Hamburg. Markus Schneider muss seine Weine “mehr oder weniger zuteilen“, so groß ist das Interesse an seiner Produktion aus der Pfalz.

Die Frage, wie viele seiner rund 900.000 Flaschen er verkaufen werde, ­beantwortet Markus Schneider seit sechs Jahren immer gleich: alle. Wobei „verkaufen“ bei Deutschlands wahrscheinlich bekanntestem Winzer das falsche Wort ist.

Das Interesse an seinen Weinen ist so groß, dass er sie „mehr oder weniger zuteilen muss“, auch wenn ihm das keinen Spaß mache: „Es geht nicht anders, weil wir nicht mehr produzieren können“, sagt Schneider, der diesmal Gast in unserer Reihe „Vier Flaschen“ ist.

Markus Schneider hat bei Null angefangen

Weinkenner Michael Kutej, Riesling-Liebhaber Lars Haider und Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard konnten somit schon früher als viele andere die ersten Schneider-Weine aus dem Jahrgang 2020 probieren. Einer der drei Podcaster wird am Ende übrigens etwas enttäuscht sein – aber dazu später mehr.

Zunächst einmal geht es um Markus Schneiders Geschichte, die zu den ungewöhnlichsten in der deutschen Weinszene gehört. Denn es ist noch gar nicht so lange her, dass der Winzer quasi keine Kunden hatte. Das war 1994, „ich habe bei null angefangen, hatte nichts. Deswegen empfinde ich heute körperliche Schmerzen, wenn ich Interessenten absagen muss, weil die Nachfrage nach meinen Weinen das Angebot so stark übersteigt.“ Ja, er könne versuchen, das über höhere Preise zu regeln, aber, „irgendwann ist eine Flasche Wein auch bezahlt“.

Was es mit dem "ganzen Marketingding" des Winzers auf sich hat

Diese vier Weine haben die Podcaster getestet.
Diese vier Weine haben die Podcaster getestet. © Axel Leonhard / FUNKE Foto Services | Axel Leonhard

Aufräumen will Schneider bei den „Vier Flaschen“ mit dem „ganzen Marketingding“, also der Unterstellung, dass seine Weine vor allem deshalb so erfolgreich seien, weil dahinter eine extrem professionelle Vermarktungsstrategie steckt, die bei den Etiketten in Schwarz-Weiß beginnt und bei Namen wie Blackprint und Kaitui endet: „Da steckt weder eine besondere Strategie noch eine Agentur dahinter. Ich habe mir nur irgendwann überlegt, wie man gute Weine gut verpacken kann, und ich mache das alles genau so, wie es mir gefällt.“ Dass das im Weingeschäft heraussticht, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass andere Winzer sich über die „Verkaufe“ ihrer Produkte zu wenig oder gar keine Gedanken machen – ein Umstand, der Markus Schneider schon länger ärgert.

Immerhin: Im Corona-Jahr 2020 war er mal nicht der Einzige, der relativ schnell ausverkauft war, die Nachfrage nach (guten) Weinen ist deutlich gestiegen. Und Schneider glaubt, eine Erklärung dafür zu haben, in der es nicht darum geht, dass sich die Menschen die neue Wirklichkeit zwischen weichen und harten Lockdowns schöntrinken wollen: „Wir haben durch Corona alle viel mehr Zeit, uns intensiver mit schönen Dingen zu beschäftigen. Das gilt auch und gerade für die Weine, und davon profitiert die gesamte Branche.“

Die Weine des Corona-Jahrgangs 2020

Jetzt aber zu den Weinen aus 2020, einem Jahr, „das uns allen sehr viel abverlangt hat, das aber, was die Qualität der Weine angeht, zu den besten im vergangenen Vierteljahrhundert gehört“, so Schneider. Obwohl es sehr trocken und warm gewesen sei, habe es im richtigen Moment geregnet, aber nicht zu viel, die Trauben seien ausgereift: „Wir haben eine sehr gute Harmonie in dem Jahrgang, rot wie weiß.“ Los geht es mit dem Weißburgunder, der nach Pfirsich, Aprikose und ziemlich süß riecht, tatsächlich aber extrem trocken ist: „Ein Weißburgunder mit Anspruch“, sagt Michael Kutej, für den Weißburgunder viel besser zu Speisen passen als der bei den Deutschen noch deutlich beliebtere Grauburgunder. Die Flasche kostet 10,90 Euro.

