Flensburg. Restaurant Hafenküche hat sich vom Geheimtipp zum Spitzenlokal entwickelt – fast schon Sterne-Niveau. Betrieb geht wieder los.
Die Region zwischen Kappeln an der Schlei und Flensburg hat im Vergleich zu anderen Urlaubsgegenden an Ost- und Nordsee einen Nachteil: Das gastronomische Angebot ist übersichtlich, sowohl in der Breite als auch in der Spitze. Das ändert sich jetzt, wie ein prominentes Beispiel in Flensburg zeigt: Dort hat sich die Hafenküche innerhalb von nur zwei Jahren von einem Geheimtipp zu einem der ambitioniertesten Restaurants entwickelt.
Hinter der Hafenküche stehen vier junge Menschen aus Flensburg – Sandra Nielsen, Jan Voß, Fabian Keller und Ben Heinrich. „Wir hatten alle mehr oder weniger die Idee, uns eines Tages selbstständig zu machen“, sagt Sandra Nielsen, Geschäftsführerin des Restaurants. „Und dann wurde dieses Haus frei und saniert. Da mussten wir einfach zuschlagen.“
Flensburger Restaurant bietet Spitzenküche
Das Haus, Baujahr 1840, von dem die junge Frau spricht, steht direkt am Hafen der kleinen Stadt an der dänischen Grenze. Zuvor beherbergte es die Kneipe Zum Störtebeker. „Und dann wurde umgebaut, und wir waren mit unserem Konzept dabei“, sagt Nielsen. Sie hat zusammen mit ihren drei Mitstreitern die Inneneinrichtung der Hafenküche im Alleingang entworfen. „Einen Architekten brauchten wir nicht.“
Da wurde aus alten Dielenböden Holz für den Tresen und Tische herausgeschnitten. Oder alte Holztüren einfach zu Möbeln umfunktioniert. So entstand ein großer freundlicher Raum für rund 60 Gäste mit alten Mauerelementen, einem großen Tresen und einem Fenster, durch das man in die Küche schauen kann. Ein freundlicher Innenhof steht zusätzlich im Sommer mit rund 20 Plätzen zur Verfügung.
Das Besondere an der Hafenküche ist aber weniger die Einrichtung als das gastronomische Konzept. Die feste Karte ist eher minimalistisch. Es gibt Suppen, einen Salat, Labskaus und ein Fisch- oder Fleischgericht. Der Clou ist aber die täglich wechselnde Karte. Die bestimmen nämlich die Köche selbst. „Wir kochen danach, was unsere Lieferanten uns anbieten“, sagt Nielsen. „Oder was unsere Küche ausprobieren will.“
Auf der Karte steht Kabeljauloin auf Pastinakenpüree
Da stehen dann zum Beispiel Kabeljauloin auf Pastinakenpüree mit bunter Bete und grünem Blumenkohl oder Bockshornklee-Risotto mit Flower Sprouts. Aber auch die Poutine, ein Nationalgericht aus Kanada. „Normalerweise sind das dicke Fritten mit Bratensoße und Käse. Wir haben sie vegan umgesetzt und die Gemüsekomponente erhöht und mit einer Gemüsejus gearbeitet.“
Auch an ein ganz besonderes Rind, das Wagyu-Rind, haben sich die Köche schon gewagt. Immer wieder ein Risiko, sagt Nielsen, aber immer öfter eins, das aufgeht. „Dieses Konzept hat sich im Laufe unseres ersten Jahres Stück für herausentwickelt“, so die Geschäftsführerin. „Und mittlerweile ist es das, was uns von allen anderen Restaurants abhebt.“
Gestartet waren die vier im Frühling 2018 mit der Idee, frische regionale Produkte zu anspruchsvollen Gerichten zu verarbeiten. Alles selbst zubereitet, ohne ein Fertigprodukt. Herausgekommen ist eine Küche, die teilweise von einem Sterneniveau nicht mehr weit entfernt ist. „Dabei ist das absolut nicht unser Anspruch“, so Nielsen. Ja, sehr gut, das wollen sie mit ihrer Küche schon sein. Aber vor allem sehr frisch und eben hin und wieder auch experimentierfreudig. „Und da kommt dann unweigerlich das eine oder andere wirklich Außergewöhnliche heraus. Einfach weil hier alles ausprobiert werden kann.“
Im Hostel über dem Restaurant kosten Doppelzimmer ab 70 Euro
Die Tagesgerichte schreibt das Team an eine große Tafel an die Wand. „Diese Tafel ist es, die uns von anderen Läden sicherlich unterschiedet“, sagt die Chefin. Denn sie ermöglicht es, die verrücktesten Sachen auszuprobieren. „Und die werden im Großen und Ganzen sogar von unseren Gästen angenommen, das ist ja das Tolle.“
Preislich bewegt sich die Hafenküche im oberen Mittelfeld, sagt Nielsen. Hauptgerichte gibt es ab 15 Euro. „Damit haben wir uns jetzt hier in Flensburg gut etabliert.“ Ein Mix von 50 Prozent Touristen und 50 Prozent einheimischen Gästen würden sie mittlerweile bei den Buchungen verzeichnen. „Und das ist perfekt für uns.“ Auch eine kleine feste und treue Stammkundschaft gebe es bereits. Einige von ihnen kommen sogar einmal in der Woche. „Können sie ja auch, weil es immer etwas anderes gibt.“
Nielsen betreibt zusammen mit Jan Voß den Laden. Die anderen beiden Mitstreiter sind eher stille Teilhaber. Der eine arbeitet noch als Lehrer, der andere betreibt hier eine Fischbude in der Stadt. So hätten sie für alle das passende Aufgabenfeld gefunden.
An die Hafenküche ist ein Hostel angeschlossen
Nielsen ist es auch, die sich zudem um das angeschlossene Hostel kümmert. 34 Betten verwaltet sie in den darüber liegenden Stockwerken, im Seemannsheim. Da gibt es Zwei-Bett-Zimmer auf Hotelniveau (ab 70 Euro die Nacht), aber auch Zimmer mit acht Betten, wie die Betreiber 20 Euro pro Person und Nacht berechnen. Alle eingerichtet im modernen maritimen Stil.
20 Mitarbeiter sorgen dafür, dass oben und unten alles reibungslos verläuft. „Damit haben wir hier richtig was geschafft“, sagt Nielsen. Schließlich würden 22 Menschen von der Hafenküche und dem Seemannsheim ernährt. „Und das macht uns rechtschaffend stolz.“
Und will man auch wieder hin. Seit Mittwoch ist das Restaurant nach genau zwei Monaten Pause wieder geöffnet. „Endlich“, sagt Nielsen. Allerdings nur mit halber Kraft. Halbe Kraft, das heißt die Hafenküche ist nur an fünf Tagen die Woche geöffnet. Erst einmal wird der Laden nur mithilfe der festangestellten Mitarbeiter geführt. „Wir wollen uns langsam herantasten.“
Schließlich würden auch nur in etwa die Hälfte der Plätze belegt werden können. Die Hoffnung von Nielsen und ihren Mitstreitern ist allerdings, „dass hier Stück für Stück wieder Normalität eintritt“. Stück für Stück trudeln nun auch die Reservierungen ein. „Wenn das so weitergeht, dann kommen wir vielleicht sogar ganz gut durch diese außergewöhnliche Zeit.“