Hamburg. Das jüdische Restaurant Café Leonar bietet die Vielfalt der levantinischen Küche. Koscher gekocht allerdings nicht.
Gut situierte Bildungsbürgerfamilien, Studenten, Künstler – sie prägen das Leben am Grindel. Sie leben in Altbauwohnungen, haben mit dem Abaton ein Kino um die Ecke, können von einem Restaurant ins nächste Café bummeln. Und Zeitung lesen, Freunde treffen, Menschen beobachten, auf dem Sofa sitzen und Zeit verstreichen lassen. Zum Beispiel im Café Leonar.
Lebendig und einladend ist die Atmosphäre am Grindelhof 59. In den Bücherregalen stehen Werke von jüdischen Schriftstellern, das Angebot an Zeitungen und Zeitschriften ist groß. Die Gäste kommen aus der Nachbarschaft und ganz Hamburg und sogar aus New York. Denn in jüdischen Kreisen ist dieses Lokal ein fester Anlaufpunkt bei Besuchen in Hamburg.
„Wir wollen für unsere Gäste wie ein Wohnzimmer und eine Oase der Ruhe sein“, sagt Aliyas Karimi. „Deshalb gibt es tagsüber keine Musik und nur die Geräusche vom Café.“
Der Geschäftsführer kam kurz nach der Eröffnung vor elf Jahren in den Betrieb. Seit 30 Jahren lebt der gebürtige Iraner, der aus Tschalus am Kaspischen Meer in Norden des Landes stammt, in Deutschland. „Ich habe in Lüneburg in Wellenkamps Hotel Koch gelernt und anschließend im Hotel Bergström gearbeitet.“ Dann führte es den heute 47-Jährigen in die Hamburger Bar- und Gastro-Szene.
Das Grindelviertel war früher ein Zentrum für jüdische Kultur
Karimi lernte Leonar-Betreiber Arnold Simmenauer kennen und stieg mit ein. Mittlerweile führt er das Lokal allein. 2011 musste das 2008 eröffnete Restaurant umziehen, weil das Gebäude einem Neubau weichen musste. „Drei Jahre waren wir am Grindelhof 87“, sagt der Chef, „und Ende 2014 konnten wir an die angestammte Adresse zurück. Bis auf ein paar kleine architektonische Veränderungen ist alles gleich geblieben.“
Das Grindelviertel war früher ein Zentrum für jüdische Kultur. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten dort viele der etwa 25.000 Jüdinnen und Juden aus Hamburg. Zu ihnen gehörte auch Familie Simmenauer. Der Großvater musste 1938 die eigene Papierfabrik namens Leonar aufgeben und floh mit seiner Familie nach Frankreich. Daran erinnert heute der Name des Kaffeehauses, und er lebt so weiter.
Jüdische Symbole finden sich dezent im modernen Stil des Cafés, wie etwa ein Menora-Leuchter auf einem Regalbrett. Die Möbel sind schlicht, es gibt dunkle Holzstühle, Sofas sowie bequeme Sitzecken. Platz ist für etwa 50 Gäste. Hinter der Theke steht auf einer Tafel der wöchentlich wechselnde Mittagstisch. In der Vitrine lockt verschiedener Kuchen, die Espresso-Maschine blubbert vor sich hin. Mehr als 20 Beschäftigte sind im Schichtbetrieb im Lokal tätig.
Koscher gekocht wird im Café Leonar nicht
Im Raum im Hinterhaus wurde nicht mit Farbe gespart: bunt gepolsterte Stühle, petrolfarbene Regale, Holztische. ein Flügel und ein schöner Blick in den grünen, ruhigen Hinterhof. Hier finden Lesungen, Vorträge oder Musikveranstaltungen statt, die vom Verein „Jüdischer Salon am Grindel“ organisiert werden. 30 Menschen finden hier Platz. „Wir organisieren hier auch Trauungen mit einem Standesbeamten oder Familienfeiern“, sagt Aliyas Karimi.
Koscher gekocht wird im Café Leonar nicht. Das wäre viel zu aufwendig. Dennoch: Der Fokus der Speisen liegt auf der nahöstlichen Küche. Und da kommt Küchenchef Adam Seel ins Spiel. Denn als der 33-Jährige ein Kochbuch des israelisch-britischen Starkochs Yotam Ottolenghi gelesen hatte, wusste Seel: „Ich will Levante-Küche machen.“ Der gebürtige Greifswalder hat auf Sylt gelernt und schon in vielen Hamburger Restaurants gearbeitet. Aber erst mit den Gerichten aus dem östlichen Mittelmeerraum fühlt der Küchenchef sich richtig angekommen.
So wird im Café Leonar Hummus im Ottolenghi-Stil serviert: weißer und sämiger als anderswo. Dazu gibt es zwei Salate, zum Beispiel orientalisch gewürzten Rotkohl, hausgemachtes Brot, die Sauermilch Labane und Falafel. Der frittierte Kichererbsenbrei in Bagel-Form ist eine Spezialität des Lokals: außen knusprig, innen weich und saftig.
Nahrung für den Geist und für die Seele
Oder Shakshuka. Das ist gebackenes Bio-Ei in Paprikasauce mit Brot, ein Standardgericht im Nahen Osten. Genauso wie der gebratene Käse Halloumi, das Auberginen-Püree Babaganoush mit Walnüssen, Granatapfelkernen und Petersilie oder die Rote-Bete-Suppe Borschtsch. Alles frisch zubereitet und sehr schmackhaft. „Eben echtes Essen“, sagt Aliyas Karimi.
Besonders stolz sind der Geschäftsführer und der Küchenchef auf ihr Reuben Sandwich mit Pastrami, Sauerkraut und zweierlei eingelegten Gurken auf Sauerteig-Brot. „Dafür bekommen wir Rinderbrust aus den USA“, erläutert Adam Seel. „Die wird eine Woche lang gepökelt, dann drei Tage in eine Würzmischung gelegt, anschließend geräuchert und schließlich bei niedriger Temperatur gegart. Und dann haben wir Pastrami, wie unsere Gäste und wir es mögen.“ Kultur und Gastronomie, Nahrung für den Geist und für die Seele – im Café Leonar geht das Rezept auf.