Mehr von den "Vier Flaschen":

Zur zweiten Flasche, dem Kaitui, einem Sauvignon blanc, der eine lange Vorgeschichte hat. Im Jahr 2000, Schneiders Weingut war noch recht jung, und der Winzer hatte kein Geld, aber das Gefühl, dass in Deutschland angebaute Sauvignon blancs eine große Zukunft haben würden. „Meine Familie hat damals auf meinen Vorschlag hin sehr viel Geld in Sauvignon-Pflanzungen investiert – und es hat nicht funktioniert.“ Der Wein habe zwar gut geschmeckt, sei bis zum Jahr 2007 aber nur wenig verkauft worden – dann kam Schneider auf die Idee, ihn Kaitui zu nennen, der Begriff bedeute in der Sprache der Maori, also der indigenen Bevölkerung aus der Sauvignon-blanc-Heimat Neuseeland, so etwas wie Schneider: „Und auf einmal wollten alle den Wein trinken.“

Rebstöcke für den Sauvignon kommen aus Frankreich

Der Wein rieche typischerweise nach grünen Kräutern, „fast ein wenig ätherisch“, sagt Kutej, schmeckt aber nach rote Johannisbeeren und Stachelbeeren, auch das für einen Sauvignon blanc nicht ungewöhnlich. Die Rebstöcke kommen inzwischen nicht mehr aus Neuseeland, sondern von der Loire.

Eine neue Flasche (Nummer drei), ein anderer, seltsam klingender Name: Der Hullabaloo ist eine Mischung aus Sauvignon blanc (85 Prozent) und Vio­gnier (15 Prozent). Hullabaloo klingt wie Tohuwabohu, so heißt ein Rotwein, den Schneider nach seinem Sohn benannt hat, der „unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat“. Als seine Frau später noch ein Mädchen auf die Welt brachte, war mit ihm der Name Hullabaloo geboren. Der Erlös aus den Verkäufen gehe komplett an ein Kinder-Hospiz, es seien dadurch schon einige Hunderttausend Euro zusammengekommen.

"Sauvignon blanc kann man sehr, sehr leicht neutralisieren"

Erstaunlich ist bei dieser wie bei vielen anderen Cuvées, die einen hohen Sauvignon-blanc-Anteil haben, dass man diese sehr aromatische Rebsorte kaum herausschmeckt. „Sauvignon blanc kann man sehr, sehr leicht neutralisieren. Wenn wir im Weinkeller sind und einer meiner Kollegen einem Fass mit Sauvignon blanc zu nahe kommt, sage ich deshalb gern scherzhaft: Halt bloß Abstand, sonst schmeckt der gleich anders“, so Schneider. Zwei, drei Prozent eines anderen Weines würden reichen, um den Sauvignon komplett zu verändern. Das sei auch das Ziel beim Hullabaloo, der dank des Viogniers eben nicht nach grünen Kräutern, sondern nach Früchten, vor allem nach Mandarinen, schmecke.

Und was gibt es zum Schluss? Alte Reben, ein Riesling. „Einen Korb voll Steinobst“, schmeckt Kutej, Rieslingliebhaber Haider schmeckt vor allem Mirabelle – und muss dann hören, dass Schneider plant, sich aus dem Geschäft mit Rieslingen zurückzuziehen: „Wir werden unsere Flächen nahezu auf null fahren und uns stärker auf Chardonnay und Viognier konzentrieren.“ 2020 habe man schon deutlich weniger Riesling geerntet, weil die Anbaugebiete gerodet worden seien. Für Michael Kutej ist diese Entscheidung folgerichtig: „Schneider steht nicht für Rieslinge und wird mit dieser Rebsorte auch nie zu den besten Winzern in Deutschland gehören.“