seit Mitte April zur Landhaus-Mannschaft. „Mich hat das Konzept überzeugt“, sagt der 35-Jährige, der vorher in Nordhessen gearbeitet hat und den Hamburger Sommelier Hendrik Thoma als seinen Lehrmeister bezeichnet. Die Weinkarte umfasst mehr als 140 Positionen aus Deutschland, Europa und Südafrika. Für 6,50 Euro kommen 0,15 Liter eines offenen Tropfens ins Glas. Die günstigste Flasche steht mit 24 Euro auf der Rechnung.

Nils Jacobsen hat schon viele Gas­tro-Trends erlebt. Sein derzeitiges Fazit: „Das Publikum wird jünger, bunter und entspannter. Heute geht man viel häufiger ins Restaurant und gibt entsprechend mehr Geld aus.“ Im Hygge kommt etwas Gutes auf den Teller und ins Glas, das offene Feuer lodert, Genuss wird gelebt im alten reetgedeckten Pferdestall. Eben richtig hyggelig.

Hygge im Hotel Landhaus Flottbek Baron-Voght-Straße 179

www.hygge-hamburg.de