KLEINE ANTILLEN Während Trinidad sich jetzt für den Karneval und das älteste Calypso-Happening der Welt putzt, bleibt es auf der Nachbarinsel Tobago eher ruhig.

Katharina Büttel

Port-of-Spain

Trinidad is nice, Tobago is paradise", heißt es auf den Kleinen Antillen. Der stete Schönheitswettbewerb zwischen den beiden Insel-Schwestern vor der Küste Venezuelas bleibt offen: Die große pulsiert, die kleine präsentiert sich als tropisches Paradies.

Trinidad ist die Heimat des Calypso und ein Mekka der Partygänger. Tobago dagegen empfiehlt sich als ruhiges Robinson-Crusoe-Eiland - ein Refugium für Müßiggänger. Gemeinsam haben die beiden Inseln Palmenstrände mit feinem Sand, türkisfarbenes Wasser und Regenwälder wie vor 200 Jahren. Und natürlich hilfsbereite Menschen, die sich dem gemächlichen Leben der Tropen angepasst haben.

In dieser Atmosphäre ergibt sich das Urlaubsprogramm von selbst: tagsüber Sonnenbaden, Segeln, Tauchen - und abends Soca, der heiße Mix aus Soul und Calypso, Rum und Reggae.

Das oft beschriebene karibische Lebensgefühl ist auf dem Insel-Duo ähnlich. Wenn es aber darum geht, Partys zu feiern, können die Schwestern nicht unterschiedlicher sein. Auf Trinidad kann man allem Möglichen aus dem Weg gehen, nur der Musik nicht. Und schon gar nicht ab Januar, wenn die "größte Show der Welt" beginnt. Unbestritten ist der Karneval der Höhepunkt auf der Insel, der bis Mitte Februar Zigtausende in seinen Bann zieht. Jeder, der mitmacht, gehört dazu, ist ein "Trini".

Und auch sonst ist jetzt vieles ganz anders auf Trinidad. Politik ist weit weg, Radio und Fernsehen kennen nur ein Thema: Wer wird Calypso-Monarch, wer Soca-König; welche Steelband gewinnt, die "Desperados" oder doch die Favoriten "Exodus"? Was haben die Stars an Neuem zu bieten, haben die Shops auch ausreichend Rum und Bier gebunkert?

Besucher landen aus allen Himmelsrichtungen: Caribbeans, die in New York, Toronto oder London ihr Glück suchen, nehmen die Feste zum Anlass, ihre Familien wiederzusehen. Zusammen mit den partysüchtigen Touristen aus der alten Welt und Besuchern der Nachbarinseln feiern sie das älteste Calypso-Happening der Welt bei 30 Grad. Farbenprächtig und ausgelassen.

Das war nicht immer so. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden die Sklaven im Gesang und ihrer Musik Freiheiten, ihre Aggressionen gegen die herrschende Klasse herauszuschreien. Sie stülpten sich provozierende Kostüme über, verdeckten ihre Gesichter mit rüden Masken und äfften mit frechen Sprüchen die verhassten Zuckerbarone nach. Typen von damals wie Jab Jab, Moko Jumbie und Pierrot Grenade ziehen noch heute in ihren traditionellen Kleidern durch die Straßen der Inselhauptstadt Port-of-Spain.

Steelbands mit bis zu 100 Trommlern verzaubern etwa 400 abgesägte, rundgehämmerte Ölfässer in orchestrale Musikinstrumente. Ohne Noten, nur mit ihrer einzigartigen Musikalität vollbringen sie das wunderbarste Getöse von Soca bis Calypso, das man sich vorstellen kann.

Unter Wellblechdächern werden Tausende von Kostümen genäht, im Las-Vegas-Design, Azteken- oder Inkastil. Federbüsche werden arrangiert, Kopfputz gesteckt, Pailletten geklebt. Spaß macht, was bunt ist. Schließlich will man im Rausch von Farben, Tanz und Gesang in den Straßen, auf den Motivwagen und auf der Riesenbühne von Queen's Park Savannah überzeugen und Charme und Erotik versprühen.

