Hamburg. Genussexperte Rindchen speist heute im stylischen „Rainer Schneider – Speis & Trank“ in Eimsbüttel. Auch Veganer werden hier satt.

Eimsbüttel befindet sich seit Jahren im steten Wandel. Einstmals ein Arbeiterquartier und vor dem Zweiten Weltkrieg weitaus dichter bevölkert als heute, ist es heute neben Ottensen der wohl angesagteste Stadtteil bei jungen, einkommens- und bildungsstarken Familien, die sich die früheren Arbeiterwohnungen noch leisten können.

Wohl nirgends macht sich die neue Dynamik des Stadtteils so bemerkbar wie im noch vor wenigen Jahren ziemlich verschlafenen Stellinger Weg. Die Parallelstraße zur Osterstraße zeigt deutlich, dass die beklagte Gentrifizierung eben auch Lebendifizierung bedeutet. Wo Öde regierte, reiht sich nun ein Café an das nächste, und an lauen Sommerabenden herrscht hier nahezu südländisches Treiben.

„Rainer Schneider" in Eimsbüttel setzt auf schlichten Schick

Im Herzen des Stellinger Weges, wo über Dezennien ein düsterer Inder vor sich hin staubte, hat sich nun das brandneue „Rainer Schneider – Speis & Trank“ niedergelassen und bedient punktgenau die Bedürfnisse der neuen Zielgruppen im Viertel. Drinnen wurde buchstäblich kein Stein auf dem anderen gelassen, vor der nunmehr offenen Küche ist die Einrichtung licht, aufgeräumt und von schlichtem Schick.

Auf der Karte nehmen unter der Rubrik „Rainers Lieblinge“ gekonnt gemixte Cocktails einen breiten Raum ein, darunter spannende Kreationen wie „Helbing Basil“ mit Helbing, Zitrone, Zucker und Basilikum oder „Rainers Margaritha“ mit Tequila, Limette, Agave und Napoleon Mandarine (je 11 Euro).

Speisenkonzept basiert auf frischen, guten Produkte

Aber wird denn in einem so stylishen Laden auch anständig gekocht? Die Antwort ist, zur Freude aller, ein klares „Ja“. Das Speisenkonzept ist klar, aufgeräumt, basiert auf frischen, guten Produkten und bedient mit wenigen Gerichten die Bedürfnisse vegetarischer und veganer Mitbürgerinnen und Mitbürger ebenso gekonnt wie den traditionellen Freundeskreis Fisch und Fleisch.

Das Duroc-Schweinekotelett, Paprika Süßsauer mit schwarzem Bohnenpüree kostet 25 Euro.
Das Duroc-Schweinekotelett, Paprika Süßsauer mit schwarzem Bohnenpüree kostet 25 Euro. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Das ist ziemlich intelligent und durchdacht. Sehr deutlich wird dies bei beim Panzanella-Salat: Die bunten Tomaten sind klein, aromatisch und von bester Qualität, die Burrata ist frisch und ebenfalls sehr hochwertig, dazu gesellen sich pikant eingelegte rote Zwiebeln und frisch geröstete, fluffige Croûtons – das ist für 8,50 Euro eine sehr respektable, überdies ordentlich dimensionierte Vorspeise. Sehr spannend auch die Komposition „Piggeldy Frederick“ (10 Euro): Sorgsam aufgeschichtet vereinen sich mildes Sauerkraut, Kartoffeln, Meerrettich und Blutwurstwürfel zu einem geschmacksintensiven Gesamtkunstwerk.

„Spar’s Schwein“ wurde für Veganer konzipiert

Bei den Hauptgerichten sollte der Veganer als solcher sich nicht achtlos vom Gericht „Spar’s Schwein“ (17 Euro) abwenden, denn just jenes ist irreführend benannt und extra für ihn konzipiert: Pilzrippchen, Süßkartoffel, Grüne Tomatensalsa, Gurkenpickel und Maiskolben bieten Veganern (und anderen) ganz ohne Schweinderl kulinarisches Behagen.

Einer beliebten Volksschauspielerin gewidmet ist der Gang „Heidi Kabel-jau“ (24 Euro) – und blamiert die Hamburger Ikone nicht: Auf den Punkt gegarter, saftiger, hochwertiger Kabeljau, per se ja ein eher milder Fisch, profitiert enorm von seiner aromensatten Sauce aus getrockneten Tomaten und wird gekonnt flankiert von knackigem Spinat, Pinienkernen und Kartoffeln – das passt. Und beim „Flat Schneider“ (21 Euro) bietet kernige Rinderhüfte mit Rucola, Parmesan, Chimichurri und Oliven ebenfalls ein erfreuliches Genusserlebnis.

Gerd Rindchen besucht für das Hamburger Abendblatt Restaurants in der Stadt und schreibt darüber.
Gerd Rindchen ist Wein- und Genussexperte. © Bertold Fabricius | Bertold Fabricius

Bierfreunde freuen sich, dass das leckere Pilsner Urquell mit 4,20 Euro für 0,5 Liter recht fair bepreist ist, Weißweinfreunden würde ich zum Erwerb des teuersten Tropfens, des 2018er Weißburgunder Kabinett trocken von Köhler-Ruprecht, raten (Glas 9 Euro, Fl. 30 Euro). Der Sauvignon Blanc vom an sich überaus renommierten Gut Von Winning aus der Pfalz (Glas 8 Euro, Fl. 26 Euro) war ein Zweitwein aus zugekauften Trauben und ließ als 2019er schon arg die Flügelchen hängen, der offerierte Riesling war nicht sonderlich sortentypisch, und Grauburgunder (das sehe ich etwas anders als gefühlt 98 Prozent der Bundesbürger) braucht man nicht unbedingt.

Rainer Schneider: Ganz nah am Eimsbüttler Treiben

Kleiner Wunsch: Hier noch ein richtig guter Riesling (gern ein Original von Von Winning, die können das sehr überzeugend) oder Grüner Veltliner dazu, dann passt auch die Weinkarte zur guten Küche.

Richtig nett ist es, im Rainer Schneider (Inhaber: Niels Berschneider) draußen auf dem Trottoir zu sitzen und das neue Eimsbüttler Treiben in seiner ganzen Vielfalt an sich vorbeiziehen zu lassen: Vom benachbarten Korfu Grill schleppen junge Familien, Papa mit Hipsterbart, Mama mit der angesagtesten Kinderwagenmarke, und gestandene Eimsbüttler in legerer Funktionskleidung legendär große Fleischberge nach Hause oder lassen sie sich vor Ort munden, im gegenüberliegenden Old Mac Donald flimmern Fußballübertragungen, auf der benachbarten Sitzbank führen einige ältere, möglicherweise nichtsesshafte Mitbürger lautstarke, vom Alkohol befeuerte Debatten, vor den gegenüberliegenden Cafés nippen fröhliche junge Damen an ihrem Apérol Spritz oder Macchiato – und man konstatiert erfreut: Mitten in Eimsbüttel ist man mitten im Leben.

Rainer Schneider– Speis & Trank, Stellinger Weg 35, 20255 Hamburg, Tel. 040/43 27 78 10, Mi–Fr 17–23 Uhr, Sa+So 10–23 Uhr, www.instagram.com/rain.erschneider/