Von JOACHIM MISCHKE

Hamburg - Es war das letzte Philharmoniker-Konzert dieser Saison, sicherlich eines der gelungensten, auf jeden Fall aber das programmatisch wie moralisch wichtigste seit Jahren: Hamburgs Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher präsentierte Hans Werner Henzes "Floß der Medusa" und holte damit die Hamburger Uraufführung nach, die 1968 in Tumulten untergegangen war.

Das vermeintliche Skandalstück (die Aufführung wird heute in der Musikhalle wiederholt) erwies sich als Plädoyer gegen Unterdrückung; die tagespolitisch erklärbaren Zwischentöne sind verjährt, ihre damals provozierend rote Färbung ist verblasst. Geblieben ist ein opernhaft angelegtes großes Oratorium, in einer plakativ darstellenden Tonsprache geschrieben, die anrührt und aufrüttelt. Dass Metzmacher seine "deutsche Spielzeit" mit dem "Requiem für einen jungen Dichter" des Außenseiters Bernd Alois Zimmermann begann und mit einem Schlüsselwerk Henzes beendet, ist - trotz aller Kompromisse im Tagesgeschäft zwischen Brahms und Verdi - als Bekenntnis zum Unbequemen, Aufklärerischen gemeint. Und dementsprechend dirigierte er auch: Klar organisierend, behielt er die Musikermassen auf der weit ins Parkett vergrößerten Bühne sicher zusammen.

Mit Roman Trekel, dessen hoher Bariton erstklassig geführt und mit voller Wucht eingesetzt wurde, und der brillanten Sopranistin Christiane Libor hatte Metzmacher zwei erstklassige Solisten an seiner Seite. Uli Pleßmann zog als Chronist des Grauens in den Bann, der NDR-Chor und die Alsterspatzen übernahmen die Parts der Lebenden und Toten. Am Ende gab es minutenlangen, begeisterten Beifall. Er galt den Interpreten - und einem aus den gesellschaftspolitischen Konflikten seiner Entstehungszeit herausragenden Meisterwerk.