Von JENS MEYER-WELLMANN Hamburg - Der designierte Hamburger CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust hält eine Koalition mit der Partei des Richters Ronald Schill nach der Bürgerschaftswahl am 23. September für denkbar. “Wir können mit allen demokratischen Parteien koalieren. Und Schills Partei ist demokratisch“, sagte von Beust gestern dem Abendblatt. Schills “Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ sei “zwar rechts, aber nicht rechtsradikal“.
Schill begrüßte von Beusts Angebot - und versuchte gestern auf seinem Parteitag in Langenhorn, auch die FDP mit ins Boot der von ihm so genannten "Koalition der Vernunft" zu ziehen. "Alexander von Stahl wäre ein hervorragender Justizsenator für Hamburg", sagte Schill. Er habe mit dem früheren Generalbundesanwalt bereits Kontakt aufgenommen. Von Stahl gehört zum nationalliberalen rechten Flügel der FDP.
In der CDU stieß von Beusts Aussage zu einer möglichen Schill-Koalition gestern auf Zustimmung. "Wenn wir die SPD endlich in die Opposition schicken wollen, müssen wir nach der Wahl mit allen demokratischen Parteien reden", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Heino Vahldieck. Ein Streit in der Fraktion über diesen Kurs sei allerdings nicht unwahrscheinlich.
Schulpolitiker Wolfgang Beuß sagte, man müsse über mögliche Koalitionen "emotionslos" nachdenken, wenn man die SPD ablösen wolle. "Aber jetzt konzentrieren wir uns auf unseren Wahlkampf. Wir wollen stärkste Fraktion werden." Die CDU müsse "nach vier Jahren Linksregierung" vor allem die Wähler der politischen Mitte ansprechen.
Auch der Hamburger Junge-Union-Chef, Stefan Kraxner, pflichtete von Beust bei - und verwies darauf, dass viele Forderungen der Jungen Union mit denen der Schill-Partei identisch seien.
Auf scharfe Kritik stieß von Beusts lautes Nachdenken über eine Zusammenarbeit mit Schill bei SPD, GAL und Regenbogen. Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz nannte den Vorstoß "peinlich". Von Beust habe offenbar sein Ziel aufgegeben, das CDU-Ergebnis eigenständig zu verbessern. "Aber wenigstens wissen die Wähler jetzt, woran sie sind."
GAL-Sprecher Kurt Edler sagte, von Beust begehe einen "fatalen Fehler", wenn er einen "Rechtspopulisten hoffähig macht, der auf Angst und Rachegefühle bei den Menschen spekuliert". Das Schill-Programm weise Gemeinsamkeiten mit der Programmatik rechtsradikaler Parteien auf. "Von Beust wird die Orientierung in Richtung Schill mehr Wählerstimmen kosten als sie ihm einbringt", so Edler.
Regenbogen-Spitzenkandidatin Heike Sudmann sagte, von Beust habe sich "mit dieser Entscheidung als Bürgermeisterkandidat für eine liberale Stadt disqualifiziert".
Ole von Beust betonte gestern, dass es keinesfalls eine Arbeitsteilung zwischen Schill und der CDU geben solle. "Ich will, dass auch die demokratische Rechte CDU wählt." Von Beust meint, dass außer der Schill-Partei auch STATT Partei und FDP für eine Koalition in Frage kommen. Er sei sogar bereit, mit den Grünen zu koalieren, sagte von Beust - ein Angebot, das bei der GAL auf wenig Gegenliebe stieß. Das größte Übel sei für ihn eine große Koalition mit der SPD, so von Beust. "Die SPD muss nach so vielen Jahren an der Macht jetzt in die Opposition."
Was die Konkurrenz zu Schill angehe, so sei die Entscheidung für seinen Sicherheitsexperten Roger Kusch "goldrichtig" gewesen, sagte von Beust. Ronald Schill hatte Kusch zuvor beim Parteitag seiner Partei als "Perücke für die sicherheitspolitische Kahlheit der CDU" bezeichnet - und ihm anschließend den Übertritt in seine Partei empfohlen.
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