Ist der Karneval vorbei, wird es stiller auf dem Eiland. Es lohnt sich dann, das Feriendomizil zu verlassen, um die Naturschönheiten zu entdecken. Von denen war selbst Kolumbus angetan, als er 1498 im heutigen Moruga an der Südküste an Land ging und Indianerstämme der Arawaks aus Südamerika vorfand.

Die Spanier kamen vor fast 450 Jahren, später die Briten. Mit den Sklaven aus Westafrika veränderte sich die Gesellschaft. Nachdem die Sklaverei vor 160 Jahren abgeschafft war, suchten hier Europäer, Chinesen, Araber und Inder ihr Glück. Alle haben ihre Tempel, Moscheen, Synagogen und Kirchen mitgebracht, sich vermischt und trotz vielerlei Problemen nie ihre Fröhlichkeit verloren.

Auf der Suche nach all den Typen der Karnevalstage geht es im Auto über Maraval auf die Bergkette im Norden. Dort öffnet sich die weite Bucht von Maracas: Schäumende Brandung, rauschende Palmen und Duftwolken der Imbisshütten wabern über den weißen Sand. Dazwischen wandelt, tanzt, singt, planscht und ruht alles, was an Sonntagen an Schönheit, Rasse, Klasse und Kuriosa aus Port-of-Spain anreist.

"Sunday liming'" nennen die Trinbigonier ihren Müßiggang. Wozu ein Angostura und der Geruch von Oak Rum gehören. Vorher sollte man auf jeden Fall Cassava-Brot, Planties (Kochbananen), die Spinatsuppe Callaloo oder das Nationalgericht Pelau, gebräunter Reis mit Fleisch und Gemüse, probiert haben.

Ruhe finden die Urlauber schneller auf Tobago. Hier werden Robinsonaden eher wahr. Die Einheimischen beharren nämlich darauf, dass der paradiesische Flecken Robinson Crusoes Heimat war. Sein Schöpfer, Daniel Dufoe, hörte von ihr und ließ seine Romanfigur 1659 an der Bacolet Bay im Südosten stranden. Heute spielen Touristen den legendären Robinson - nur mit etwas mehr Luxus. Kokosnüsse und Bananen wachsen ihnen fast in den Mund, frisches Quellwasser, tosende Wasserfälle und weiße Sandstrände gibt es auch. Und im Meer wimmelt es nur so von Fischen.

Wer am berühmten Buccoo-Reef vor Pigeon Point schnorchelt, fühlt sich wie in einem Riesenaquarium. Der Steg mit dem palmenwedelgedeckten Unterstand und den zum feinen Sand sich neigenden Palmen ist zudem das Parademotiv der Fotografen.

In kühnen Bögen begleitet die Straße die Küste, hinter jeder Kehre überrascht eine neue Bucht. Kleine Holzhäuser auf Stelzen setzen Farbtupfer in das satte Grün aus haushohem Bambus, Kakaobüschen und Kokospalmen. In Charlotteville endet die Straße; im Halbrund der Man of War Bay reihen sich kleine Fischerbuden wie an einer Kette auf. Keine laute Musik zerschneidet die Stille, es gibt nur einige Rum-Shops.

Versteckt hinter tropischem Gewächs lädt "Jemmas Restaurant" zu einem Stopp ein. Träumer und Romantiker warten mit ihrem Sundowner "Planters Punch", bis der rote Sonnenball am Horizont der Karibiksee erlischt - Papageiengekreisch, Meeresrauschen sowie den Duft von Rum und gegrillten Fischen gibt es gratis dazu.

Ruhe finden Urlauber schneller auf Tobago, wo Daniel Dufoe seinen Robinson stranden ließ.